Stalking-Opfer fühlen sich oft machtlos. Sie haben das Gefühl, der Stalker habe nichts getan, das strafrechtlich relevant sei – doch Opfer haben Möglichkeiten, sich zu wehren.
Vor dem Bezirksgericht Aarau wurde ein Fall von Stalking verhandelt. Doch Stalking ist kein Straftatbestand – doch das könnte sich ändern. Am 28. April verabschiedete die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates mit 22 zu 0 Stimmen einen Vorentwurf zu einer Vorlage, die Stalking im Strafgesetzbuch als separaten Tatbestand verankern soll.
Doch noch ist es nicht so weit: Im Zusammenhang mit Stalking werden momentan andere Tatbestände herangezogen, relevant können etwa Körperverletzung, Diebstahl, Ehrverletzung, Missbrauch einer Fernmeldeanlage (lästige oder beunruhigende Telefonate), Nötigung, Drohung oder Hausfriedensbruch werden.
Stalker belästigen ihre Opfer, indem sie zum Beispiel viele E-Mails, SMS oder Briefe schicken, häufig und zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen, ihre Opfer beobachten und ihnen auflauern sowie den Tagesablauf auskundschaften. Auch das Ausfragen von Drittpersonen, das Stehlen und Lesen der Post des Opfers oder Falschbeschuldigungen, beispielsweise bei der Polizei oder beim Arbeitgeber, sind häufige Verhaltensmuster.
Auch wenn eine einzelne Handlung, etwa ein Anruf, für sich allein genommen nicht strafbar ist, kann ein Gericht unter Würdigung der Gesamtumstände einen Stalker wegen Nötigung verurteilen, wenn er sein Opfer durch wiederholte Anrufe belästigt.
Stalking-Verhalten wird zu Beginn des Prozesses eher als unangenehmes Eindringen in die Privatsphäre denn als gefährliche Drohung wahrgenommen. Doch die Handlungen der Stalkerin oder des Stalkers können sich zu physischer und sexueller Gewalt ändern. Es sei bekannt, dass viele Stalkerinnen und Stalker von ihrem Tun ablassen, wenn Behörden reagieren, heisst es auf der Seite der Schweizerischen Kriminalprävention.
Einen Stalker oder eine Stalkerin aus Angst vor negativen Reaktionen nicht zu melden, ist also nicht angezeigt. «Je früher ihnen von offizieller Seite deutlich Grenzen gesetzt werden, desto wahrscheinlicher stoppen die Stalking-Handlungen, und es kommt nicht zu verheerenden Folgen für die Betroffenen», schreiben die Experten der Kriminalprävention.
Die Polizei bringt in einem ersten Schritt die Gesamtumstände in Erfahrung und nimmt bei eindeutig strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen eine Anzeige auf. Je nach Risikoanalyse kann die Kantonspolizei Aargau eine Person vorläufig festzunehmen sowie ein befristetes Kontakt- und Rayonverbot gegenüber dem Opfer und allfälligen Kindern auszusprechen. Dies falls nötig unter Androhung von strafrechtlichen Konsequenzen bei Missachtung – die Fachpersonen sprechen von Bedrohungsmanagement.
Betroffene Personen sollten ganz klare Grenzen setzen und dem Stalker oder der Stalkerin unmissverständlich klarmachen, dass sie keinen Kontakt wünschen. Zudem sollten sie ihr soziales Umfeld informieren. Die Kriminalprävention schreibt dazu: «Ein offener Umgang mit der Problematik bietet Schutz vor Missverständnissen und Fehlschlüssen und verhindert, dass die Stalkerin oder der Stalker bei Drittpersonen Informationen über Sie einholt.»
Weiter sollten Betroffene Vorkommnisse dokumentieren, und Unterstützung suchen, etwa bei Opferberatungsstellen. Wichtig sei auch, dass sich Opfer nicht selbst die Schuld geben – jeder und jede kann zum Stalking-Betroffenen werden.
Angehörigen rät die Polizei, sich nicht einzumischen. Sie sollten weder den oder die Betreffenden zur Rede stellen noch versuchen, zwischen dem Stalker und dem Opfer zu vermitteln. «Der Schutz des Opfers hat oberste Priorität und dadurch empfiehlt sich im Allgemeinen ein konsequenter Kontaktabbruch.»
Die wichtigste Aufgabe der Angehörigen liege darin, das Opfer zu unterstützen. «Viele Betroffene fühlen sich durch die Stalking-Handlungen hilflos und verlieren schnell an Selbstbewusstsein. Ein sozialer Rückzug ist oft die Folge.» Nahestehende Personen sollten dies zu vermeiden versuchen, indem sie den Kontakt zum Opfer suchen und es unterstützen, den gewohnten Arbeits- und Freizeitaktivitäten nachzukommen.