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CVP-Ständeratskandidatin Marianne Binder hospitiert im Wahlkampf in diversen Betrieben und Organisationen. Die AZ hat sie als Hilfskraft in einem Coiffeur-Salon begleitet.
Die kantonale CVP-Präsidentin und Grossrätin Marianne Binder aus Baden kandidiert für den Ständerat. Dafür ist sie jetzt schon regelmässig im Einsatz. Die Rede ist hier weniger von Strassenaktionen (die gehören natürlich dazu), sondern von einer eigenen Aktion. «Ich chome verbii», bietet Binder auf ihrer Homepage an.
Sie meint grössere und kleinere Firmen, in denen sie für einen halben oder einen ganzen Tag hospitieren will. Sie will dabei den Alltag im Betrieb in Erfahrung bringen, aber auch die Sorgen und Erwartungen von Unternehmerinnen, Unternehmern und Arbeitnehmenden. Sie ist bereit, dabei auch selber anzupacken. Viele Anfragen hat sie bereits erhalten, bewirbt sich aber auch selber.
An einem der ersten dieser Einsätze ist die AZ dabei, nämlich beim Coiffeur Grimm in Baden. Dort trifft man Marianne Binder, mit Coiffeurschürze gewandet, bestens gelaunt beim telefonischen Abmachen von Terminen, beim Bodenwischen oder bei der Farbberatung für Fingernägel. Ihrem Coiffeur Ramon Grimm wäscht sie unter Anleitung seiner Mitarbeiterin Samire Korqa die Haare. An die Kundinnen lässt er sie nicht ran. Binder lachend: «Das verstehe ich. Es reicht, wenn er in Kauf nimmt, dass ich ihm aus Versehen Wasser auf den Rücken schütte.»
Bei Kundinnen und Kunden politische Werbung zu machen, vermeidet Binder dabei bewusst. Einzig beim Empfang liegen dezent einige Wahlprospekte auf. Die Vollblutpolitikerin nimmt aber gern zur Kenntnis, wenn es plötzlich von einem Coiffeurstuhl tönt: «Sind Sie nicht Frau Binder?» Das passiert wiederholt an diesem Tag. Nicht nur, weil man die frühere Kommunikationschefin der CVP Schweiz aus der Zeitung oder vom TV kennt, sondern auch, weil sie und viele andere hier Stammkunden sind. Wird sie angesprochen, erklärt sie gern, warum sie hier ist.
Die Resonanz auf ihre Aktion sei positiv, sagt sie. Auch Ramon Grimm findet es eine gute Sache und freut sich, wenn Politikerinnen und Politiker zu den Leuten gehen. «Das sollten andere auch tun. Es gibt gleich eine andere Perspektive.»
In der Serie «Unterwegs mit ...» stellt die AZ in loser Folge Ständeratskandidatinnen und -kandidaten abseits des üblichen Wahlkampfs vor. Grossrätin Marianne Binder (CVP) haben wir zum Coiffeur begleitet, wo sie mit anpackte.
Binder will im Rahmen von «Ich chome verbii» auch in einem Restaurant servieren und in einem Kafi. Sie war schon in der Pflegi Muri, in einer Apotheke oder bei der Spitex. Es folgen Besuche in karitativen Institutionen, in einer Bauunternehmung, in einer Spitalküche, auf einem Bauernhof, in einer Bäckerei und in weiteren Betrieben. «Das mache ich aber nicht einfach, weil Wahlen sind», nimmt Binder eine Frage vorweg: «Ich finde, ich bin als Politikerin verpflichtet, mich zu informieren und interessieren. So werden wir von Unternehmen, Verbänden, Vereinen und verschiedenen Organisationen sehr oft an Versammlungen eingeladen. Wenn es mir möglich ist, gehe ich auch.»
Im Gespräch mit den Teilnehmenden erfahre sie mehr als bei anderen Gelegenheiten, was bewegt, sagt sie. Ob beim Gewerbeverband, dem Baumeisterverband, dem Schreinermeisterverband, der Astag, ob bei einer Spitex, bei Spielgruppen, gemeinnützigen Organisationen, bei den Landfrauen, dem Frauenbund, bei Kulturinstitutionen oder wie kürzlich bei einem organisierten Austausch mit Migrantinnen und Migranten.»
Was verspricht sie sich von diesen Aktionen im jeweils kleinen Kreis? «Wer wissen will, was Menschen bewegt, kann nicht einfach aus dem Fenster gucken, er muss bei ihnen vorbeigehen», sagt Marianne Binder. Sie wolle erfahren, wie in den Betrieben und Organisationen gearbeitet und gelebt wird. Sie interessiere, welche Anliegen diese an die Politik haben und mit welchen Aufträgen sie sie nach Bern schicken würden. «So hole ich politische Inspiration.»
Für Binder ist klar, dass nicht nur einfach in Wahljahren Wahlkampf ist. «Wer meint, er könne sich nach der Wahl vier Jahre ausruhen, nimmt die Wählerinnen und Wähler nicht ernst», sagt sie. Als Parteipräsidentin will sie mit ihrer Kantonalpartei nach den Wahlen vom Herbst in Bern wieder mit zwei Nationalräten und im Idealfall mit der ersten CVP-Ständerätin vertreten sein. Sie geht dabei auch unkonventionelle Wege. So tritt die CVP im Herbst mit einer Haupt- und acht Unterlisten mit insgesamt mehr als 120 Kandidierenden an. Die Aargauer CVP hatte 1979 vier Nationalräte und einen Ständerat. Binder findet, dass die Schwächung der staatstragenden Mitte das politische Erfolgsmodell verändert habe: «Blockadepolitik passt nicht zu uns. Das aufzubrechen, ist meine Motivation. Wir wollen Lösungen. Dafür steht die CVP.»
Für dieses Ziel ist Binder derzeit viel unterwegs. Doch erst muss sie ihren Job beim Coiffeur in Baden erledigen. Sagts, packt einen Besen und wischt im Coiffeursalon die inzwischen reichlich angefallenen Haare auf dem Boden weg.