Energiestrategie
Ex-Regierungsrat Beyeler spart mit Haus 60 Prozent Energie – und stimmt trotzdem Nein

Der frühere Aargauer Energieminister Peter C. Beyeler hat sein Haus energetisch totalsaniert und produziert fast so viel Energie, wie er selbst braucht. Was hält der Freisinnige Beyeler von der Energievorlage vom 21. Mai?

Mathias Küng
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Sandra Ardizzone

Peter C. Beyeler war bis 2013 aargauischer Bau- und Energiedirektor. Vor rund acht Jahren hat er bei seinem Wohnhaus gemacht, was von Energiefachstellen empfohlen wird. Im damals fast 30-jährigen Haus stand eine Sanierung an. Die nutzten er und seine Frau, um das Haus energetisch auf Vordermann zu bringen.

Heute sind die Wände mit 26 Zentimeter Aussenisolation versehen, moderne Fenster minimieren den Wärmeverlust und das Dach wurde neu isoliert. Geheizt wird mit einer Wärmepumpe mit Erdsonden.

Heute beträgt der Energieverbrauch für Heizung, Strom, Warmwasseraufbereitung, Kochen, Komfortlüftung, Kühlen, Waschen, Licht usw. rund 12 000 kWh im Jahr. Beyeler: «Das sind 60 Prozent weniger als vorher. Zu sagen ist, dass wir seit je auf den Energieverbrauch geachtet haben. Das 1982 erbaute Haus war schon recht gut isoliert.»

Zahlenmässig fast autonom

Beyeler hat anlässlich der Dacherneuerung die der Sonne zugewandte Schrägdachhälfte mit rund 70 Quadratmetern Solarpanels ausgerüstet (grosses Bild): «Wir produzieren je nach Witterung 10 500 bis 11 000 kWh Strom pro Jahr, sind so gesehen fast autonom – leider nur theoretisch, denn über zwei Drittel des Solarstroms fallen im Sommerhalbjahr an.» Das sei das grosse Problem der Solarenergie, sagt Beyeler. Pro Tag brauche er durchschnittlich rund 30 kWh Energie. An einem sonnigen Tag im April gibt die Anlage 60 kWh, an einem verregneten oder nebligen Tag nur 10 kWh oder sogar noch weniger her.»

Der ehemalige Aargauer Regierungsrat Peter C. Beyeler hat auf dem Dach seines Einfamilienhauses in Rütihof Solarzellen installiert.

Der ehemalige Aargauer Regierungsrat Peter C. Beyeler hat auf dem Dach seines Einfamilienhauses in Rütihof Solarzellen installiert.

Sandra Ardizzone

Einmal könne man viel ins Netz einspeisen, kurz darauf sei man wieder auf Strom aus dem Netz angewiesen. Wenn sehr viele Sonnenstrom produzieren, werde dies die Stromversorger gerade im Mittelland vor enorme Herausforderungen stellen, wenn keine Langzeitspeicher zur Verfügung stehen, sagt Ingenieur Beyeler: «Wir sprechen seit 20 Jahren über bezahlbare lokale Strom-Langzeitspeicher, um Überschussstrom vom Sommer für den Winter zu ‹sparen›. Diese gibt es aber trotz langer Forschungs- und Entwicklungsjahre noch nicht.»

Hohe Kosten, aber gute Sache

Doch rechnet es sich auch? Er habe das nie in Franken ausgerechnet, sagt Beyeler. Für den ins Netz eingespeisten Überschussstrom erhält er eine kostendeckende Einspeisevergütung (KEV). So gehe es wohl in etwa auf, meint er. Er habe die Investitionen aus Überzeugung gemacht, im Rahmen einer Hausrenovation sei es sowieso eine gute Sache: «Die Kosten waren aber sehr hoch. Ich verstehe Hausbesitzer, die sehr aufs Geld achten müssen, dass sie sich das gut überlegen.»

11 200...

...Gigawattstunden (GWh) Strom lieferten die Aargauer AKWs 2015. Dazu kamen 3000 GWh Wasserkraft. Der Aargau lieferte damit gut einen Fünftel der Schweizer Stromproduktion. Er selbst verbrauchte 4700 GWh

7700...

Kilowattstunden (kWh) Strom wurden 2012 im Aargau pro Person und Jahr durchschnittlich verbraucht. Pro Tag sind das rund 21 kWh. Zum Vergleich: Die Solaranlage von Peter C. Beyeler produziert täglich – mit jahreszeitlichen und Witterungsschwankungen – durchschnittlich knapp 30 kWh.

Wenn Beyeler sein Haus so mustergültig saniert hat, dann unterstützt er wohl auch wie die Kantonsregierung die nationale Energievorlage vom 21. Mai? Der ehemalige FDP-Regierungsrat überlegt und antwortet bedächtig: Sorgsamer Umgang mit Energie, Ausbau der erneuerbaren Energien und mehr Energieeffizienz seien unbedingt nötig, wobei man auf die Marktwirtschaft und stark auf Eigeninitiative setzen soll, schickt er voraus. Er habe lange mit sich gerungen und wisse, dass eine komplexe Vorlage immer einen Kompromiss beinhaltet. «In den vorliegenden Kompromiss hat der Gesetzgeber aber zu viel gepackt und geht zu grosse Risiken ein, weshalb ich Nein sagen muss.»

«Damit hebeln wir Markt aus»

Welche Risiken? Es seien vorab drei Fakten höchst kritisch, antwortet Beyeler. Die Strategie lebe wesentlich von Subventionen, neu werde auch noch die Wasserkraft subventioniert: «Damit hebeln wir den Markt aus und bekommen eine staatlich dirigierte Stromwirtschaft. Dabei wissen wir aus der Erfahrung mit dem Gesundheitswesen und der Landwirtschaft, wohin die staatliche Regulierung führt.»

Diese Fehler dürfe man nicht auch noch im Strommarkt machen. Zweitens seien die Verbrauchssenkungsziele und die Ziele für die Produktion aus erneuerbaren Energien zu ambitiös, z.B. für die Windenergie. Beyeler: «Die Schweiz ist wirklich kein Windenergieland.» Drittens würde damit die Abhängigkeit von Stromimporten stark wachsen, sobald die Kernkraftwerke altershalber eins nach dem andern abgeschaltet sind. Dies werde in der Vorlage faktisch ausgeblendet.

«Wir haben noch Zeit»

Wie sähe denn seine Alternative aus, will er neue Atomkraftwerke? Beyeler winkt ab: «Neue KKW sind nicht realisierbar und wären auch nicht mehr bezahlbar. Mein Nein hat mit der Zukunft der Kernenergie in der Schweiz nichts zu tun. Mein Nein ergibt sich aus den drei erwähnten Fakten.» Die künftige Energiestrategie müsse neu aufgestellt werden, mit mehr Realbezug, mit konsequentem Einbezug marktwirtschaftlicher Grundsätze und mit realistischeren Entwicklungszielen, die auch international vergleichbar sind. Beyeler: «Ich finde, diese Chance müssen wir uns geben, die Zeit dazu haben wir.»

«Ich würde es wieder machen»

So oder so würde Beyeler sein Haus jederzeit wieder so wärmedämmen und Solarenergie installieren. Die Solaranlage, die damals 70 000 Franken kostete, käme heute noch etwa halb so teuer. Beyeler: «Diese Massnahmen helfen der Umwelt, das Haus bietet zudem heute mehr Wohnkomfort, es macht wirklich Freude.»