Fragezeichen
Verhindern Umweltverbände erneuerbare Energien? SVP-Grossrat Jäggi hat einen Verdacht

Der Ausbau von Sonnen- und Windenergie und der Wasserkraft wird manchmal durch Einsprachen erschwert. Grossrat Rolf Jäggi vermutet, dass oft linke Organisationen den Ausbau blockieren – nun gab ihm die Regierung Antwort.

Dominic Kobelt
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SVP-Grossrat Rolf Jäggi hat Fragen im Zusammenhang mit Projekten zum Ausbau von erneuerbaren Energien.

SVP-Grossrat Rolf Jäggi hat Fragen im Zusammenhang mit Projekten zum Ausbau von erneuerbaren Energien.

Britta Gut (17. November 2020)

Die Energiewende basiert auf dem Ausbau von Sonnen- und Windenergie sowie Wasserkraft. «Die blockierenden Organisationen (regelmässig Vereine, insb. Verbände und Parteien) und die treibenden Kräfte der Ausbaustrategie sind dem gleichen politischen Lager zuzuordnen», schrieb SVP-Grossrat Rolf Jäggi in einer Interpellation und wollte von der Regierung wissen, welche Projekte wie lange und durch wen verzögert wurden.

Der Regierungsrat hält nun in seiner Antwort fest, dass sich die Bewilligungsverfahren von Sonnen-, Wind- und Wasserkraftanlagen wesentlich unterscheiden. «Auch die Widerstände bei den verschiedenen Technologien sind sehr unterschiedlich.»

Bei Sonnen-, Wind- und Biomasseanlagen gebe es keine Übersicht über die Bewilligungsverfahren der letzten 30 Jahre, heisst es in der Antwort weiter. Da die entsprechenden Informationen bei den Gemeinden herausgesucht werden müssten – ein sehr grosser Aufwand. Der Regierungsrat bezieht sich deshalb auf die Hindernisse seit der Einführung der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV) 2009.

Widerstand gegen Solarenergie: «Organisationen spielen keine Rolle»

Zuständig für die Bewilligung von Photovoltaikanlagen und Sonnenkollektoren sind die Gemeinden. Seit 2014 ist eine Baubewilligung nur noch beim Einbau in eine Fassade notwendig oder wenn die Gebäude in einem geschützten Gebiet stehen (z. B. Denkmal- oder Substanzschutz). Bei allen anderen Anlagen genügt eine Meldung an die Gemeinde.

Die Raiffeisenbank in Niederrohrdorf hat eine Photovoltaikanlage realisiert.

Die Raiffeisenbank in Niederrohrdorf hat eine Photovoltaikanlage realisiert.

Valentin Hehli

«Ein Konfliktpotenzial besteht insbesondere bei der Installation von Anlagen auf oder im Umfeld von geschützten Gebäuden beziehungsweise innerhalb von Altstadt-, Kern- und Dorfzonen», schreibt dazu der Regierungsrat. Die deswegen nicht realisierten Projekte lägen damit statistisch gesehen deutlich unter 20 Gigawattstunden, schreibt der Kanton. Und kommt zum Schluss: «Beim Widerstand gegen den Bau von Sonnenenergieanlagen spielen Organisationen keine Rolle.»

Wasserkraft: Einsprachen kamen von Privaten und Unternehmen

Die Konzessionen und die Baubewilligungen für Wasserkraftwerke werden vom Kanton erteilt. Gleichzeitig entscheidet dieser über die Einsprachen. «In den letzten 25 Jahren ist die ganz überwiegende Mehrzahl von Einsprachen von Seiten Privater und Unternehmen eingereicht worden», heisst es in der Interpellationsantwort. In aller Regel verhinderten oder verzögerten diese jedoch einen Ausbau der Wasserkraftnutzung nicht.

Kurz vor Abschluss steht die Neukonzessionierung des Kraftwerks Reckingen.

Kurz vor Abschluss steht die Neukonzessionierung des Kraftwerks Reckingen.

zvg

Unterschieden wird zwischen Gross- und Kleinkraftwerken. In den letzten 30 Jahren wurde bei zehn grossen Wasserkraftwerken die Konzession erneuert. Diese Verfahren sind umfangreich und dauern mehrere Jahre. Gemeinden, Organisationen und Privatpersonen würden früh in der Planung berücksichtigt, so könne man deren Anliegen einbinden. «Dies hat zur Folge, dass bei verschiedenen Konzessionserneuerungen gar keine verzögernden Einsprachen eingereicht worden sind.»

Trotzdem könnten Einsprachen nicht in jedem Fall verhindert werden – diese zielten aber nicht auf eine Verhinderung des Projekts ab. «Sie – in erster Linie die Umweltverbände (unter anderem WWF, Aqua Viva, Fischereiverband) – wollen ökologische Verbesserung erreichen.» Die Wasserkraftwerke dürften aber auch bei einer verzögerten Neukonzessionierung weiter produzieren, macht der Regierungsrat klar.

