Grosser Rat
Grüne wollen Spardebatte aufmischen: Wohin die freien 145 Millionen fliessen sollen

Der Grossteil der 145 Millionen Franken vom Kraftwerk Klingnau sollen nicht ins Aargauer Budget fliessen, sondern investiert werden. Das fordern die Grünen in der Budgetdebatte, die am Dienstag weitergeht.

Mathias Küng
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Vor einer Woche übergaben mehrere Gruppierungen Ratspräsident Benjamin Giezendanner 1200 Unterschriften für den Erhalt der Fachstelle Gleichstellung.

Vor einer Woche übergaben mehrere Gruppierungen Ratspräsident Benjamin Giezendanner 1200 Unterschriften für den Erhalt der Fachstelle Gleichstellung.

Am Dienstag startet der Grosse Rat in den zweiten Behandlungsmarathon über das Budget 2018. Frankenmässig der zentrale «Brocken» sind die einmalig anfallenden 145 Millionen Franken aus der Konzessionsverlängerung für das Wasserkraftwerk Klingnau. Die Regierung will dieses Geld für das Budget statt zur Schuldentilgung verwenden. Was davon übrig bleibt, soll in die Ausgleichsreserve wandern, um kommende Budgets – in denen weitere Defizite drohen – zu entlasten.

Dabei wollen die Grünen nicht mitmachen. Die AZ weiss, dass sie am Dienstag einen ganzen Strauss von Vorschlägen unterbreiten werden, um zwei Drittel des Klingnauer Geldes – konkret 96 Millionen Franken – anderweitig einzusetzen.

Warum und wofür? Der neue Fraktionschef der Grünen, Robert Obrist verweist darauf, «dass in den letzten Jahren die explodierenden Kosten im Gesundheitswesen durch Abbaumassnahmen in Bildung, Kultur, Umwelt und Sicherheit kompensiert wurden, um zu einem ausgeglichenen Budget zu gelangen». Wie die Nachtragskredite zeigten, mit mässigem Erfolg, fügt er kritisch an.

Verfolgen Sie die Budgetdebatte ab 10 Uhr bei uns im Liveticker.

Er erwartet, dass nebst den 145 Millionen Franken für das Kraftwerk «von der Schweizerischen Nationalbank mit grosser Wahrscheinlichkeit 2018 eine Zusatzausschüttung von 52 Millionen Franken eingehen wird». Die dadurch entstehenden Handlungsmöglichkeiten wolle man nutzen, «um das Rating des Aargaus nicht nur im Bereich der Ökonomie, sondern auch in den Bereichen Umwelt und Gesellschaft zu stärken». Für den Fall, dass doch keine SNB-Zusatzausschüttung erfolgen sollte, verweisen die Grünen auf eine Kasse, an der der Grosse Rat schon letztes Jahr «geschnuppert» hat: Diese enthält derzeit 83,8 Millionen Franken. Sie wurden von der Aargauischen Kantonalbank (AKB) als Abgeltung für die Staatsgarantie einbezahlt.

Klingnauer Millionen «dritteln»

Jetzt sollen also – wenn es nach den Grünen geht – je ein Drittel der 145 «Klingnauer» Millionen für den Staatshaushalt, die Umwelt und die Gesellschaft investiert werden. Mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln liessen sich nämlich weder die Ziele der kantonalen Energiestrategie, noch diejenigen im Umweltbereich erreichen, argumentiert Grossrätin Gertrud Häseli. Ein Drittel der 145 Millionen Franken soll deshalb, «verteilt auf die nächsten vier Jahre, zu jeweils gleichen Teilen in die entsprechenden Programme Natur 2020 und zur Steigerung der Energieeffizienz bei Gebäuden investiert werden». Damit könnten zusätzliche Bundesmittel in anderthalbfacher Höhe dieses Betrags ausgelöst werden. Häseli: «Davon profitieren viele KMU ebenso wie die Natur, insbesondere im Siedlungsgebiet.»

Einen Drittel für die Gesellschaft

Die Gemeinden im Aargau sind gesetzlich verpflichtet, den Zugang zu einem bedarfsgerechten Angebot an familien-ergänzender Kinderbetreuung sicherzustellen. Im Bereich Kultur wurde im Rahmen der Sparprogramme massiv abgebaut, so die Grünen weiter. Ein weiterer Drittel der 145 Millionen soll deshalb zu gleichen Teilen in den Bereich Gesellschaft und zur Erhöhung des Globalbudgets des Aufgabenbereichs Kultur investiert werden. Damit könne der Aargau seinem Ruf als Kulturkanton gerecht werden und die Standortattraktivität seiner Gemeinden fördern, so die Hoffnung.

Ist das realistisch?

Aber glauben die Grünen angesichts der eklatanten Geldnöte des Kantons an eine reelle Chance ihrer Vorschläge? Man habe diese beispielsweise der EVP-BDP- und GLP-Fraktion vorgestellt, und sie allen Grossrätinnen und Grossräten zukommen lassen, sagt Häseli: «Bei GLP und EVP klang es aber so, als wollten sie dem Regierungsvorschlag folgen. Ob es so bleibt, werden wir heute sehen.» Grosse Hoffnung hat sie, dass die von der Regierung beantragte Kürzung für die Fachstelle Gleichstellung gerade auch dank Frauenstimmen im Rat durchfällt. Die Grünen wären damit allein aber nicht zufrieden. Die Bereiche Familie, Gleichstellung und Alter sollen ebenfalls dank dem Klingnauer Geld ihr Budget für die nächsten vier Jahre um je 2 Millionen Franken aufstocken können. Häseli: «Die Budgets wurden 150 Jahre lang von Männern aufgestellt. Das so resultierende Ungleichgewicht ist immer noch sichtbar. Wir müssen jetzt handeln.»

Wie hoch genau sind die Löhne?

Immer wieder beklage sich die Regierung, sie finde keine fähigen Leute mehr, weil die Löhne nicht konkurrenzfähig seien, hält Grossrat Daniel Aebi (SVP) in einem Vorstoss fest, den er am Dienstag einreicht. Umgekehrt stelle man in der Wirtschaft fest, «dass Angestellte zur Verwaltung wechseln, da die öffentliche Hand viel höhere Löhne bezahlt». Um den Sachverhalt zu klären, stellt er dem Regierungsrat in einer Interpellation zahlreiche Fragen.

So will Grossrat Aebi wissen, wie hoch der durchschnittliche Jahreslohn bei folgenden Organisationseinheiten beziehungsweise Bereichen ist: Verwaltung, Lehrpersonen im Budget des Kantons, Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, Justiz, Kantonsspital Aarau AG KSA, Kantonsspital Baden AG KSB, Psychia-trische Dienste Aargau AG PDAG, Aargauische Kantonalbank AKB, Sozialversicherungsanstalt SVA, Aargauische Gebäudeversicherung AGV, Kantonspolizei Aargau, Hightech Zentrum Aargau AG, AEW AG, Axpo – und schliesslich auch beim Grossen Rat selber.

Damit aber nicht genug. Aebi will noch mehr wissen, nämlich wie sich die Entwicklung dieser Löhne in den Jahren 2008 bis 2017 pro Einheit bzw. Bereich darstellt. (MKU)