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Kanton Aargau
Der Gesundheitsdirekor geht in den Wahlkampf. SVP-Regierungsrat Jean-Pierre Gallati über Maskenstreit im Bus, die Mohrenkopf-Plakate seiner Partei und die Zukunft der Regionalspitäler.
Auf Ihrer Website posieren Sie vor der Altstadt von Bremgarten – ist Wohlen, wo Sie wohnen, als Sujet nicht attraktiv genug?
Jean-Pierre Gallati: Nein, das ist nicht der Grund dafür. Wir haben gewisse Elemente aus dem letztjährigen Wahlkampf übernommen, deshalb auch das Titelbild vor der Reussfront von Bremgarten. Wobei die Altstadt von Bremgarten wohl tatsächlich schöner ist als das Zentrum von Wohlen.
Vor einem Jahr wünschten Sie der Aargauer Bevölkerung auf Ihren Plakaten einfach «Gsondheit». Warum steht kein Slogan neben Ihrem Porträt, sondern nur «wieder in den Regierungsrat»?
Im aktuellen Wahlkampf treten Alex Hürzeler und ich mit gemeinsamen Plakaten auf. Für den Bildungsdirektor hätte «Gsondheit» nicht gepasst, also kam dieser Slogan nicht in Frage. Zudem hätte ich ohnehin nicht zweimal den gleichen Wahlspruch verwendet.
«Verantwortung, heute und morgen» ist der Slogan von SP-Kandidat Dieter Egli, «nachhaltig für Mensch und Umwelt» ist der Wahlspruch von Grünen-Kandidatin Christiane Guyer. Brauchen Sie als Bisheriger keinen Slogan?
Ich glaube, dass man auch ohne Slogan wiedergewählt werden kann. Wenn die Bevölkerung einen neuen Regierungsrat wählt, ist immer eine gewisse Unsicherheit dabei, weil man nicht weiss, wie sich die Person im neuen Amt bewährt. Bei einem Bisherigen können die Wähler prüfen, wie er regiert, ob er sein Departement im Griff hat, ob er seine Vorlagen durchbringt.
Wie gross ist Ihr Budget für den Regierungsratswahlkampf?
Neben der Kampagne der SVP Aargau, die für Alex Hürzeler und mich zusammen 100'000 Franken ausgibt, beträgt mein persönliches Wahlkampfbudget 35'000 Franken.
Sie wurden im November 2019 in den Regierungsrat gewählt – ein neuer Amtsträger zieht normalerweise nach 100 Tagen eine erste Bilanz. Sie konnten das nicht: Weil Corona kam, war Krisenmanagement angesagt...
Ich hatte nie eine 100-Tage-Bilanz geplant, weil ich keine Schonfrist für mich beanspruchen wollte. Die damaligen Umstände liessen auch keine Schonfrist zu.
SP-Fraktionschef Dieter Egli hat Ihnen bei einem Podium die Note 4,25 für Ihr Krisenmanagement in der Coronazeit gegeben. Wie fällt Ihre eigene Bilanz heute aus?
Diese Note des SP-Fraktionschefs freut mich sehr. Es ist schwierig, sich selber zu bewerten, aber ich habe den Eindruck, dass das Meiste gelungen ist. Das Departement funktioniert, wir sind ein zuverlässiger Ansprechpartner für Leistungserbringer wie Spitäler und Ärzte, für den Regierungsrat, den Grossen Rat, die Fachkommissionen des Parlaments und die Bevölkerung.
Sie sagten im Frühling, der Bundesrat solle in der Coronakrise «durchbefehlen», die Kantone hätten zu folgen. Trotzdem versuchten Sie, den Spielraum auszunützen: Sie waren gegen tiefere Besucherzahlen bei Sportanlässen und Veranstaltungen, erlaubten dem Kantonsspital Baden noch eine Zeit lang Operationen – wie viel Rebell steckt in Jean-Pierre Gallati?
