Schwarzarbeit
Gefährliche Fluchtversuche, gefälschte Ausweise – was Aargauer Inspektoren erleben

Eine Frau und drei Männer spüren auf Aargauer Baustellen, in Restaurants und Läden Personen auf, die schwarzarbeiten. Was die Inspektoren auf ihrer Tour durch den Kanton erwartet, wissen sie nie. Meist bleiben die Kontrollierten anständig – doch der Job kann auch gefährlich werden.

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Vier Männer arbeiten auf der Baustelle, doch haben sie auch die nötige Bewilligung dazu? Der Inspektor erkundigt sich bei den Kollegen im Büro.
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Schwarzarbeit: Unterwegs mit Aargauer Inspektoren
Drei Fälle gehen den Inspektoren ins Netz, am Tag als die az mit auf Kontrolle geht.
Ausweiskontrolle! Die meisten Arbeiter nehmen es gelassen und haben nichts zu verbergen.

Vier Männer arbeiten auf der Baustelle, doch haben sie auch die nötige Bewilligung dazu? Der Inspektor erkundigt sich bei den Kollegen im Büro.

Chris Iseli

Die Znünipause kommt ungelegen. «Was machen wir, wenn niemand da ist?», fragt Karin Peier (Name geändert) in die Runde. Zusammen mit zwei Kollegen bereitet sich die Inspektorin im Aarauer Büro des Amts für Migration und Integration auf die anstehende Kontrolltour durch den Kanton vor. Ihr Ziel: Schwarzarbeiter finden. Doch um ihnen das Vergehen nachweisen zu können, müssen sie diese bei der Arbeit antreffen – nicht im Pausenraum.

«Wir bleiben im Auto sitzen, wenn die Bauarbeiter in der Baracke sind», lautet deshalb die Antwort auf Peiers Frage. Kurz darauf zeigt sich: Die Sorge ist unbegründet, vier Männer arbeiten auf der Baustelle im Bezirk Aarau. Die drei unauffällig gekleideten Inspektoren teilen sich auf, nähern sich schnell aus unterschiedlichen Richtungen. Die Bauarbeiter sollen keine Gelegenheit haben, sich umzuziehen und die Arbeitsspuren abzuwaschen. Die häufigste Ausrede: «Ich arbeite nicht, bin nur zu Besuch hier.»

Andere flüchten. Peier und ihre Kollegen haben schon gefährliche Fluchtversuche gesehen. Männer, die aus vier Metern Höhe sprangen, um zu entkommen. «Wir rennen niemandem hinterher», sagen die Inspektoren.

Das ist auf der übersichtlichen Baustelle ohnehin nicht nötig. Die Arbeiter nehmen die Kontrolle gelassen, alle bis auf einen haben ihre Ausweise dabei. Die Inspektoren bitten den jungen Mann in die Baracke, stellen ihm Fragen zu seiner Person, seiner Familie, seinem Arbeitgeber. Häufig geben Schwarzarbeiter die Identität von Kollegen an. Doch wer etwa die Geburtsdaten der Kinder nicht kennt, ist schnell überführt. Karin Peier hat inzwischen per Mail vom Bürokollegen eine Kopie der slowenischen Identitätskarte erhalten; das Foto stimmt überein. Für Entwarnung ist es allerdings zu früh.

Schwarzarbeit-Kontrolleure auf einer Baustelle im Kanton Aargau unterwegs: Sie kontrollieren die Ausweise der Arbeiter und schauen, ob niemand ohne Bewilligung arbeitet.

Schwarzarbeit-Kontrolleure auf einer Baustelle im Kanton Aargau unterwegs: Sie kontrollieren die Ausweise der Arbeiter und schauen, ob niemand ohne Bewilligung arbeitet.

Chris Iseli

In letzter Zeit seien vermehrt gefälschte Ausweise aus Slowenien aufgetaucht, sagt sie. Als EU-Bürger dürfen Slowenen in der Schweiz arbeiten, was slowenische Pässe für Arbeitswillige aus Nicht-EU-Staaten attraktiv macht. Per Handy kommt die benötigte Auskunft – die Identitätskarte ist in der Datenbank nicht als Fälschung gemeldet. «Das gönnen wir ihm», sagt Peier. Die vier Männer dürfen weiter arbeiten, die Inspektoren fahren zur nächsten Kontrolle.

Das Café an einer viel befahrenen Strasse in der Region Aarau ist gut besucht. Die junge Frau, die den Kaffee bringt, spricht gebrochen Deutsch und steht unter Verdacht. Zu Recht, wie die Ausweiskontrolle zeigt. Serbin ist sie, dürfte nicht arbeiten. Sie sei nur zu Besuch, helfe erst seit heute aus, erhalte keinen Lohn, erklärt sie. Doch die Inspektoren haben schon Tage zuvor gesehen, wie sie im Café mitgeholfen und serviert hat. Draussen fahren zwei Polizisten vor, von nun an übernehmen sie, bringen die junge Frau auf den Posten.

