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Die SP-Geschäftsleitung kommt unter Beschuss. Aus den eigenen Reihen. Co-Fraktionspräsidentin Claudia Rohrer wirft der Parteispitze Versagen und fehlende Führungsverantwortung vor bei der Nominierung des SP-Regierungsratskandidaten. Es geht um die Frauenfrage.
Claudia Rohrer ist Co-Fraktionschefin der SP im Grossen Rat. Als die selbstständige Rechtsanwältin aus Rheinfelden am Samstag das Resultat der parteiinternen Ausmarchung um die Regierungsratskandidatur hörte, schrieb sie der AZ ein Mail und fand deutliche Worte. Die SP-Geschäftsleitung habe versagt. Die Geschlechterfrage drohe die SP zu spalten. Wir haben bei Claudia Rohrer nachgefragt.
Die einzige Frau wirft schon nach dem ersten Wahlgang das Handtuch. Ihre Gefühlslage?
Claudia Rohrer: Ich bin enttäuscht und bedaure das sehr. Offenbar fehlte Franziska Graf der Rückhalt in der Partei.
Wie konnte es soweit kommen, dass ausgerechnet in der SP die Frau keine Chance hatte?
Das ganze Prozedere ist zu hinterfragen. Zuerst wurde eine Findungskommission eingesetzt, bei der man nie wusste, zu welchem Schluss sie überhaupt kam. Und dann hat die Parteileitung sich nicht dazu bekannt, die Frauenfrage als vorrangiges Kriterium zu behandeln. Das halte ich für einen Führungsfehler. Die Geschäftsleitung hat in der Frauenfrage versagt und die Frauenkandidatur so geschwächt.
War die SP-Geschäftsleitung nicht neutralisiert in dieser Frage, weil mit Dieter Egli ja jemand aus ihren Reihen kandidierte?
Das glaube ich nicht. Dieter Egli erlebe ich als integre Person, der Gender-Fragen auch wichtig sind. Ich nehme an, er war im Ausstand und die GL hätte trotzdem eine klare Haltung einnehmen können ohne Rücksicht auf ihn.
Hätte Egli nicht verzichten müssen, wenn er selber so bewusst ist in Gleichstellungsfragen, wie Sie sagen?
Ich finde nicht, dass Männer nicht mehr antreten dürfen, bis wir 50 Prozent Frauenanteil in allen Gremien haben. Es ist wie gesagt die Führungsverantwortung der Parteileitung, eine solche Kandidatur richtig aufzugleisen.
Sie schrieben im Mail an die AZ, Sie befürchten, dass eine männliche SP-Kandidatur die Partei spaltet. Inwiefern?
Ich befürchte eine Spaltung, weil diese Kandidatur unsere Haltung in Frage stellt. Wir verlangen als SP von anderen, dass mehr Frauen in Führungspositionen Einsitz nehmen: vom Regierungsrat, der AKB und staatsnahen Betrieben. Es ist nicht glaubwürdig, wenn die SP jetzt bei sich selber die Genderfrage herunterspielt.
Wie schätzen Sie die SP-Kandidatur für die Wahlen im Herbst ein?
Das stärkt die Grünen. Eine grüne Frauenkandidatur wird hohe Chancen haben, weil sie von vielen aus der SP und auch von Bürgerlichen Unterstützung bekommen wird. Ich kann mir jedenfalls keine rein männliche Regierung vorstellen für die nächsten vier Jahre. Ich werde sicher eine weibliche Kandidatur unterstützen, auch wenn ich SP-Mitglied bin.
Gretchenfrage: Wenn Sie einzig zwischen dem SP-Mann Dieter Egli und der Grünen Christiane Guyer wählen müssen, wie entscheiden Sie?
Ich muss in den Spiegel schauen können. Bei einer solchen Konstellation unterstütze ich eine Frau mit Führungserfahrung, so sehr ich Kollege Dieter Egli schätze.
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