Turgi
Ein EU-Spitzenpolitiker ist zu Besuch am SP-Parteitag in Turgi

Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments, hält heute am SP-Parteitag auf der Limmat-Holzbrücke eine Rede

Pirmin Kramer
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Martin Schulz.

Martin Schulz.

KEYSTONE

Schon wieder ist ein Spitzenpolitiker, der gerade europaweit für Schlagzeilen sorgt, zu Gast in der Region Baden. Im Januar war der türkische Ministerpräsident
Ahmet Davutoglu nach Baden gereist, um in der Trafohalle vor Exiltürken eine Wahlkampfrede zu halten.

Weil er wenige Tage zuvor, nach den Terroranschlägen in Paris, den Nachdruck der «Charlie Hebdo»-Karikaturen als unnötige und gezielte Provokation kritisiert hatte, wurde er in Baden von einem riesigen Sicherheitsdispositiv begleitet. Die Strassen der Stadt wurden gesperrt, ein Verkehrschaos war die Folge.

Heute Samstag wird Martin Schulz, deutscher Präsident des Europäischen Parlaments, auf der frisch renovierten Holzbrücke in Turgi eine Rede halten. Eingeladen wurde der Sozialdemokrat von seinen Schweizer Parteigenossen, die in Turgi einen Parteitag abhalten.

Schulz warnt dieser Tage auf allen Medienkanälen vor einem Scheitern Europas in der Flüchtlingskrise. Er appelliert an die Solidarität unter den Mitgliedstaaten und fordert eine klare Quotenverteilung der Flüchtlinge.

«Schulz wird über das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU referieren. Es ist aber anzunehmen, dass er sich auch noch zur aktuellen Flüchtlingssituation in Europa äussern wird», sagt SP-Mediensprecher Michael Sorg.

Der Besuch Schulz’ werde sicherheitstechnisch unkompliziert sein. «Es müssen keine Strassen für ihn abgesperrt werden. Schulz wird am Freitag anreisen, in Zürich übernachten und am Samstag dann im Auto nach Turgi gefahren.»

Bereits in den Sommermonaten hatte Schulz für Schlagzeilen gesorgt und Teile seiner Partei verärgert, weil er das harte Vorgehen der EU im Streit mit Griechenland verteidigte.

Juso-Schweiz-Präsident Fabian Molina beispielsweise forderte, Schulz müsse wegen seiner Griechenland-Politik wieder vom Treffen in Turgi ausgeladen werden. Prompt erhielt der Jungpolitiker eine Einladung nach Strassburg – dort traf er den EU-Parlaments-Präsidenten Mitte dieser Woche.

«Wir hatten ein langes Gespräch, er nimmt unsere Kritik ernst. Einig geworden sind wir uns aber nicht. Es ist unverständlich, dass sich ein sozialdemokratischer Spitzenpolitiker nicht auf die Seite des Volkes stellt, sondern im Gegenteil für die Entbehrungspolitik mit verantwortlich ist.»

Die Juso würden in Turgi ihren Unmut gegen Schulz’ Politik kundtun, kündigt Molina an. Andere SP-Politiker vor allem aus der Romandie werden wegen Schulz gar nicht erst zum Parteitag reisen, berichtete der «Tages-Anzeiger».

Turgi als Ort mit Symbolcharakter

In Turgi werden auch Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga sowie Innenminister Alain Berset Reden halten. «Es ist wahrscheinlich, dass sich auch Simonetta Sommaruga zum Thema Flüchtlinge äussern wird», sagt SP-Sprecher Sorg. Berset werde über die Rentenreform referieren.

Warum findet der Parteitag ausgerechet in Turgi statt, wo die SP nicht einmal im Gemeinderat vertreten ist? «Wir wählten mit Turgi bewusst einen Ort, der die Offenheit unseres Landes symbolisieren soll.

Die Limmat, über welche die Holzbrücke führt, lässt sich auch von Grenzen nicht aufhalten», erklärt Co-Generalsekretärin Flavia Wasserfallen. Ausserdem ist die 170-jährige Holzbrücke fast genauso alt wie der moderne Bundesstaat, dessen Verfassung heute vor 167 Jahren in Kraft trat.

Gemeindeammann Peter Heiniger (Bürgerliche Vereinigung Turgi) spricht von einem sehr speziellen Tag für die Gemeinde. «Martin Schulz ist sicher der bekannteste Politiker, der je Turgi besucht hat – und gleichzeitig sind ja auch noch zwei Bundesräte vor Ort.»

Heiniger hat von der SP einige Minuten Redezeit erhalten. Er wird unter anderem über die Industrialisierungsgeschichte Turgis und den Wakker-Preis referieren, den die Gemeinde 2002 für ihren beispielhaften Ortsbildschutz erhielt.