Neue Standorte für Grosswasserkraftwerke wurden keine festgelegt und es stehen auch keine neuen Standorte zur Diskussion. Mit 70 Konzessionen für Kleinwasserkraftwerke sei das Potenzial bereits weitgehend genutzt.

Biogasanlagen: «Es sind keine Verhinderungen bekannt»

Im Kanton Aargau gibt es neun Biogasanlagen, die alle auch Strom mittels Blockheizkraftwerken erzeugen. Die Baubewilligung werde durch die Gemeinden erteilt, bei grösseren Anlagen und für solche ausserhalb des Baugebiets sei eine Zustimmung durch den Kanton erforderlich, schreibt der Regierungsrat. «Wenn es Einsprachen gibt, so stammen diese von Personen aus der Nachbarschaft. Es sind keine Verhinderungen von Anlagen bekannt.»

Das Blockheizkraftwerk mit Kompogas bei der Firma Häfeli-Brügger AG in Klingnau. Hier werden aus Haushaltsabfällen Gas und Strom erzeugt.

Das Blockheizkraftwerk mit Kompogas bei der Firma Häfeli-Brügger AG in Klingnau. Hier werden aus Haushaltsabfällen Gas und Strom erzeugt.

Hans Lüthi

Windenergie: «Komplexe Einsprachen waren noch nicht möglich»

Im Kanton Aargau gibt es gegenwärtig keine grosse Windkraftanlage. Im Richtplan sind fünf Standorte ausgewiesen, die zur vertieften Überprüfung in Frage kommen. Gegenwärtig werden zwei Projekte intensiv vorangetrieben: der Windpark Burg und der Windpark Lindenberg. Im Bewilligungsverfahren nehmen verschiedene Gemeinden, Parteien, Organisationen und Private Stellung. «Aufgrund der aktuellen Projektentwicklungsstände sind Verhinderungen durch komplexe Einsprachen und langwierige Gerichtsprozesse noch nicht möglich gewesen», schreibt der Regierungsrat.

Visualisierung des Windparks Lindenberg.

Visualisierung des Windparks Lindenberg.

zvg

Aus Investorensicht seinen weniger Einsprachen als solche, sondern die Gesamtdauer der Bewilligungsverfahren und eine bessere Absicherung der Vorlaufkosten entscheidend.

Jäggi: «Hinter der Interpellation steht eine politische Frage»

Rolf Jäggi will in seiner Interpellation wissen, wie viel Strom dem Kanton aus Verzögerungen und Verhinderungen entgangen ist. Dazu schreibt der Regierungsrat: «Organisationen», wie sie im Vorstoss angesprochen würden, «nehmen in der Regel nur bei der Konzessionierung von Wasserkraftanlagen Einfluss in die Bewilligungsverfahren.» Eine Verhinderung von Projekten habe es in den letzten 30 Jahren nicht gegeben. «Verzögerungen bei Neukonzessionierungen kommen wiederholt vor. Allerdings sind die Gründe vielfältig und können nicht einer bestimmten Organisation angelastet werden.»

Hinter seiner Interpellation stehe eine politische Frage, erklärt SVP-Grossrat Rolf Jäggi – darauf habe der Regierungsrat keine Antwort gegeben. «Es geht darum, ob die Leute, die an vorderster Front die Energiewende fordern, zur gleichen Klientel gehören, die Projekte zum Ausbau erneuerbarer Energien verhindern.»

Die Beantwortung der Interpellation habe ihm aber gezeigt, dass der Aargau ein Energiekanton sei, der zu den diversen Energieformen stehe, so Jäggi weiter. «Ganz genau weiss man aber doch nicht, woher die Einsprachen kommen – wobei mir bewusst ist, dass es ein unverhältnismässiger Aufwand wäre, das bei den Gemeinden abzuklären, und das war auch nicht das Ziel von meinem Vorstoss.»

Man wisse derzeit nicht, wo man ansetzen müsse, wenn es darum gehe, kantonale oder nationale Gesetze so anzupassen, dass Projekte schneller realisiert werden können, so die Einschätzung des Grossrats. «Die SVP wird diese Frage auch in anderen Kantonen angehen.»

Was ihm aber dennoch zu denken gebe, sei, dass es bei der Neukonzessionierung von Wasserkraftwerken zu Widerstand komme, und dies wegen Partikularinteressen. «Als Betreiber muss man so viel beachten, etwa den Wasserzins oder die ganzen Auflagen», erklärt Jäggi. «Wenn man schon die erneuerbaren Energien fördern will, dann sollte man die Betreiber solcher Anlagen nicht noch bestrafen.»