Kinderbetreuung
Kinderbetreuung: Diesmal schlägt die Regierung nur ein Mini-Gesetz vor

Der neue Gesetzesentwurf zur Kinderbetreuung ist schlank und lässt den Gemeinden einigen Spielraum. Regierungsrätin Susanne Hochuli ist sicher, dass jeder investierte Franken der Gemeinden mehr als zurückkommt.

Urs Moser
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Im Aargau gibt es noch deutlich zu wenig Plätze für die familienergänzende Kinderbetreuung.

Im Aargau gibt es noch deutlich zu wenig Plätze für die familienergänzende Kinderbetreuung.

Annika Bütschi

Der Regierungsrat nimmt einen neuen Anlauf, um die Gemeinden zu verpflichten, ein ausreichendes Angebot an Plätzen für die familienergänzende Kinderbetreuung zu schaffen. Die letzte Vorlage hatte der Grosse Rat vor bald zwei Jahren versenkt. Die Regelungsdichte der damals präsentierten Lösung sei im interkantonalen Vergleich eigentlich gering, aber dennoch für das Scheitern verantwortlich gewesen, bilanziert Sozialdirektorin Susanne Hochuli.

Jetzt versucht sie es mit einem äusserst schlanken Rahmengesetz. Es hält in sieben Paragrafen den Grundsatz fest, dass die Gemeinden verpflichtet sind, den Zugang zu einem «bedarfsgerechten» Angebot an familienergänzender Betreuung von Kindern bis zum Abschluss der Primarschule sicherzustellen. Viel mehr nicht. Den Zugang sicherstellen heisst, dass nicht jede kleine Gemeinde zwingend selber Kitas und Mittagstische einrichten muss, man kann das auch im Verbund lösen. Die Gemeinden haben auch den Bedarf selber zu ermitteln, also zu definieren, was überhaupt «bedarfsgerecht» ist.

Initiative des Lehrerverbands

Der Kompromiss reicht sicher nicht aus, um den Lehrerverband zum Rückzug seiner Initiative zu bewegen. Diese enthält ein ausformuliertes Gesetz mit viel detaillierteren Regelungen. Eine Definition der geforderten Betreuungsqualität und eine maximale Bandbreite für die Kostenteilung zwischen Gemeinden und Eltern sei unabdingbar, sagt Manfred Dubach, Geschäftsführer des Lehrerverbands: «Sonst ist es gar keine kantonale Gesetzgebung wert.» (mou)

Der Kanton gibt auch keine Qualitätstandards für die Angebote vor. Was die Finanzierung betrifft, ist der Rahmen ebenfalls sehr weit gesteckt: Die Gemeinden müssen sich beteiligen, aber in welchem Umfang legen sie selber fest. Die Elternbeiträge sind einkommensabhängig zu gestalten, dürfen aber maximal kostendeckend sein. Gut situierte Familien dürfen nicht über die Tarife zur Quersubventionierung von Krippenplätzen für finanziell schwächer gestellte Eltern gezwungen werden. Kantonsbeiträge gibt es keine.

Minimalster gemeinsamer Nenner

Aus der Not eine Tugend machend, spricht der Regierungsrat von einer «konsequenten» Lösung, die auch die Kompetenzen dort belasse, wo die Finanzierung geregelt ist. «Das Regelungsprinzip lautet so wenig wie möglich, so viel nötig», so Susanne Hochuli. Effektiv handelt es sich um den Versuch, in der Tagestrukturen-Diskussion doch noch einen minimalsten gemeinsamen Nenner zu finden. Denn die Aufträge aus dem Parlament, wie der Scherbenhaufen vom Januar 2012 zu kitten sei, widersprechen sich diametral: mit oder ohne finanzielle Beteiligung des Kantons, mit oder ohne Vorgabe zu den Qualitätsanforderungen.

Die Vorgaben zur Finanzierung sind im Vorschlag der Regierung so offen, dass sich die Kostenfolge kaum abschätzen lässt. Man hat beim Kanton schon eine Vorstellung davon, wie viele zusätzliche Plätze in Krippen, Tagesstrukturen und an Mittagstischen es brauchte. Die Kosten für den Ausbau werden auf 118 Millionen veranschlagt. Je nachdem, wie stark sich die Gemeinden engagieren wollen, reichen die Schätzungen von 47 bis 95 Millionen, die von den Eltern selber bezahlt würden und kosten von 23 bis 71 Millionen für die Gemeinden. Zieht man die 13 Millionen ab, mit denen die Gemeinden Betreuungsplätze schon heute subventionieren, liegen die Mehrkosten für sie beim erwarteten Ausbau bis in 10 Jahren irgendwo zwischen 10 und 58 Millionen.

Mehr Nutzen als Kosten

So oder so würden sich die Mehrkosten relativieren, wirbt Sozialdirektorin Susanne Hochuli für die Vorlage, die nun bis im März in die Anhörung geht. Sie verweist auf verschiedene Studien, die allesamt zum Schluss kommen, dass jeder in die familienergänzende Kinderbetreuung investierte Franken mehr als zurückkommt. Sei es in Form zusätzlicher Steuereinnahmen durch einen höheren Verdienst von Doppelverdiener-Haushalten. Oder durch Einsparungen bei Sozialhilfe oder schulischen Sondermassnahmen, weil die Betreuungsangebote einen Beitrag zur Integration und Sozialisation der Kinder liefern. Eine Kosten-Nutzen-Analyse in der Stadt Zürich zum Beispiel hat ein Verhältnis von 1:1,6 ergeben.