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Aargau
Kanton Aargau
Alfredo Lardelli, Werner Ferrari und Thomas N.: Der Kanton Aargau war in den vergangenen 30 Jahren erschreckend häufig Schauplatz von brutalen Verbrechen. Ein Vergleich mit anderen Kantonen zeigt jedoch: Im Rüebli-Kanton lebt es sich nicht gefährlicher.
In den Achtzigern geht die Angst um. 11 Kinder verschwinden, ihre Leichen werden zum Teil erst Wochen später gefunden. Zwei davon stammen aus dem Aargau. Darunter die zwölfjährige Ruth Steinmann, die sich am 12. Mai 1980 auf dem Nachhauseweg von Wettingen befindet, aber nie in Würenlos ankommt. Der Vater findet ihre Leiche noch an am selben Tag in einem Waldstück. Erst 18 Jahre später wird der Täter ermittelt.
Zuvor war Werner Ferrari für die Tat verurteilt, aber 2007 freigesprochen worden. Dennoch blieb der Aargauer Serienmörder wegen vierfachen Mordes lebenslänglich im Gefängnis. Unter seinen Opfer befand sich auch der zehnjährige Christian Widmer aus Döttingen, der am 19. Oktober 1987 zum letzten Mal lebend gesehen wurde, als er eine Feier der Jungschar in Windisch verliess. Am nächsten Tag wurde er im nahe gelegenen Riniken an einem Waldrand tot aufgefunden.
Am 13. Dezember 1985 erschiesst Immobilienhändler Alfredo Lardelli im Würenlinger Ortsteil Siggenthal-Station den Ehemann seiner damaligen Geliebten Vanio V. und zwei Prostituierte. Drei Tage nach der Tat stellt er sich freiwillig der Polizei. Im Rathaus Wettingen kommt es zu einem der grössten Indizienprozesse in der Schweiz.
Obwohl Lardelli vor Gericht sein Geständnis widerruft, wird er wegen dreifachen Mordes zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Am 12. Februar 1991 geht die Fasnacht für viele Wohler bereits einen Tag früher abrupt zu Ende. Grund dafür ist der brutale Mord des bekannten Ehepaars Ursula und Peter Breitschmid. Unmittelbar nach der Beerdigung seiner Eltern wird der damals 27-jährige Adoptivsohn Romano Breitschmid festgenommen.
Gemeinsam mit seinem Lebenspartner Giorgio Sbardella schmiedete er ein Mordkomplott und beauftragte Sbardellas Bruder Riccardo mit dem Mord.
Am 16. Oktober ermordet ein 26-jähriger Dominikaner im Drogenrausch drei Cabaret-Tänzerinnen aus seinem Heimatland. Nach der Tat taucht er in Zürich unter. Für Hinweise zur Festnahme des Täters setzt die Polizei eine Belohnung von 50'000 Franken aus. Diese scheint Wirkung zu zeigen: Nach rund sechs Wochen wird der Täter gefasst und 2003 zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
Am frühen Morgen des 10. Februar 2008 besucht ein damals Minderjähriger den Sex-Salon hinter dem Bahnhof in Aarau. Dort vergewaltigt und erdrosselt er eine Prostituierte. Als er den Puls seines Opfers nicht mehr spürt, flüchtet er.
Dank einer Überwachungskamera der SBB am Bahnhof kann der Täter wenige Tage nach der Tat verhaftet werden. Das Jugendgericht Lenzburg spricht den damals 17-Jährigen schuldig und verhängt die Höchststrafe für Jugendliche von vier Jahren Freiheitsentzug. Wegen erheblicher Rückfallgefahr bleibt der Mörder weiterhin verwahrt.
Am 4. März 2009 spricht Daniel H. beim Zürcher Hauptbahnhof die 16-jährige Lucie an, die als Au-pair in Pfäffikon (SZ) arbeitet. Unter dem Vorwand einer Schmuckvorführung verspricht er ihr das schnelle Geld und lockt sie so in seine Wohnung in Rieden (Gemeinde Obersiggenthal).
Dort schlägt er mehrmals mit einer Hantelstange auf die 16-Jährige ein. Dann holt er ein Tranchiermesser und schlitzt ihr mit mehreren tiefen Sägeschnitten die Kehle auf. Die Nacht verbringt er neben ihrem Leichnam. Vier Tage später kommt die Polizei Daniel H. auf die Schliche, weil er mit Lucies Handy telefoniert hat. Er stellt sich am 9. März der Zürcher Stadtpolizei und befindet sich seither im Gefängnis.
