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Kanton Aargau
Trotz Verkaufsverbot für unter 16-Jährige kommen Jugendliche oft mühelos an Zigaretten: Das hat die erste Testkaufserie im Aargau gezeigt. Nun sind weitere Testkäufe geplant.
Der Kanton Aargau hat zum ersten Mal Tabaktestkäufe durchgeführt. Zwischen Dezember 2016 und August 2017 haben jugendliche Lockvögel 116 Mal versucht, Zigaretten oder andere Tabakwaren zu kaufen. 38 Mal haben sie die gewünschte Ware erhalten.
Jede dritte Verkaufsstelle hat also gegen das Verkaufsverbot von Tabakwaren an Kinder und Jugendliche verstossen. Die Resultate überraschen Kathrin Sommerhalder nicht. Die Leiterin der Fachstelle Sucht beim Departement Gesundheit und Soziales hat damit gerechnet: «Testkäufe in anderen Kantonen zeigen ähnliche Ergebnisse.»
Trotzdem zeige das Resultat, dass Handlungsbedarf bestehe. Längst nicht alle Mitarbeiter hinter der Bar oder an der Kasse sind genug für den Jugendschutz sensibilisiert. Am häufigsten haben Mitarbeiter in Takeaways, im Detailhandel und in Bars Zigaretten an Minderjährige verkauft. Obwohl in Bars oft Zigaretten-Automaten stehen, die erst nach einer Altersprüfung funktionieren, sei es auch dort zu Verstössen gekommen: «Mehrere Male lagen die Jetons während der Testkäufe frei zugänglich auf den Automaten», sagt Kathrin Sommerhalder. Das nütze natürlich wenig.
Die einzige positive Ausnahme sind Tankstellen. Dort war kein einziger Testkäufer erfolgreich. «Die Betreiber von Tankstellenshops führen regelmässig Testkäufe durch, um ihre Mitarbeitenden für das Thema zu sensibilisieren», sagt Kathrin Sommerhalder. Das zeige Wirkung.
Die Testkäufe, die im Rahmen des Pilotprojekts durchgeführt wurden, sind nicht aufgelöst worden. Das heisst, die Verkaufsstellen wurden über die Ergebnisse nicht informiert. «Das Ziel des Pilots war eine Bestandesaufnahme», sagt Kathrin Sommerhalder. Aufgrund der Ergebnisse wird sich der Kanton im Rahmen des vierjährigen kantonalen Tabakpräventionsprogramms zwischen Januar 2018 und August 2019 an der offiziellen Testkaufserie beteiligen, die in rund 30 Aargauer Gemeinden durchgeführt werden soll.
Wie bereits für den Pilot hat der Kanton dem Blaue Kreuz Aargau/Luzern den Auftrag gegeben. Der Verein führt bereits länger Alkoholtestkäufe durch und verfüge über eine grosse Erfahrung. Er rekrutiert auch die Testkäuferinnen und Testkäufer.
Im Gegensatz zum Pilot werden diese offiziellen Testkäufe direkt im Anschluss aufgelöst. Für die Mitarbeitenden hat ein mögliches Fehlverhalten jedoch keine Konsequenzen. «Die Testkäufe dienen der Prävention», sagt Kathrin Sommerhalder. Ziel sei es, Mitarbeiter für das Verkaufsverbot zu sensibilisieren. «Häufig ist ja keine böse Absicht dahinter.»
Ausserdem fehlt in der Schweiz eine rechtliche Grundlage, die erlauben würde, dass Testkaufergebnisse bei Strafverfahren als Beweismittel verwertet werden dürfen. Das Bundesgericht hat 2012 in einem Urteil Alkoholtestkäufe als verdeckte Ermittlung eingestuft, «womit sie in einem Strafverfahren nicht verwendbar sind und somit keine Bussen zur Folge haben», wie die Eidgenössische Alkoholverwaltung in einer Medienmitteilung schreibt. Möglich seien jedoch Verwaltungsmassnahmen. Beispielsweise ein Patententzug.
Es erstaunt deshalb nicht, dass auch Detailhändler bemüht sind, ihr Personal zu sensibilisieren. Die Lizenz will niemand verlieren. Denner, Coop und Valora führen regelmässig Schulungen zum Thema Jugendschutz durch und kontrollieren die Wirksamkeit der Massnahmen durch unangemeldete Testkäufe. Zusätzlich setzen alle drei auf technische Hilfsmittel an der Kasse. Erfassen Mitarbeitende ein Produkt, dessen Verkauf eine Alterskontrolle verlangt, erscheint auf dem Kassendisplay ein Fenster, das die Mitarbeitenden zur Durchführung der Alterskontrolle auffordert.
Valora kann zwar wie die anderen beiden keine genauen Zahlen nennen, ist aber «überzeugt, dass die Massnahmen zu weniger Verstössen führen». Denner-Sprecher Thomas Kaderli sagt, die Fehlerquote habe dank der Massnahmen in den letzten Jahren deutlich gesenkt werden können. Und Coop-Sprecher Ramón Gander sagt: «Die Testkäufe verlaufen seit einigen Jahren grossmehrheitlich sehr positiv.»
Hält sich ein Mitarbeiter nicht an das Verkaufsverbot, wird das Gespräch mit den Mitarbeitenden gesucht. «Im Wiederholungsfall drohen ernste Konsequenzen, die bis zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses reichen können», sagt Thomas Kaderli.