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Kanton Aargau
Die Aargauerinnen verlangen in einem Manifest mehr Lohnkontrollen, mehr AHV für schlecht Verdienende – und einen Sockelbeitrag für das Frauenhaus.
«Ich habe mein lila T-Shirt von 1991 weggegeben... dachte, ich brauche es nicht mehr. Weit gefehlt!!!» Das steht auf einem Plakat am Frauenstreik in Aarau. «Schon vor 28 Jahren gingen Frauen auf die Strasse, noch immer ist die Gleichstellung nicht erreicht.» Das sagte SP-Politikerin Leona Klopfenstein, als sie um 11 Uhr vor dem Rathaus mehrere Dutzend Frauen und ein paar Männer zur Verkündung des Aargauer Manifestes begrüsste.
Dieses wurde von ihrer Parteikollegin Eva Schaffner in Form eines langen violetten Transparents vom Balkon heruntergelassen, während Klopfenstein und SP-Kantonalpräsidentin Gabriela Suter die Forderungen verlasen.
Der erste Frauenstreik 1991 habe zwar Verbesserungen gebracht: Mutterschaftsurlaub, Splittung in der AHV, Fristenlösung und Massnahmen gegen häusliche Gewalt. Dennoch stagniere die Gleichstellung und Frauen seien nach wie vor Sexismus, Diskriminierung, Stereotypisierung und Gewalt ausgesetzt, steht im Manifest. Die Forderungen der Frauen betreffen diverse Bereiche. Eine substanzielle Erhöhung der AHV bei tiefen Löhnen, Lohnkontrollen und Sanktionen für Verstösse gegen Lohngleichheit, mehr Betreuungsangebote für Kinder und alte Menschen, Elternurlaub mit einem freien Monat für den Vater, Vergütung von Verhütungsmitteln durch Krankenkassen, spezialisierte Anlaufstellen für geflüchtete Frauen, Gleichberechtigung für Frauen in der Kirche, mindestens 50 Prozent Frauenanteil auf Wahllisten sind einige Beispiele.
Bei jedem Punkt brandete Applaus aus der Menge auf, die sich vor dem Rathaus versammelt hatte. Auch ein kantonales Anliegen verlasen Klopfenstein und Suter: Sie fordern Sockelbeiträge für das Frauenhaus Aargau-Solothurn, «damit dessen Fortbestehen dauerhaft gesichert ist und das Personal gerecht bezahlt werden kann».
Stadträtin Angelica Cavegn Leitner und Stadtpräsident Hanspeter Hilfiker hörten aufmerksam zu – auch als Suter sie aufforderte, das Manifest im Rathaus aufzuhängen. Ob dies passiert, bleibt vorerst offen, nach der Verkündung wurde das violette Transparent zum Haus zur Zinne getragen. Dort kam zuerst Bea Bossard, Präsidentin der Gemeinnützigen Frauen Aarau, zu Wort. «Es ist beschämend, wie wenig Geld der Bund für die familienergänzende Betreuung ausgibt», sagte sie mit Blick auf die 23 Millionen Franken, die jährlich zur Verfügung stehen.
Es brauche kostenloses Engagement von Freiwilligen, damit Krippenangebote möglich seien. Verglichen mit Salären von Bankern seien die Löhne der Kita-Angestellten, die für Kinder verantwortlich sind, viel zu niedrig.
Jolanda Urech, bisher einzige Aarauer Stadtpräsidentin, ermutigte die Frauen zu politischem Engagement. «Es gibt kein Patentrezept für Erfolg, nötig sind auf jeden Fall Beharrlichkeit und man muss sich Kompetenz erarbeiten», sagte sie. Urech erzählte, wie sie als Stadtpräsidentin für die Unterzeichnung der Charta für Lohngleichheit nach Bern gereist sei – und welche Frauen sie als Vorbilder sah. «Lilian Uchtenhagen, Micheline Calmy-Rey, Doris Leuthard und Anita Fetz haben mich immer sehr beeindruckt.»