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Kurt Schmid, Präsident des Aargauischen Gewerbeverbandes, fordert, dass Grenzgänger weniger Lohn erhalten sollen, weil sie von der Frankenstärke profitieren. Gewerkschafter Kurt Emmenegger reagiert empört auf diese Idee.
Schon einen Tag nachdem die Nationalbank das Ende des Euro-Mindestkurses verkündet hatte, nannte Kurt Schmid ein Rezept, um die negativen Folgen für die Wirtschaft abzufedern. «Wir müssen über abgestufte Löhne zwischen im Inland und im Ausland wohnenden Mitarbeitenden in unseren Firmen reden», sagte der Präsident des Aargauischen Gewerbeverbandes in der az von gestern Freitag.
Auf eine Nachfrage hin präzisiert Schmid: «Es ist klar, dass dies bei langjährigen Mitarbeitern aus dem Ausland kaum umzusetzen sein dürfte – bei Neueinstellungen muss es aber möglich sein, bei Grenzgängern mit einem tieferen Lohnniveau zu beginnen als bei Schweizern.»
Dass die ausländischen Mitarbeiter weniger Lohn erhalten sollen, hält der Gewerbepräsident für absolut angemessen. «Tatsache ist, dass Grenzgänger im Moment überdurchschnittlich vom starken Franken profitieren: Die Lebenshaltungskosten sind in Deutschland tiefer als in der Schweiz, und mit dem Euro-Zerfall ist ihr Franken-Lohn nochmals mehr wert», sagt Schmid.
Für ihn ist klar: «Wenn die Gewinnmarge bei einem Unternehmen wegen der Frankenstärke massiv einbricht, sind für das Überleben unserer Firmen kreative Lösungen notwendig.» Schmid kennt keine konkreten Beispiele von Firmen, die Grenzgängern weniger Lohn zahlen als Schweizern. «Ich bin aber überzeugt, dass dies bei Neueintritten in einigen Unternehmen auch heute schon praktiziert und von den ausländischen Mitarbeitern auch akzeptiert wird.»
Kurt Emmenegger, SP-Grossrat und Präsident des Aargauischen Gewerkschaftsbundes, reagiert empört auf Schmids Idee. «Der Vorschlag, künftig Grenzgängern tiefere Löhne zu bezahlen als Schweizern, ist für uns absolut inakzeptabel.»
Der Grundsatz, dass in der Schweiz konsequent Schweizer Löhne bezahlt werden, dürfe nicht angetastet werden, betont Emmenegger. «Wenn in einer Kategorie, wie jetzt bei den Grenzgängern angedacht, die Löhne gesenkt werden, greift dieser Trend bald auch auf andere Bereiche über, und es droht ein flächendeckendes Lohndumping.» Zudem könnten Firmen in Versuchung geraten, die «teuren» Schweizer durch «günstige» Grenzgänger zu ersetzen, befürchtet der Gewerkschafter.
Kurt Schmid widerspricht: «Ich habe keine Angst, dass dies passieren könnte. In erster Linie zählen bei Einstellungen immer noch die Qualifikation und die Leistung.» Schmid glaubt auch nicht, dass tiefere Löhne für Grenzgänger die Gefahr eines allgemeinen Lohndumpings erhöhen.
«Tatsache ist allerdings, dass die Löhne insgesamt unter Druck geraten könnten, wenn der Franken derart stark bleibt», räumt er ein. Wenn die Detaillisten in Grenznähe, die auf Exporte in den Euro-Raum ausgerichteten Firmen, ihre einheimischen Zulieferer sowie die Gastro- und Tourismusbranche in Schwierigkeiten geraten, könnte es laut dem Gewerbeverbands-Präsidenten und CVP-Politiker zu einem Stellenabbau kommen. Kurt Schmid prognostiziert: «Damit würde es automatisch mehr Leute auf dem Arbeitsmarkt geben.»
Schwarz sieht auch Gewerkschafter Kurt Emmenegger: «Die Aufhebung der Euro-Untergrenze wird Tausende von Arbeitsplätzen in Industrie und Tourismus gefährden.» Dennoch bleiben tiefere Löhne für Grenzgänger für ihn tabu: «Sollte ein solcher Fall publik werden, würden wir diese Praxis mit allen Mitteln bekämpfen.»
Vor gut zwei Jahren habe ein Gericht im Kanton Baselland festgestellt, dass Schmids Idee illegal sei, führt Emmenegger aus. «Deshalb würden wir gegen eine Firma, die sie im Aargau umsetzt, sicher auch gerichtlich vorgehen.»
Tatsächlich entschied das Kantonsgericht Baselland im Dezember 2012, es sei unzulässig, wenn eine Firma Grenzgängern den Lohn kürze. Dies verstosse gegen das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU. Dieses hält fest, dass ausländische Arbeitskräfte nicht diskriminiert werden dürfen.
Auch das Bundesgericht bestätigte diesen Entscheid – allerdings nur bei sechs Angestellten, die sich gegen die Änderungskündigung mit tieferem Lohn gewehrt hatten. «Mit weiteren 114 von insgesamt 120 Mitarbeitern hat sich die Firma auf eine Lohnreduktion verständigt, die auch umgesetzt wurde», sagt Firmenanwalt Ulf Walz.