Impfen
Aargau vergibt Impftermine für 33-Jährige – das löst Staunen und Freude im Netz aus – doch es gibt eine Erklärung dafür

Wenn es um die Impfkampagne geht, wurde der Aargau auch schon als Trödelkanton bezeichnet. Doch nun häufen sich auf Twitter die Posts von erfreuten Usern, die von Impfterminen für junge Aargauerinnen und Aargauer berichten. Tatsächlich vergibt der Kanton ab dieser Woche erste Termine an Angehörige von Personen mit Vorerkrankungen, dies unabhängig vom Alter.

Fabian Hägler
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Ab dieser Woche gibt es Impftermine für jüngere Aargauerinnen und Aargauer, die mit Personen aus der Risikogruppe zusammenleben.

Ab dieser Woche gibt es Impftermine für jüngere Aargauerinnen und Aargauer, die mit Personen aus der Risikogruppe zusammenleben.

Symbolbild: Fabio Baranzini

«Hat der Kanton Aargau irgendwo einen Impfdosen-Dealer aufgespürt?», fragt der parteilose Buchser Einwohnerrat Reto Fischer aus Buchs auf Twitter. Hintergrund der Frage: Fischer hört seit gestern Dienstag, dass im Aargau jetzt Impftermine unabhängig vom Alter vergeben werden, zum Teil schon für diesen Sonntag.

Fischer sagt auf Nachfrage, eine 38-jährige Frau, die einen Impftermin erhalten habe, wohne mit vulnerablen Personen zusammen. Bei einer 40-jährigen Person, die bald geimpft werde, lag vor ein paar Jahren eine Krebserkrankung vor – bei den anderen Fällen kennt er die Details nicht.

Aargauer freuen sich über Impftermine – haben aber auch Fragen

Der letztjährige Grossratskandidat Fischer ist nicht der einzige, der diese Beobachtung macht, auf seinen Tweet melden sich weitere Aargauer. Einer berichtet, seine 33-jährige Frau habe für Sonntag einen Impftermin erhalten, und ein 47-jähriger Twitter-User aus dem Aargau schreibt, er selber werde ebenfalls am Sonntag geimpft. Er teilt auf Anfrage mit:

«Ich war auch erstaunt, dass ich den Termin als 47-Jähriger erhalten habe, bin aber froh, dass ich mich impfen lassen kann.»

Der Mann vermutet, dies könnte allenfalls damit zusammenhängen, «dass ich mich am ersten Tag registriert habe und meine Mutter und Schwester als Mitglieder der Risikogruppe bereits zweimal geimpft sind». Er selber sei ausser etwas Übergewicht gesund und hoffentlich ohne Risiko, schreibt der Mann weiter. «Ich werde am Sonntag gerne beim Kantonsspital Aarau zum Impfen erscheinen», schliesst er.

Eine weitere Twitter-Userin schreibt:

«Mini Schwöster und ich hend beidi en Impftermin. Ich brüelle. Am nöchste Sunntig, endlich Aargau!»

Als die AZ sie anschreibt, teilt die junge Frau mit: «Wir sind Angehörige von Personen aus einer Risikogruppe, ich gehöre selber aber keiner Risikogruppe an.»

Termine für Angehörige von Risikogruppen-Mitgliedern

Vor einer Woche teilte der Kanton mit, dass nun alle Personen mit Vorerkrankungen geimpft würden. Zudem kündigte das Gesundheitsdepartement an, dass Angehörige von Personen mit Vorerkrankungen und Personen in Gemeinschaftseinrichtungen mit erhöhtem Infektions- und Ausbruchsrisiko noch im April erste Impftermine erhalten würden.

Dies wird nun umgesetzt und sorgt für Freude bei den Aargauerinnen und Aargauern - aber auch für Fragezeichen. Der 47-Jährige, der am Sonntag geimpft werden soll, schreibt der AZ, er wohne nicht zusammen mit seiner Mutter oder Schwester, die beide zur Risikogruppe gehören. Dies wäre aber Voraussetzung, denn laut Kriterien der Eidgenössischen Impfkommission gelten nur erwachsene Haushaltsmitglieder einer Person mit Vorerkrankungen als Angehörige.

Termine auch für Leute, die Personen aus der Risikogruppe pflegen

Matthias Gerth, Leiter Kommunikation der Impfkampagne, teilt dazu mit, der Kanton könne zu derartigen spezifischen Einzelfällen keine Stellung beziehen. Gerth hält aber fest:

«Wenn sich im Impfzentrum herausstellt, dass die Person unberechtigterweise aufgrund falscher Angaben bei der Registrierung einen Termin erhalten hat, dann wird sie abgewiesen.»

Zur Zielgruppe 3 gehören laut dem Kommunikationschef der Impfkampagne nicht nur Haushaltsmitglieder, sondern auch pflegende Angehörige von besonders gefährdeten Personen. Gerth sagt weiter: «Wir können versichern, dass derzeit nur Angehörigen der Zielgruppen 1, 2 und 3 ein Termin zugewiesen wird.» Das geschehe automatisiert, alle anderen Gruppen seien noch nicht für die Terminvergabe freigegeben.

Andrée Friedli, Infektiologin am Kantonsspital Baden, zur Impfkampagne.

ag.ch

Am Dienstag teilte der Kanton mit, Impftermine für Angehörige von besonders gefährdeten Personen (Zielgruppe 3) stünden ab dieser Woche zur Verfügung. Es sei allerdings nicht möglich, allen Personen aus dieser Zielgruppe bereits in der laufenden Woche einen Termin zu senden. Vorerst handelt es sich um ganz wenige Termine, da es letzte Woche zu einer Lieferverzögerung beim Impfstoff kam. Knapp 20'000 Personen aus der Zielgruppe 3 befinden sich derzeit auf der Warteliste. Zuerst erhalten gemäss der Mitteilung jene Personen einen Termin, die sich bereits im Januar oder Februar registriert hatten.

Erste Impftermine für breite Bevölkerung schon im Mai

Die Verantwortlichen der Impfkampagne rufen die Bevölkerung weiterhin zu Geduld auf. Die Liefermengen beim Impfstoff seien entgegen anderslautender Annahmen immer noch beschränkt. Dennoch sei die Zulassung weiterer Personen zur Impfung möglich, da fast alle Impfwilligen aus den Zielgruppen 1 (besonders gefährdete Personen) und 2 (Mitarbeitende im Gesundheitswesen und im sozialmedizinischen Bereich) bereits Impftermine erhalten hätten.

Bewohner und Mitarbeitende in Gemeinschaftseinrichtungen wie zum Beispiel Gefängnissen (Zielgruppe 4) erhalten laut dem Kanton Ende April, also nächste Woche, erste Termine. Die Restbevölkerung kann im Mai mit der Benachrichtigung über Impftermine rechnen, stellt der Kanton in Aussicht. Wer heute schon registriert ist, kann mit einer ersten Impfung im Mai oder Juni und der zweiten Impfdosis spätestens im Juli rechnen. Abhängig sei dies von der Lieferung der Impfstoffe. Die notwendige Kapazität in den Impfzentren sei sogar grösser als derzeit notwendig.