Missionsgesellschaft Bethlehem
Ernst Wildi: «Gott ist bei den Armen zu finden.»

Pater Ernst Wildi aus Rudolfstetten ist seit drei Jahren Generaloberer der Missionsgesellschaft Bethlehem in Immensee. Dabei wäre er eigentlich lieber in Afrika.

Andreas Fahrländer
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Pater Ernst Wildi ist letztes Jahr als Generaloberer der Missionsgesellschaft Betlehem noch einmal zurückgekehrt nach Sambia, ins Hospiz in Kalingalinga.

Pater Ernst Wildi ist letztes Jahr als Generaloberer der Missionsgesellschaft Betlehem noch einmal zurückgekehrt nach Sambia, ins Hospiz in Kalingalinga.

SRF Schweizer Fernsehen

Ernst Wildis Herz schlägt für Afrika. Der Missionar aus Rudolfstetten hat 26 Jahre in Sambia gelebt, bis er 2013 zum Generaloberen der Missionsgesellschaft Betlehem (SMB) ernannt wurde. Das katholische Missionswerk aus Immensee im Kanton Schwyz zählte einst über 400 Patres und Brüder. Heute sind es noch gut 80.

Das Schweizer Fernsehen SRF zeigte am Donnerstag einen 90-minütigen Dok-Film über Wildi und seine Mitstreiter. Der Filmemacher Beat Bieri erzählt in dem beeindruckenden Film von der langen Geschichte der Missionsarbeit in Afrika und in der Heimat – und von deren Niedergang. Der Film heisst «Das Ende der Mission – Ein Stück Schweizer Weltgeschichte». Denn die Missionsgesellschaft Betlehem findet keinen Nachwuchs, die Missionare werden älter, jedes Jahr sind sie weniger. Manche sterben in Immensee, manche in Afrika.

Einige Mitbrüder nennen Ernst Wildi mit schwarzem Humor «Totenvogel». Die Organisation der Beerdigungen ist Sache des Generaloberen. In Immensee fühle er sich manchmal wie im Altersheim, sagt der 75-jährige Wildi. Und: «Wenn ich jetzt in Afrika wäre, wäre ich umgeben von jungen Leuten.» Noch heute träume er afrikanisch. Die Gebäude der Missionsgesellschaft liegen idyllisch über dem Zugersee, neben der Tellskapelle am Ende der Hohlen Gasse bei Küssnacht. 1921 wurde die Gesellschaft in ihrer heutigen Form gegründet. Sie war das grösste katholische Missionswerk der Schweiz. Heute stehen viele Zimmer leer. Das renommierte Gymnasium Immensee ist längst privatisiert.

Vom Freiamt in die Welt hinaus

Die Missionare bauten einst Hunderte von Schulen, Spitälern und Staudämmen in den entlegensten Winkeln der Welt, in Asien, Afrika und Lateinamerika. Viele von ihnen stammen aus den katholischen, ländlichen Gegenden der Schweiz: aus dem Wallis, aus dem Kanton Luzern – oder wie Ernst Wildi aus dem Freiamt.

In Simbabwe, dem ehemaligen Südrhodesien, hat die Missionsgesellschaft noch immer eine Station, wo einige Immenseer als Pensionäre leben. Als Simbabwe sich Ende der Siebzigerjahre die Unabhängigkeit von Grossbritannien erkämpfte, verloren die Aargauer Missionare Martin Holenstein aus Fislisbach und Kilian Hüsser, ein Schulfreund Wildis aus Rudolfstetten, gewaltsam ihr Leben. Das sei immer noch schwer zu verdauen, sagt Wildi. Er weiss, dass es die Missionsgesellschaft in dieser Form nicht mehr lange gibt. Aber es gehe immer irgendwie weiter.

Im Film erzählt er, wie er manchem Mitbruder, der darüber besorgt im Sterben lag, sagte: «Es ist alles gut. Es ist wunderbar, du konntest so viel Schönes machen.» Der Film habe ihn sehr berührt, sagt Ernst Wildi zur «Schweiz am Sonntag». Es sei nichts gestellt oder geschminkt, die Probleme würden benannt, der Film sei authentisch.

Wildis Familie stammt aus Wohlen, in Rudolfstetten ist er aufgewachsen. Seine Eltern starben früh, er besuchte selbst das Gymnasium Immensee. Um das Schulgeld bezahlen zu können, musste Wildi in den Fünfzigerjahren von Haus zu Haus ziehen und das Geld zusammenbetteln. Heute reist er jedes Jahr im Dezember nach Rudolfstetten. Auf dem Weihnachtsmarkt sammeln hier Freunde und Unterstützer für sein Aids-Hospiz in Sambia. Bis zu seiner Wahl zum Generaloberen hat er das Hospiz während 14 Jahren im bitterarmen Kalingalinga, östlich der sambischen Hauptstadt Lusaka, mit aufgebaut und betreut.

Um das Jahr 2000 herrschten in Sambia katastrophale Zustände. Fast ein Drittel der Bevölkerung war damals HIV-positiv, die Lebenserwartung sank von 62 auf 37 Jahre. In Filmausschnitten von damals erzählt Wildi von etwa 1,5 Millionen Aids-Waisen im Land. Apokalyptisch sei die Lage in Sambia gewesen. Heute ist das Hospiz in Kalingalinga nicht mehr nur ein Ort zum Sterben. Aids-Medikamente sind erschwinglicher geworden. Sie können die Krankheit nicht heilen, aber den Tod erst einmal vertreiben. In Sambia fühlt sich Wildi zu Hause. «Gott ist bei den Armen zu finden», sagt er.

Betlehem am Zugersee

Die Missionsgesellschaft hat eine Lösung gefunden, wie kurzfristig wieder Leben in die Häuser in Immensee kommt. 31 minderjährige Asylsuchende sind in den letzten Monaten eingezogen. Letzte Woche kamen 4 Mädchen aus Eritrea dazu. Die Kinder werden von der Caritas betreut. Sie lernen hier Deutsch und besuchen die Schule. Eine fröhliche, aufgestellte Gesellschaft sei das, sagt Wildi. Bisher habe noch keines der Kinder die Schule geschwänzt. Es gebe auch keine Ängste oder Unsicherheiten im Zusammenleben. Und er freue sich, wenn er hin und wieder etwas jugendlichen Lärm höre.

Jahrzehntelang zogen die Missionare aus der Schweiz in die Dritte Welt, um Elend und Not zu lindern. Jetzt kommen junge Flüchtlinge in ihrer Not nach Immensee und finden Schutz und Aufnahme. In knapp zwei Jahren müssen sie wieder ausziehen. Dann sollen über dem Zugersee 150 erschwingliche Wohnungen entstehen. Das Projekt heisst «Wohnen in Betlehem».