Unterbringungskonzept
Grossunterkünfte: Kanton sucht Platz für 3000 Asylsuchende

Ab Frühjahr 2016 geht das Projekt für kantonale Grossunterkünfte in die heisse Phase. Der Kanton will seine rund 70 Unterkünfte auf maximal 20 reduzieren – und damit die Überfüllung der aktuellen Unterkünfte beenden.

Urs Moser
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Asylbewerber in Zelten. Mit Platz für knapp 3000 Asylsuchende in kantonalen Grossunterkünften soll es künftig ohne solche Notlösungen gehen.

Asylbewerber in Zelten. Mit Platz für knapp 3000 Asylsuchende in kantonalen Grossunterkünften soll es künftig ohne solche Notlösungen gehen.

Mario Heller

Draussen zogen 3500 Leute durch die Stadt, um den «Aufstand der Anständigen» zu proben und gegen Fremdenfeindlichkeit zu demonstrieren. Drinnen, im Aarauer Kultur- und Kongresshaus, liessen sich Gemeindevertreter und Grossräte darüber informieren, wie der Kanton Grossunterkünfte für 3000 Asylsuchende einrichten will, ohne dass es zu einem Volksaufstand in den Standortgemeinden kommt.

Auf den 1. Januar 2016 wird eine Änderung des Sozialhilfegesetzes in Kraft gesetzt. Die Gemeinden werden sich dann nicht mehr für ein Butterbrot von der Pflicht zur Aufnahme von Asylbewerbern freikaufen können, der Kanton präsentiert ihnen eine Vollkostenrechnung, wenn er für eine anderweitige Unterbringung sorgen muss.

Damit einher geht ein neues Unterbringungskonzept: Die Gemeinden sind nur noch für Flüchtlinge mit einem Aufenthaltsstatus (vorläufig Aufgenommene) zuständig, für die Unterbringung von Asylsuchenden im laufenden Verfahren sollen kantonale Grossunterkünfte eingerichtet werden.

Begriffe wie «Kickoffs», «Workshops in Teilprojekten» oder «Begleitgruppensitzungen» lassen es erahnen: Dafür, dass der Zeitplan zur Umsetzung des Konzepts durchaus ambitioniert ist (nächsten Frühjahr soll es in die heisse Phase der Standortsuche gehen, 2018 die erste Grossunterkunft eröffnet werden), gab es in Aarau noch nicht allzu viel wirklich Konkretes zu berichten.

Regierungsrätin Susanne Hochuli startete mit einem kurzen Überblick über die aktuelle Situation: Die heute 68 kantonalen Unterkünfte sind überbelegt. Sie bieten eigentlich nur Platz für 1925 Personen, effektiv sind die Unterkünfte aber mit 2183 Personen belegt.

Die Lage bleibt also angespannt, auch wenn es nicht zu dem zusätzlichen Ansturm kommen sollte, vor dem das Bundesamt für Migration die Kantone unlängst gewarnt hat. «Es kann nur eine Lösung geben, die der Kanton und die Gemeinden gemeinsam finden», erklärte Susanne Hochuli zum neuen Unterbringungskonzept.

3, 4 oder 5 «Asylregionen»?

Wo steht man nun also bei dessen Umsetzung? In der Vorprojektphase, die bis Ende Jahr abgeschlossen sein soll. Definiert ist der Bedarf: Der Kanton geht bei der Planung davon aus, dass in den kantonalen Grossunterkünften knapp 3000 Plätze zur Verfügung stehen müssen. In dieser Zahl ist allerdings eine «Schwankungsreserve» für Zeiten mit besonders hohen Asylzahlen enthalten, die durchschnittliche Belegung soll bei 80 Prozent liegen.

Für das Standortkonzept soll der Kanton in eine Art Asylregionen aufgeteilt werden. Die Grenzen dieser Regionen werden entlang der Zuständigkeiten der Regionalplanungsverbände verlaufen.

Es wird aber nicht 15 «Asylregionen» geben, die Gemeinden mehrer Regionalplanungsverbände sollen zu einer «Asylregion» zusammengefasst werden. Welche Replas sich zu wie vielen «Asylregionen» zusammenschliessen, ist noch nicht definiert, so weit will man bis Ende Jahr sein.

Dementsprechend gibt es auch noch keine Antwort auf die brennendste Frage: Wie viele Grossunterkünfte sollen wo entstehen? In welcher Region welche Kapazitäten für die Unterbringung von Asylsuchenden in kantonalen Grossunterkünften geschaffen werden müssen, wird nach dem im Sozialhilfegesetz vorgesehenen Verteilschlüssel errechnet: gemäss der Schweizer Wohnbevölkerung.

Es seien Umnutzungen bestehender Liegenschaften, Neubauten oder auch kleine Containersiedlungen denkbar, erklärte Andreas Flückiger an der Informationsveranstaltung in Aarau. Der Chef der Abteilung Militär und Bevölkerungsschutz leitet das Vorprojekt.

Bei Container-Lösungen dürfte die obere Grenze bei etwa 150 Plätzen liegen, bei Neubauten könnten es auch gegen 300 sein. Das heisst: Insgesamt wird es noch 10 bis 20 statt der heute 68 kantonalen Asylunterkünfte geben, wobei man sich eher an der tieferen Zahl orientiert.

Suche startet im Frühling

Mit dem starken Einbezug der Regionalplanungsverbände in das Standortkonzept orientiert man sich am Verfahren, das sich bei der Überarbeitung des Richtplans Siedlungsgebiet bewährt hat.

Renate Gautschy, Präsidentin der Gemeindeammännervereinigung, lobte das Vorgehen zwar ausdrücklich, hielt aber in Übereinstimmung mit Grossratspräsident Markus Dieth, Markus Dieth, dem Vorsitzenden der Konferenz der Repla-Präsidenten, präventiv fest:

Die Regionalplanungsverbände sind keine vierte Staatsebene. Wenn es dann am Schluss um die Festlegung der konkreten Standorte geht, sind die Entscheide zwischen dem Kanton und den jeweiligen Gemeinden zu fällen.

Über mögliche Standorte wird aber noch nicht gesprochen. Die konkrete Suche soll ab Frühjahr 2016 starten. 2018, so der Plan, sollte die erste Grossunterkunft in Betrieb genommen werden können.

Der Zeitplan sieht vor, dass die heute 68 kantonalen Unterkünfte mit zum Teil nur wenigen Plätzen bis zum Jahr 2026 durch Grossunterkünfte abgelöst sind. Bis dahin laufen das alte und das neue System parallel.

Das werde eine der grossen Herausforderungen sein, so Cornelia Breitschmid, Leiterin des kantonalen Sozialdienstes. Man werde in den kommenden Jahren noch weitere neue Unterkünfte der herkömmlichen Art brauchen.

Zur Standortwahl sagte sie so viel: In erster Priorität suche man nach zonenkonformen Standorten innerhalb bestehender Bauzonen. Erst wenn das erfolglos ist, würde über einen kantonalen Nutzungsplan Land innerhalb bestehender Bauzonen für die Nutzung als Asylunterkunft ausgeschieden.

Im Vordergrund stünden Parzellen, die bereits im Besitz des Kantons sind.