Damals im Aargau
Indien, Schweden, Türkei – wie Birr 1971 den Schulalltag mit Kindern aus 14 Nationen meisterte

45 Prozent der Primarschüler in Birr hatten Anfang der 70er-Jahre einen Migrationshintergrund. Ihre Eltern kamen aus der ganzen Welt, um bei der damaligen BBC zu arbeiten. Was das für den Schulalltag hiess, zeigt ein Beitrag aus dem Archiv des Schweizer Fernsehens.

Simone Morger
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Finnland, Indien, Tschechoslowakei, England, Italien, Dänemark, Türkei, Spanien. So klang es Anfang der 70er-Jahre in Birr, wenn man die Kinder dort nach ihrer Herkunft fragte. Die Primarschule in Birr sei eine «Uno im Kleinen», sagt der Sprecher dieses Archiv-Beitrags des Schweizer Fernsehens. Ausgestrahlt worden ist er im November 1971 in der Sendung «Antenne».

Von den zu diesem Zeitpunkt 403 Primarschülern hatten 179 oder 45 Prozent einen Migrationshintergrund. Ihre Eltern stammten aus 14 verschiedenen Ländern. Von 3 auf 14 Klassen sei die Primarschule Birr in den 60er-Jahren angewachsen, heisst es im TV-Beitrag.

Der Grund: Der Produktionsstandort der damaligen BBC in Birr, wo ausländische Fachkräfte gesucht waren. Viele dieser Angestellten lebten in der Überbauung Wyde, wo in unmittelbarer Nähe zum BBC-Areal 500 neue Wohnungen für den Bevölkerungszuwachs geschaffen worden waren.

«Wie Kinder verschiedenster Nationen zusammenwachsen»

Der Anfang vom Ende des trauten Schweizer Zusammenlebens? Nicht, wenn man der Berichterstattung des Schweizer Fernsehens glaubt. Birr – und im Besonderen die dortige Primarschule – wird 1971 als Vorbild in Sachen Integration dargestellt.

Oder wie es der Sprecher formuliert: «Die Schulgemeinde Birr mit modern eingerichteten Räumen und einem vorwiegend jungen Lehrpersonal ist ein Beispiel dafür, wie Kinder verschiedenster Nationen zusammenwachsen können.»

Die beiden Lehrpersonen, die im Beitrag zu Wort kommen, fokussieren denn auch nicht auf allfällige Probleme. Die verschiedenen Nationen brächten Abwechslung in den Schulalltag, sagt die Lehrerin, und: «Sie verstehen einander sehr gut.»

Ihr Kollege sagt, dass der Unterricht inhaltlich keine Anpassungen benötige. Einzig sprachlich stelle er Unterschiede fest: «Weil die Ausländer vor allem grammatikalisch nicht ganz auf der Höhe der Schweizer Schüler sind. Weil sie zuhause ja vor allem ihre Muttersprache sprechen.»

Ausgerechnet der Pädagoge Heinrich Pestalozzi hat in Birr bereits Ende des 18. Jahrhunderts eine Schule begründet und liegt auch dort begraben. Diesen Fakt nahm auch das Schweizer Fernsehen auf. Birr sei dem pädagogischen Gedanken bereits durch Pestalozzi verbunden und habe nun «einen ersten Schritt zur Lösung des Integrationsproblem getan», heisst es. «Es bleibt zu hoffen, dass weitere Schritte folgen.»