Am 16. April finden Anwohner von Brittnau den Leichnam des Weinhändlers Willi Moor. Er liegt mit mehreren Schädelbrüchen und zertrümmertem Kehlkopf in seinem eigenen Blut - umgebracht durch unzählige Schläge mit einem Holzscheit.
Auf der Suche nach dem Täter stösst die Polizei dank DNA-Spuren auf einen Asylbewerber aus Marokko, der bis zu seiner Verhaftung in der Asylunterkunft Muri wohnt. Er wird vom Bezirksgericht Zofingen des Mordes schuldig gesprochen und muss für 18 Jahre ins Gefängnis.
Am Abend des 9. Mai 2015 fallen am Langackerweg in Würenlingen mehrere Schüsse. Anwohner alarmieren die Polizei, die vor Ort in und um ein Wohnhaus mehrere leblose Personen vorfindet. Bei den Opfern handelt es sich um die Schwiegereltern und den Schwager des Schützen. Vor dem Haus streckte er auch einen Nachbarn nieder – ein Zufallsopfer. Dann richtet er sich selbst.
Der 36-jährige Schweizer mit türkischer Abstammung war neun Tage vor der Bluttat aus einer psychiatrischen Klinik im Kanton Thurgau entlassen worden. Der Täter war einschlägig bei der Polizei bekannt. Konkret wegen Körperverletzung (2007), Drohung (2012) und fürsorgerischer Unterbringung (2015).
Der psychisch angeschlagene A. S. sucht am frühen Abend des 8. Juli 2015 das Haus seiner Eltern auf, um sich mit ihnen auszusprechen. Der 34-Jährige litt unter einer schizophrenen Störung und glaubte, seine Eltern haben ihn vergiften wollen. Die geplante Aussprache eskaliert jedoch rasch und endet damit, dass A. S. nach seinem Klappmesser in der Hosentasche greift und insgesamt mehrere dutzend Mal auf seine Eltern einsticht. Am 2. März 2017 muss sich der Angeklagte vor dem Bezirksgericht Bremgarten verantworten.
Am 21. Dezember 2015 informiert die Aargauer Kantonspolizei über einen Brand in Rupperswil. Im Innern des verrauchten Einfamilienhauses finden Einsatzkräfte der Feuerwehr vier tote Personen. Die Polizei geht von einem Tötungsdelikt aus und leitet eines der grössten Ermittlungsverfahren der Schweizer Geschichte ein. 146 Tage nach dem Vierfachmord von Rupperswil wird der Täter Thomas N. im Mai gefasst.
Im Oktober 2000 werden in einem Dickicht in Spreitenbach Überreste eines menschlichen Skeletts entdeckt. 2002 konnten die Ermittler bestätigen, dass es sich dabei um Heidi Scheuerle handelte. Die Praktikantin des Schweizer Fernsehens war 1996 unterwegs von Kreuzlingen nach Baden verschwunden. Wer der Täter war, bleibt weiterhin ungeklärt. Die Polizei hat eine Belohnung von 50'000 Franken ausgeschrieben für Hinweise, die zur Aufklärung der Tat führen.
Am 27. November entdeckte ein Velofahrer einen Toten, kniend zusammengesunken auf der Aarebrücke in Koblenz. Es handelt sich um den deutschen Frührentner Karl Dittmann, der erschossen wurde. Der Fall bleibt trotz Hinweisen aus der Bevölkerung ungeklärt.
Ein Blick auf die schlimmsten Verbrechen in der Schweiz der letzten dreissig Jahre zeigt: Auffällig viele brutale Mörder, die landesweit für Aufsehen sorgten, stammen aus dem Aargau. Ein Vergleich mit den Nordwestschweiz-Kantonen beweist jedoch: Im Aargau wird nicht häufiger gemordet als anderswo. Zwar schlägt das Jahr 2015 mit insgesamt 14 Tötungsdelikten besonders hoch zu Buche, in den vorherigen fünf Jahren liegt der Rüebli-Kanton jedoch im Durchschnitt.
Auch der Vergleich der verübten Gewaltstraftaten lässt nicht darauf schliessen, dass der Aargau gefährlicher ist - im Gegenteil: Hier wurden im schweizweiten Durchschnitt sogar weniger gewalttätige Straftaten verübt. Einzig der Kanton Baselland liegt darunter.
(Artikel publiziert am 19. März 2017)