Die Kantonalpartei wünscht sich, dass der zurückgetretene Jonas Fricker politisch aktiv bleibt, die Bundeshausfraktion lobt ihn.
Eigentlich ist Irène Kälin die Hauptperson: Die 30-jährige Grünen-Politikerin aus Lenzburg wurde gestern Montag als neue Nationalrätin vereidigt. In zwei Mitteilungen begrüsste die Grünen-Fraktion in Bern ihre neue Kollegin, während Kälins Kantonalpartei ihr einen guten Start im Nationalrat wünschte. Für die Islamwissenschafterin, bisherige Fraktionspräsidentin der Grünen im Grossen Rat und Präsidentin von Arbeit Aargau war es ein fliessender Übergang. Nach der kantonalen Budgetdebatte in Aarau, wo sie vergangene Woche die erste Sitzung mitmachte, ging es für Irène Kälin gestern in Bern mit nationaler Finanzpolitik weiter.
Der deutlich längere Teil der Mitteilungen der Grünen dreht sich allerdings nicht um Irène Kälin, sondern um ihren Vorgänger Jonas Fricker, der nach seinem Vergleich von Schweinetransporten mit Judendeportationen in der Herbstsession aus dem Nationalrat zurückgetreten ist. So bedankt sich die Grüne Fraktion bei Fricker für dessen grosses Engagement für die Nachhaltigkeit. Fraktionschef Balthasar Glättli wird mit der Aussage zitiert, man werde «nicht nur Frickers Fachwissen im Umwelt- und Bildungsbereich vermissen, sondern auch seine offene, optimistische und teamorientierte Art».
Mit dem Dank für sein grosses Engagement für eine nachhaltige Schweiz verbinden Fraktion und Partei laut der Mitteilung «auch den Wunsch, dass die gute politische Zusammenarbeit weitergehen wird». Das klingt sehr versöhnlich und völlig anders als die Reaktionen der Grünen-Führung nach dem unglücklichen Vergleich im Oktober. «Ich war konsterniert und schockiert, als ich Jonas Fricker sprechen hörte», sagte Parteipräsidentin Regula Rytz damals. Und sie betonte: «Die ganze Fraktion distanziert sich in aller Form von seinen inakzeptablen Äusserungen.» Fraktionschef Glättli liess sich damals mit dem Satz zitieren, solche Entgleisungen und Relativierungen dürften nie mehr vorkommen, sie seien absolut deplatziert. Glättli: «Die Grünen verurteilen diese Aussage ohne Wenn und Aber.»
Auch aus der Kantonalpartei gab es Druck auf Fricker, wie Präsident Daniel Hölzle Anfang Oktober gegenüber der AZ sagte. «Nach Einschätzung der Situation habe ich ihm gesagt, dass ein Rücktritt wohl die beste Lösung ist». Er habe Fricker «die Gefahren aufgezeigt für ihn und für die Partei, wenn man nicht handle», hielt Hölzle weiter fest.
Nun loben die Aargauer Grünen Fricker per Mitteilung als charismatischen Nationalrat, der sich für die Energiewende und gegen AKW eingesetzt habe. Er habe die Kantonalpartei vor seiner Zeit im Bundesparlament als Präsident und Grossrat stark geprägt. Seine offene, kommunikative, integrative Art sei für viele Mitglieder ein Grund gewesen, sich in der Partei zu engagieren. Schliesslich heisst es in der Mitteilung, die von Kantonalpräsident Daniel Hölzle unterzeichnet ist: «Die Grünen Aargau wünschen sich, dass Jonas Fricker sich weiterhin politisch engagiert.
Dieser sagt auf Anfrage der AZ, er freue sich über den Inhalt der Mitteilungen seiner Partei. Ob er sich ein weiteres politisches Engagement vorstellen kann, lässt er allerdings offen. «Seit Montag bin ich nicht mehr Nationalrat, aber ich bin und bleibe ein politischer Mensch», sagt Fricker. Er werde sich neu organisieren und das gehe, zumindest für den Moment, besser ohne mediale Begleitung. Grundsätzlich sei mit Blick auf künftige politische Tätigkeiten «alles möglich und alles offen», fasst Fricker zusammen.
Bereits am Sonntag hatte der zurückgetretene Nationalrat auf Facebook ein Bild seiner offiziellen Abschiedsurkunde gepostet. «In dankbarer Würdigung und Anerkennung seines staatsbürgerlichen Engagements und seiner parlamentarischen Tätigkeit», heisst es darauf. Dies kommentierte Fricker mit dem Satz: «Mein letzter Tag als Nationalrat hat begonnen.» Am Montag änderte er die Angaben zum Beruf auf Facebook dann zu «Nichtberufstätiges Elternteil». Über seine Zukunft gibt er sich auch online bedeckt: «Ich bin gespannt, wie es weitergeht...», schreibt er im sozialen Netzwerk und verspricht: «Für die Nachhaltigkeit werde ich mich immer einsetzen!»