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Seit 18 Jahren ist die Aarburgerin Andrea Muntwiler Lokführerin bei der SBB. Dass die Corona-Pandemie solch tiefgreifende Auswirkungen haben könnte, hätte sie nicht gedacht. Angst habe sie dennoch.
Reisende, die Andrea Muntwiler beim Einfahren in den Bahnhof anlächeln, Passagiere, die sich gegenseitig zuwinken oder in die Arme fallen – Andrea Muntwiler liebt diese Situationen, wenn sie im Führerstand einer S-Bahn in einen Bahnhof einfährt. Im Moment muss sie darauf verzichten, denn die Corona-Pandemie lässt die SBB ihren Fahrplan in nie da gewesenem Umfang zusammenstreichen. Heute Montag wird der letzte Schritt der stufenweisen Reduktion vollzogen. Betroffen sind in erster Linie Schnellzüge, Interregios und grenzüberschreitende Verbindungen. Ein Grundangebot, also mindestens der Stundentakt, soll aber erhalten bleiben.
Weil Andrea Muntwiler oft Regionalzüge oder S-Bahnen fährt, hat sie bisher kaum Auswirkungen der Fahrplanreduktion gespürt. Ihre Einsätze waren vergleichbar zu Zeiten vor der Corona-Pandemie. Eines stellt die 39-jährige Aarburgerin aber fest: Es hat weniger Leute. Sowohl auf dem Bahnhof als auch in den Zügen. «Das fühlt sich dann manchmal richtig einsam an. Ich vermisse die Passagiere», meint sie. Für sie persönlich die grössten Auswirkungen hat der Ausfall des Regio-Expresses Olten–Wettingen, den sie selber regelmässig benutzt, um zu ihrem Heimat-Depot Brugg zu kommen. «Nun muss ich wohl mehr mit dem Auto zur Arbeit fahren.»
Dass die Corona-Pandemie solch tiefgreifende Auswirkungen haben könnte und sich auch auf ihre Arbeit auswirkt, das hat Andrea Muntwiler nicht gedacht – genauso wie auch viele andere, die die Pandemie unterschätzt haben. Doch nun stellt sie fest: Das Virus verändert alles. Neu öffnet sie nun beim Halt im Bahnhof alle Türen vom Führerstand aus. «Ich finde das ganz gut, so müssen die Passagiere den Türknopf nicht mehr selber drücken», sagt Andrea Muntwiler. Das funktioniere allerdings nicht bei allen Fahrzeugen. Auch bei der Übergabe zwischen den Lokführern hat es Änderungen gegeben: Früher haben sich die Lokführer im Führerstand getroffen, ein kurzes Gespräch geführt und sich dann verabschiedet. Jetzt wartet der neue Lokführer, bis sein Kollege ausgestiegen ist. Das Übergabegespräch findet auf dem Bahnsteig statt – mit zwei Meter Sicherheitsabstand zwischen ihnen.
Wenn Andrea Muntwiler den Führerstand betreten hat, wischt sie zuerst die Bedienelemente mit einem Tuch mit Desinfektionsmittel ab. «Das Virus macht mir keine Angst», sagt sie, «ich habe aber Respekt. Weil ich nicht weiss, wie es weitergeht und wie lange die Situation andauert.» Eine vergleichbare Situation hat sie in ihrer 18-jährigen Karriere als SBB-Lokführerin noch nie erlebt. Sie erinnert sich allerdings an den Stromausfall im gesamten SBB-Netz im Sommer 2005. «Ich stand in Waldibrücke und von einem Moment auf den anderen ging nichts mehr.» Allerdings, so betont sie, sei dieser Spuk nach ein paar Stunden vorbei gewesen. Wie lange die aussergewöhnliche Situation aufgrund des Corona-Virus noch andauern wird, kann niemand sagen.