Der Kanton kann derzeit Kurzfristgelder mit knapp 1 Prozent Negativzins aufnehmen. Das heisst, er bekommt dafür Geld, wenn er Schulden macht. Wie kommt das?
Seit über zehn Jahren lässt sich der Kanton Aargau durch Standard & Poor’s in Frankfurt jährlich «raten». Ab sofort gibt es gar Anfang Jahr ein Zwischen- und im Sommer ein Hauptrating. Im letzten Freitag publizierten neuesten Rating, das die Triple-A-Beurteilung früherer Jahre bestätigt, ist die veränderte Lage aufgrund der Aufhebung des Euro-Mindestkurses allerdings noch nicht enthalten. Umso interessanter dürfte die Lagebeurteilung im Sommer werden. Denn laut Peter Reimann, Leiter der Abteilung kantonale Finanzen, haben die Wirtschaftsaussichten direkte Auswirkungen auf die Kantonsfinanzen.
Im stark exportorientierten Aargau dämpft der erneute Euro-Taucher die Aussichten. Auch für die staatseigenen Institute wie die Kantonalbank ist das Rating des Kantons sehr wichtig. Je näher die Beteiligung beim Kanton angesiedelt ist, desto besser wirkt sich dies auf das Rating der Institution aus.
Doch was nützt dem Kanton dieses Rating? Gemäss Reimann achten ausländische Banken sehr stark darauf. Ein Triple-A-Kanton könne unter normalen Umständen Geld um 0,05 bis 0,1 Prozent günstiger beschaffen als ein Double-A-Kanton. Das tönt nach nicht sehr viel. Wenn man aber weiss, dass der Kanton in seinen Büchern Gesamtschulden von gegen 1,6 Milliarden Franken führt, kommt da doch einiges zusammen. Dies ist dem Kanton laut Peter Reimann jährlich 40'000 Dollar für das Rating wert. Ein Top-Rating sei auch ein wichtiges Kriterium für Firmen, die sich eine Ansiedlung im Aargau überlegen.
Ob dieser Vorteil auch jetzt zieht, da der Geldmarkt völlig verrückt spielt, vermag Reimann nicht zu sagen. Klar ist, dass der Kanton von den sinkenden Zinsen profitiert. Neuerdings erhält er sogar Zins, wenn er kurzfristig Geld aufnimmt. Aktuell bieten europäische Banken dem Aargau bis 1 Prozent Zins, wenn er bei ihnen Geld aufnimmt. Sie verlangen nichts, sondern bieten für kurzfristige Schulden von 1 bis 3 Monaten rund 1 Prozent Zins. Reimann sagt dazu, der Aargau spekuliere nicht und nehme nur bei Banken Geld auf, die für gute Geschäftsbeziehungen bürgen.
Tatsächlich nimmt der Kanton traditionell rund 25 Prozent (aktuell also rund 400 Millionen Franken) seiner Schulden kurzfristig, für bis sechs Monate auf. Gestern hat er laut Reimann kurzfristige Gelder aufgenommen, für die er erstmals nichts bezahlt, sondern knapp 1 Prozent Zins erhält. Die Diskrepanz zu den frühen 90er-Jahren könnte nicht grösser sein: Damals kletterten die Zinsen auf fast 10 Prozent. Inzwischen zahlt der Aargau für seine Schulden durchschnittlich noch 2 Prozent Zins jährlich – Tendenz weiter sinkend. Heute kann er Schulden für zehn Jahre fest für 0,5 Prozent Zins aufnehmen.