Stefan Dietrich und Cédric Wermuth waren für eine Hilfsaktion des Vereins «Help now» in Uschgorod. Die Stadt ganz im Westen der Ukraine ist zwar weit weg von den Kriegsgebieten, trotzdem gibt es Luftalarm und Schutzräume für Schulklassen.
Der Verein «Help now» entstand im Herbst 2015 als Reaktion auf den Krieg in Syrien als lokale Initiative im Aargau. Seit 2017 ist die Organisation um Stefan Dietrich aus Bremgarten, den Co-Präsidenten der SP Aargau, unter dem Dach von Netzwerk Asyl Aargau aktiv. Der Schwerpunkt der Hilfseinsätze für Flüchtlinge lag bislang auf der sogenannten Balkanroute, in Bosnien-Herzegowina ist «Help now» weiter aktiv.
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges wurden damals dringend benötigte Hilfsgüter für Geflüchtete aus der Ukraine gesammelt und in privaten Konvois nach Ungarn an die ukrainische Grenze gefahren. In Zusammenarbeit mit Vertreterinnen des Rotary Clubs im Osten Ungarns, namentlich mit Anna Tommer aus Lengnau, die in Ungarn lebt, wurden Hilfsgüter gesammelt, koordiniert und weiter ins ukrainische Uschgorod transportiert.
Vom 1. bis 4. Oktober hielt sich Dietrich zusammen mit Cédric Wermuth, Co-Präsident der SP Schweiz, in Uschgorod auf. «Diese Reise sollte der Vorbereitung einer Hilfsaktion im kommenden Winter dienen, zudem haben wir auch erste Hilfsgüter für Schulen direkt übergeben», sagt Dietrich. Die beiden konnten sich dank vorhandener Kontakte über die aktuelle Lage und die Bedürfnisse vor Ort informieren sich ein unmittelbares Bild von der Situation in Uschgorod machen.
Beide waren vor zwanzig Jahren zum letzten Mal in der Region. Wermuth war Austauschschüler in der Ukraine, Dietrich besuchte als Student der Universität Wien die Westukraine. «In enger Zusammenarbeit mit einer lokalen Hilfsorganisation konnte in verschiedenen Schulen in der Stadt und Region geholfen werden», sagt Dietrich. Die beiden Schweizer wurden vom Hauptverantwortlichen für humanitäre und soziale Fragen in der Region Transkarpatien empfangen, die Verwaltung organisierte Kontakt, Besuch und Austausch mit mehreren Schulen. Dort übergaben Dietrich und Wermuth insgesamt 35 Tablets, die aus Spendengeldern gekauft worden waren.
Uschgorod ist das administrative Zentrum der Region und hatte vor dem Krieg mehr als 100'000 Einwohner, die Region hatte 1,2 Millionen Einwohner. Die Stadt liegt unmittelbar an der ungarischen und slowakischen Grenze ganz im Westen der Ukraine. Sie ist rund 800 Kilometer von der ukrainischen Hauptstadt Kiew und ähnlich weit von der umkämpften Regionen im Süden des Landes entfernt.
In der gesamten Region Transkarpatien befinden sich zurzeit mehr als 350'000 Binnenflüchtlinge, die vor allem aus den Kriegsgebieten im Osten oder Süden des Landes stammen. Mehr als 100'000 dieser Flüchtlinge sind Kinder und Jugendliche.
«Die Lage vor Ort wirkt surreal», sagt Dietrich. Man reise mit dem Wissen und im Bewusstsein an, «dass im Land ein brutaler Krieg geführt wird, Millionen Menschen flüchten mussten, Tausende ums Leben kamen.» Uschgorod selber sei aber sicher. «Die Menschen leben ihren Alltag, der auch vor dem Krieg wirtschaftlich betrachtet nicht einfach war. Junge Menschen sitzen in Cafés und Restaurants, viele spazieren durch die Parkanlagen und die innerstädtischen Fussgängerzonen.
Es wirke alles wie grossstädtische Normalität, berichtet Dietrich. Dennoch sei der Krieg allgegenwärtig. «Öffentliche Gebäude, Verwaltungsgebäude und auch Schulen, werden durch Sandsäcke gesichert, im Stadtbild trifft man immer wieder auf Soldaten und militärische Stellungen.» Doch auch in Uschgorod gebe es immer wieder Luftalarm, wenn Beschuss durch russische Raketen oder Marschflugkörper drohe. «Während unseres Aufenthaltes gab es an einem Morgen einen Luftalarm», sagt Stefan Dietrich.
Ihm sei bewusst, dass diese Grenzregion nicht mit den Gebieten im Osten gleichzusetzen ist, die direkt durch den Krieg betroffen sind. «Dennoch stehen die Stadt und die Region vor grossen Herausforderungen.» Täglich kämen weitere Geflüchtete und Rückkehrer aus Westeuropa an. «Die Solidarität und der Zusammenhalt in der Gesellschaft sind stark und bewundernswert. Die Verwaltung gibt ihr Bestes, um alle Menschen unterzubringen und die Versorgung zu gewährleisten», berichtet der Bremgarter Lehrer.
Der Schulunterricht in Uschgorod findet trotz des Krieges statt, allerdings unter speziellen Bedingungen. 10 bis 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler sind aus anderen Gebieten der Ukraine geflohen und müssen zusätzlich integriert werden. Da es deutlich mehr Kinder als Schulraum gibt, haben die einen vormittags, die anderen nachmittags Unterricht. «Gleichzeitig gibt es Homeschooling auf Tablets oder am Handy», berichtet Stefan Dietrich.
In den Schulen können nur so viele Kinder unterrichtet werden, wie in den Luftschutzräumen Platz hätten. «Wir konnten einige Räume besuchen, sie wurden in den letzten Monaten zum Teil renoviert», sagt er. Sobald es kälter wird, findet der Unterricht zuhause statt, da die Schulen in der Region nicht beheizt werden können.