Absolut gar nichts, ich bin null Prozent Rebell. Ich war immer loyal gegenüber dem Bundesrat und habe dessen Entscheide nie kritisiert. Dass wir als Kanton den bestehenden Spielraum ausschöpfen, ist für mich selbstverständlich. In der ausserordentlichen Lage hat der Bund entschieden, jetzt in der besonderen Lage haben die Kantone wieder mehr Kompetenzen.
Was ist Ihnen lieber – die ausser- ordentliche Lage mit den strikten Anordnungen aus Bern oder die Situation jetzt?
Im Frühling waren wir als Kantonsregierung praktisch eine Vollzugsbehörde des Bundes. Jetzt können wir wieder selber Überlegungen anstellen und Lösungen suchen, das liegt mir eindeutig besser.
Eine dieser eigenständigen Entscheidungen ist, dass im Aargau in den Läden keine Maskenpflicht gilt, anders als zum Beispiel in Solothurn und anderen Nachbarkantonen des Aargaus. Wann tragen Sie selber eine Maske?
Täglich, zuerst im Ortsbus in Wohlen, mit dem ich zum Bahnhof fahre, dann auch im Zug nach Aarau. Und ich besuche oft Spitäler, bin in Heimen oder Asylunterkünften – dort trage ich natürlich eine Maske. Und in meiner Tasche sind immer 50 Schutzmasken, wenn ich unterwegs bin.
Am 18. Oktober sind Gesamterneuerungswahlen des Regierungsrates. Urs Hofmann (SP) tritt zurück. Die anderen Regierungsräte treten wieder an: Markus Dieth (CVP), Stephan Attiger (FDP), Alex Hürzeler (SVP) und Jean-Pierre Gallati (SVP). Neu kandidieren Christiane Guyer (Grüne) und Dieter Egli (SP). In einer Interviewserie bringt die AZ Ihnen die Kandidierenden näher. Heute: Alex Hürzeler (55). Er ist seit 2009 Vorsteher des Departementes Bildung, Kultur und Sport. Hürzeler ist verheiratet und wohnt mit seiner Frau in Oeschgen.
Warum das, inzwischen herrscht ja kein Mangel mehr an Masken, die sind überall erhältlich?
Um Streitereien zu schlichten. Kürzlich habe ich im Bus eine solche Szene erlebt. Da war ein Mann, der keine Maske trug. Mehrere ältere Leute bedrängten ihn und wurden sogar etwas aggressiv. Er sagte, er habe keine Maske und weigere sich auch grundsätzlich, eine zu tragen. Ich habe ihm dann eine Hygienemaske gegeben, und er hat sie tatsächlich angezogen. Als Bürger ohne politisches Amt müssten Sie eine solche Situation nicht weiter beachten, aber die Leute wissen ja, dass ich Gesundheitsdirektor bin und erwarten von mir eine angemessene Reaktion.
Weniger erfolgreich waren Sie am Podium mit Coronaskeptikern Mitte August in Aarau. Sie traten dort als Gesundheitsdirektor auf und ernteten nur Gelächter und Buhrufe, als Sie die Teilnehmer zum Abstandhalten aufriefen. Wie haben Sie die Situation erlebt, was löst das bei Ihnen aus??
In jungen Jahren war ich 15 Jahre lang Fussball-Schiedsrichter und bin es gewohnt, dass das Publikum pfeift und einen ausbuht. Damit kann ich gut umgehen. Wenn ich überzeugt bin, dass mein Auftritt sinnvoll und richtig war, dann reagiere ich nicht auf Pfeifen oder Buhen, auch innerlich nicht.
Danach folgte die Rücktrittsforderung der Juso, die Ihren Auftritt als verantwortungslos kritisierte. Sie kündigten an, die Jungsozialisten zum Gespräch zu treffen. Hat das inzwischen stattgefunden?
Nein, bisher nicht. Ich habe die Juso zu einem Gespräch eingeladen, aber leider keine Reaktion erhalten. Aber ich bin nach wie vor offen für eine Diskussion, die Einladung gilt weiterhin.
