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Renate Senn, die Pflichtverteidigerin des Vierfachmörders Thomas N., erhält scharfe Kollegenschelte. Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth, der selber schon Kapitalverbrecher verteidigte, kritisiert, sie distanziere sich von ihrem Mandanten. Das gehe nicht.
Die Badener Rechtsanwältin Renate Senn ging letztes Wochenende von sich aus an die Öffentlichkeit und wollte ein paar Dinge von Anfang an klarstellen zu ihrer Aufgabe als Pflichtverteidigerin von Vierfachmörder Thomas N. Zum einen habe der Mann das Anrecht auf einen korrekt durchgeführten Strafprozess. «Im Glauben an diesen Rechtsstaat hab ich diesen Grundsatz als Pflichtverteidigerin für den geständigen Tatverdächtigen zu wahren.»
Gleichzeitig betonte Senn, die Tat erschüttere sie und mache auch sie «zutiefst betroffen». Sie werde ihre Arbeit «mit allem Respekt und mit Würde gegenüber den Opfern und den Hinterbliebenen wahrnehmen, denen unfassbares Leid angetan wurde. Aus diesem Grund kann und werde ich den Tatverdächtigen mit dessen Einverständnis im Moment weder in der Öffentlichkeit verteidigen noch als dessen Sprachrohr dienen.»
Diese Stellungnahme löst in Anwaltskreisen Diskussionen aus. Zuerst übte Rechtsanwalt Urs Oswald aus Bad Zurzach (er verteidigte Dreifachmörder Alfredo Lardelli) leise Kritik. Ihn hat irritiert, dass Renate Senn als Verteidigerin sich in ihrer Erklärung zuerst einmal von ihrem Mandanten und dessen Tat distanziert.
Schwereres Geschütz fährt nun der Zürcher Strafanwalt Thomas Fingerhuth auf. In einem Interview mit der «SonntagsZeitung» greift er die Verteidigerin von Thomas N. direkt an. «Sie distanziert sich in ihrer Mitteilung von ihrem Mandanten. Das geht nicht», sagt Fingerhuth, der selber Schwerverbrecher verteidigte. Zu seinen Klienten gehörte etwa Bianca B. aus Horgen ZH, die ihre drei Kinder tötete, oder der Kosovare, der in Pfäffikon ZH seine Frau und die Sozialvorsteherin umbrachte.
Fingerhuth stösst in erster Linie auf, dass Kollegin Senn betont, sie wolle nicht als Sprachrohr von Thomas N. dienen. «Wer soll diese Aufgabe denn sonst übernehmen? Wer, wenn nicht sein Verteidiger ist das Sprachrohr eines Täters?» fragt Fingerhuth in der «SonntagsZeitung». Es sei der Job eines Anwalts, «streng und ganz einseitig» die Interessen seines Mandanten zu vertreten, «so bestialisch seine Taten auch sein mögen». Wenn man sich für ein solches Mandat entscheide, müsse man das mit aller Konsequenz tun, mahnt Fingerhuth.
Der Freiämter Rechtsanwalt Matthias Fricker nimmt die Pflichtverteidigerin von Thomas N. in Schutz: «Ich habe es nicht so verstanden, dass Kollegin Senn ihren Klienten nicht korrekt verteidigt. Vielmehr möchte sie gegenüber den Medien wohl nicht ständig Wasserstandsmeldungen abgeben.» Als Pflichtverteidiger des Mörders von Au-pair-Mädchen Lucie Trezzini kennt Fricker die Situation. «Bei einem solch schrecklichen Verbrechen, welches medial extrem aufgeladen ist, würde ich auch defensiv kommunizieren. Dies nützt dem Klienten in der Regel am meisten», sagt Fricker auf Anfrage.
Renate Senn selber war für eine Stellungnahme zu Fingerhuths Vorwürfen gestern nicht erreichbar.
Senns Klient Thomas N. ging den Fahndern nach monatelanger Recherche ins Netz. Zum Fahndungserfolg zog Sicherheitsdirektor Urs Hofmann (SP) im Interview mit der «Schweiz am Sonntag» Bilanz. Hofmann plädiert dafür, dass die DNA-Spuren von Verdächtigen künftig von den Ermittlern entschlüsselt werden dürfen. Heute ist das nicht erlaubt, darum durften die DNA-Spuren im Haus in Rupperswil nicht näher untersucht werden. «Bei schweren Verbrechen sehe ich nicht, wo die Rechte unbescholtener Bürger eingeschränkt würden», sagt Hofmann und verteidigt die 100 000-Franken-Prämie an die Polizei.
«Die 100 000 Franken Belohnung für einen wichtigen Hinweis aus der Bevölkerung konnten eingespart werden, weil es diesen Hinweis nicht gab. Wir entschieden darum im Regierungsrat, einen Betrag in maximal dieser Höhe für Prämien an die Beteiligten zur Verfügung zu stellen. In welcher Form diese ausgerichtet werden, ist offen. Wir finden es angemessen, dass es nicht nur beim Schulterklopfen bleibt.»