Für die Polizei bedeutet das viel Arbeit. Deshalb wechseln die Inspektoren nun den Bezirk – wie viele Schwarzarbeiter sie noch aufspüren, wissen sie nie. Die Serbin wird voraussichtlich mehrere hundert Franken Busse bezahlen und noch in dieser Woche ausreisen müssen. Ihr droht zudem ein Einreiseverbot für den ganzen Schengen-Raum von ein bis drei Jahren. Gebüsst wird auch ihr Chef, sobald er aus den Ferien zurückgekehrt ist.

Der anonyme Hinweis

Zweihundert Stellenprozente stehen im Aargau für die Schwarzarbeitskontrolle zur Verfügung. Verglichen mit anderen Kantonen ist das wenig. Die insgesamt vier Aargauer Inspektoren gehen deshalb oftmals Hinweisen auf Schwarzarbeit nach, die von Polizei, Grenzwacht, Nachbarn oder Mitbewerbern eingehen. Auch der Kebabstand in der Region Lenzburg, der nun an der Reihe ist, wurde den Inspektoren gemeldet. Anonym, mit dem Foto eines jungen Mannes, der dort schwarz in der Küche arbeiten soll. Karin Peier will zuerst allein hinein, um sich umzuschauen. Doch der Laden ist geschlossen.

Die Inspektorin greift zum Handy, um mit den Kollegen im anderen Auto zu besprechen, wo die Kontrolltour nun weitergehen soll. Wenige Kilometer weiter liegt eine verdächtige Baustelle. Doch dort, wo am Tag zuvor noch Gipser im Einsatz standen, sind keine Arbeiter zu sehen. Kurze Besprechung durch die offenen Autofenster – nächstes und letztes Ziel für heute: ein Hausumbau im Wynental.

Unterwegs zeigt Karin Peier von Zeit zu Zeit auf eine Baustelle. «Dort werden wir wohl auch bald kontrollieren.» Ist sie im Auto oder auf dem Töff unterwegs, hält sie Ausschau nach verdächtigen Objekten, auch in der Freizeit. Eine Berufskrankheit. Auf Höhe einer Grossbaustelle sagt sie: «Hier haben wir viele Kontrollen gemacht, aber nichts gefunden.»

2015 kontrollierten die vier Inspektoren 568 Betriebe und 1258 Personen im Kanton auf Schwarzarbeit – über alle Branchen hinweg. 110 Verstösse gegen das Ausländerrecht, ein Verstoss gegen das Sozialversicherungsrecht wurden sanktioniert. Weil noch nicht alle Verfahren abgeschlossen sind, dürfte sich die Zahl noch erhöhen.

Den Erwischten drohen Bussen, die im Wiederholungsfall steigen. Das hält einige Arbeitgeber von erneuten Verstössen ab, aber längst nicht alle – wie sich bei der letzten Kontrolle des Tages zeigen wird.

Ein alter Bekannter

Die Fenster des sanierungsbedürftigen Hauses sind geöffnet, zwischendurch wirft jemand Bauteile in den Container, der im Garten steht. Ein Mann beobachtet aus dem oberen Stock misstrauisch die beiden Autos. Die Inspektoren beschliessen, weiter weg zu parkieren und zu Fuss zurückzulaufen. Was sie im Haus erwartet, wissen sie nicht.

Die Mehrheit der Kontrollierten verhält sich anständig, falls nicht, bleibt es meist bei verbalen Angriffen. Doch nicht immer. Vor einigen Jahren landete Karin Peier im Spital. Aus Wut über die Kontrolle ging ein Mann erst auf ihren Begleiter los, schlug dann ihren Kopf gegen einen Metallrahmen. Zur Sicherheit gehen nun Peiers Kollegen – ehemalige Polizisten – vor, schauen sich um und finden neben dem Haus zwei Männer, die sich verstecken.

Ihr Chef, ein alter Bekannter der Inspektoren, sagt: «Sie helfen nur.» Die anerkannten Flüchtlinge mit Status B dürften zwar arbeiten, aber nur mit Bewilligung – und die fehlt. Kurz nacheinander fahren zwei Polizeiwagen vor, die Männer werden getrennt voneinander zum Posten gefahren und dort befragt. Für das Trio hingegen endet die Kontrolltour, Karin Peier und ihre Kollegen kehren zurück ins Büro, wo sie nun eine Weile beschäftigt sind. Denn jeder Fall zieht viel Arbeit nach sich; die kontrollierten Betriebe müssen nachweisen, dass sie für ihre Angestellten Quellensteuer, Sozialversicherungs- und Suva-Beiträge einbezahlt haben.

Doch schon bald werden sich die Inspektoren erneut auf die Suche nach Schwarzarbeitern machen. Wichtig sei der Kontrolldruck, sagt Peier. «Sie müssen wissen, dass wir genau hinschauen.»