Zu reden geben auch die Mohrenkopf-Plakate der SVP Bezirk Bremgarten. Sie sind selber in Waltenschwil aufgewachsen, wo die Süssigkeit hergestellt wird. Ist der Mohrenkopf ein gutes Wahlsujet?
Nein, aus meiner Sicht nicht. Die ganz grosse Diskussion um den Mohrenkopf lief vor den Sommerferien, das Sujet scheint mir ziemlich abgedroschen. Die Plakate finde ich wenig originell, deshalb gefällt mir die Kampagne nicht besonders. Ich finde die Plakate nicht schlimm oder anstössig, ich glaube aber nicht, dass sie einen grossen Einfluss auf den Wahlerfolg haben werden.
Sie sind seit einem Jahr Gesundheitsdirektor. Baudirektor Stephan Attiger sagte am Dienstag im Interview in der AZ, er habe sich einen Wechsel ins Gesundheitsdepartement überlegt. Sie waren juristischer Adjunkt im Baudepartement und haben sich als Rechtsanwalt mit Baufragen befasst – hätten Sie gern eine Rochade gemacht?
Für mich ist ganz klar: Ich habe im Herbst 2019 für das Amt des Gesundheitsdirektors kandidiert, bin dafür gewählt worden und möchte das auch bleiben. Ich hätte mich dagegen gewehrt, damals ein anderes Departement zu übernehmen. Zudem war ich 25 Jahre lang Bauanwalt und möchte nach meinem Berufswechsel vor einem Jahr jetzt nicht wieder die gleichen Themen bearbeiten.
Sie haben als Grossrat kritische Vorstösse eingereicht, zur Aufsicht des Gesundheitsdepartements über fehlbare Ärzte, zu den Löhnen von Chefärzten und zu den Kosten für den Neubau des Kantonsspitals Aarau. Kürzlich mussten Sie selber einen Vorstoss ihres Parteikollegen René Bodmer zum Debakel um die MeinArzt-Praxen beantworten...
Das bringt mein Amt mit sich, aber ich möchte betonen, dass bei MeinArzt keine medizinischen Fehlleistungen vorliegen. Es scheint sich um unternehmerisches Versagen zu handeln, dafür ist mein Departement nicht zuständig. Wir wären auch nicht verantwortlich für Patientenakten – wie das Baudepartement nicht zuständig ist für Pläne, die ein Architekt verlegt, oder das Justizdepartement für Unterlagen, die ein Anwalt nicht mehr findet. Trotzdem haben das DGS wie auch einzelne Gemeinden mitgeholfen, dass die Patientenakten der MeinArzt-Praxen für Betroffene zugänglich werden.
Auf Ihrer Website schreiben Sie explizit, sie seien 1966 im Spital Muri geboren. Immer wieder wird diskutiert, ob Regionalspitäler geschlossen werden sollen. Ist das ein Thema, oder fürchten Sie eine Abwahl, wenn Sie das vorschlagen?
Auch ich finde Regionalspitäler sympathisch und möchte diese grundsätzlich erhalten. Aber über diese Frage entscheidet nicht in erster Linie die Kantonsregierung, sondern das Krankenversicherungsgesetz und die Politik des Bundesrats bei den Spitaltarifen. Künftig sollen jene 25 Prozent der Spitäler mit den tiefsten Fallkosten die Grundlage für den Tarif sein. Damit würden nicht nur Regionalspitäler in Schwierigkeiten geraten.
Sie haben vor einem Jahr im Wahlkampf eine Liste mit 17 Ideen für das Gesundheitsdepartement präsentiert, unter anderem eine bessere Aufsicht über die Ärzte oder mehr Einfluss der Regierung auf die Kantonsspitäler...
Persönlich stehe ich weiter zu diesen Punkten, daran hat sich nichts geändert. Einen grossen Teil davon werden wir im nächsten Jahr entscheiden, wenn wir die Gesundheitspolitische Gesamtplanung verabschieden. Klar ist aber: Es geht nicht nur um meine Meinung, ich muss mir jetzt auch überlegen, wie der Gesamtregierungsrat und der Grosse Rat dazu stehen.