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Auch die Opferhilfe Aargau Solothurn stellt sich in Zeiten der Coronakrise auf mehr Gewaltopfer ein. Was der Stellenleiterin jedoch Sorgen bereitet: Die Kinder, die Opfer von Gewalt werden und sich nicht selbstständig Hilfe holen können - und die während des Lockdowns von niemandem sonst gehört werden.
Noch sei es relativ ruhig, berichtet Susanne Nielen Gangwisch. Sie leitet die Beratungsstelle Opferhilfe Aargau Solothurn, die Personen, welche Gewalt erfahren haben, psychische, medizinische und juristische Unterstützung bietet – kostenlos und anonym. Die Stelle wird von den beiden Kantonen Solothurn und Aargau geführt. Auch Nielen Gangwisch geht davon aus, dass die Stelle aufgrund der aktuellen Situation bald vermehrt gebraucht wird. Wobei: «Ob die Fälle dann wirklich zunehmen, wissen wir nicht genau», erklärt die Leiterin der Opferhilfe. Denn auch für die Beratungsstelle gilt: «Solch eine Situation hatten wir schlicht noch nie.»
Die aktuelle Lage schlägt aufs Gemüt. Wer Sorgen oder Fragen hat, kann sich bei der Dargebotenen Hand – dem Sorgentelefon 143 melden. Dort laufen die Drähte derzeit heiss, auch in der Sektion Aargau Solothurn. So haben die Anrufe im Vergleich zur Vorjahresperiode um rund 20 Prozent zugenommen, ist von der Stellenleiterin Christina Hegi zu erfahren. Vor allem zu den Themen Gesundheit, Einsamkeit, Familie und Erziehung sowie Paarbeziehungen. Im Bereich Existenzängste hätten sich die Anfragen gar verdoppelt.
Kapazitäten der Freiwilligen, die Einsätze für die Hotline leisten, sollen deshalb aufgestockt werden. Zur aktuellen Lage seien die Freiwilligen zudem mit Fakten des Bundesamts für Gesundheit gebrieft worden, Links und offizielle Informationen halte man stets griffbereit. Ansonsten rate man: Struktur behalten im Alltag – aufstehen und ins Bett gehen, wie sonst auch, essen, trinken, Kontakte behalten – wenn auch digital. Das sind laut Hegi die Basics für Krisenbewältigungen, welche die Freiwilligen ja schon vor der Coronakrise vermittelt haben.
Was der Stellenleiterin derzeit Sorgen bereitet: Betroffene im Erwachsenen- oder auch Teenageralter können sich bei der Opferhilfe melden, Hilfe holen. Kinder nicht. «Wie wir an betroffene Kinder gelangen sollen, weiss ich schlicht noch nicht.» Denn: Die Schulen sind zu, viele Betreuungsstätten auch. Es gibt also kaum noch Aussenstehende, welche Kinder sehen – und Verdachtsfälle melden könnten. So besteht nicht nur die Gefahr, dass in Zeiten der Krise mehr Gewalt ausgeübt wird, sondern auch, dass – gerade in Fällen von Kindern – diese niemand mitkriegt und melden kann.
Zuversichtlich stimmt in diesen Zeiten laut der Stellenleiterin dafür ein Beschluss, den kürzlich die beiden Kantone Aargau und Solothurn getroffen haben: Im Falle einer Bedrohung können Betroffene neu für 35 Tage lang statt wie bis anhin 21 in einer Notunterkunft untergebracht werden. Das kann etwa das Frauenhaus Aargau Solothurn oder eine Ferienwohnung sein. Zwar dürfte auch das Frauenhaus in diesen Zeiten stärker ausgelastet sein. Doch: «Diese Situation kommt ab und zu vor», so Nielen Gangwisch. Man habe deshalb alternative Unterbringungsmöglichkeiten. Das Coronavirus habe den Alltag einfach verschärft.
Darauf sei man aber vorbereitet – auch auf der Beratungsstelle. So stehe man mit den beiden Kantonen in Kontakt, kläre ab, ob man Stellen aufstocken könnte. Wobei es laut der Leiterin schwierig sein dürfte, auf die Schnelle neue, gut qualifizierte Mitarbeitende zu finden. Eine Strategie wäre aber, die Pensen der derzeitig Angestellten – welche alle Teilzeit arbeiten – zu erhöhen. Zudem finden seit über einer Woche keine Beratungsgespräche vor Ort mehr statt. Zwar ist während der Öffnungszeiten stets eine angestellte Person bei der Beratungsstelle; für alle Fälle. Grossmehrheitlich werden Beratungen aber telefonisch oder auch per Videochat abgehalten.
Kontakt Opferhilfe Aargau Solothurn: 062 835 47 90