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Rolf Eichin, Vorstand des Vereins Grenzgänger-Info, sieht im schwachen Euro nicht nur Vorteile für deutsche Arbeitskräfte. Und er sagt, wie viel ein Deutscher in der Schweiz verdienen muss, damit für ihn die Rechnung aufgeht.
Rolf Eichin ist gerade am Vogel-Gryff-Tag in Basel, als ihn die az am Handy erreicht. Der langjährige Grenzgänger-Berater kennt sich nicht nur mit den Schweizer Bräuchen und Traditionen aus, sondern auch mit Bewilligungen, Löhnen, Steuern und anderen Fragen, die Deutsche haben, welche in der Schweiz arbeiten möchten.
Rolf Eichin: Ja, ich habe eine Grenzgängerbewilligung. Unser Verein Grenzgänger-Info hat zwei Standorte, einen im deutschen Lörrach und einen in Kreuzlingen. Weil ich regelmässig auch dort Beratungen mache, brauche ich
eine Grenzgänger-Bewilligung.
Nein, bisher hat der Entscheid der Nationalbank noch kaum Auswirkungen auf die Zahl der Beratungen. Ein eigentlicher Run von potenziellen Grenzgängern ist nicht feststellbar. Allerdings hatte ich allein am Montagmorgen fünf Anfragen von potenziellen «Rückzügern», also von Leuten, die heute in der Schweiz wohnen, sich jetzt aber überlegen, in Deutschland ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen und künftig zur Arbeit zu pendeln.
Es wenden sich nicht nur deutsche Arbeitnehmer an uns, sondern auch gemischte Ehepaare, die nach Deutschland zügeln wollen. Die meisten potenziellen Rückzüger haben sich diesen Schritt schon länger überlegt. Mit dem gesunkenen Eurokurs ist es für sie, die ihren Lohn in Schweizer Franken erhalten, nun noch attraktiver, in Deutschland eine Immobilie zu erwerben.
Solche Ideen gab es schon 2011, als der Euro auch stark fiel. Damals war nur ein einziges der 6500 Mitglieder unseres Vereins betroffen. Heute ist mir kein Unternehmen bekannt, das Grenzgänger in Euro bezahlt. Das wäre wohl auch zu kompliziert für die Firmen, wenn die Sozialabgaben wiederum in Franken sind. Der Verwaltungsaufwand rechtfertigt die Einsparungen nicht.
Nach meiner Erfahrung sind die Löhne der Grenzgänger im Schnitt heute schon niedriger als jene der einheimischen Arbeitskräfte. Nur lässt sich dies nicht nachweisen, weil das Lohngeheimnis in der Schweiz noch höher gehalten wird als das Bankgeheimnis.
Ein solcher Lohnvergleich könnte erst zum Thema werden, wenn jemand längere Zeit in der Schweiz arbeitet. Fragen zu diesem Thema gibt es bei unseren Beratungsstellen praktisch nie. In erster Linie wollen die Leute wissen, welchen Lohn sie brauchen, damit sich ein Grenzgänger-Job für sie lohnt.
Ich sage immer: Verkaufen Sie sich nicht zu billig. Damit sich ein Jobwechsel lohnt, sollte der Bruttolohn in Franken etwa 1,8-mal so hoch sein wie der Euro-Lohn, den der Arbeitnehmer in Deutschland erhält.
Es gibt einige Faktoren, die für Grenzgänger finanziell ins Gewicht fallen: Einerseits der deutlich längere Arbeitsweg, dann hat er in der Schweiz weniger Ferien als in Deutschland und die Wochenarbeitszeit liegt in der Schweiz meist bei 42 Stunden, in Deutschland hingegen oft noch bei 38.
Das ist möglich, aber darüber hat bisher noch niemand geklagt. Die Schweizer sehen den Deutschen ja nicht an, ob sie nun Grenzgänger sind oder auch in der Schweiz leben.
Das halte ich für unwahrscheinlich. Schon vom Image her kann es sich eine Schweizer Firma nicht leisten, im grossen Stil einheimische Arbeitskräfte durch Grenzgänger zu ersetzen. Man stelle sich den Aufschrei vor, wenn ein solches Beispiel bekannt würde. Ich befürchte das Gegenteil: dass zuerst die ausländischen Arbeitskräfte entlassen werden oder von einem Einstellungsstopp betroffen sind, wenn es einer Firma schlecht geht.
Grundsätzlich stimmt das, dennoch hoffe ich, dass der Euro nicht noch weiter fällt. Vor drei Jahren war die Situation ähnlich, damals hat die Nationalbank mit der Mindestgrenze aber rasch wieder für stabile Verhältnisse gesorgt. Wenn der Euro über längere Zeit bei
einem Kurs um einen Franken bleibt, würde dies die Schweizer Wirtschaft
sicher schwächen und auch die Lage der Grenzgänger verschlechtern.
Wir beraten in Lörrach heute schon mehrheitlich Leute, die nicht direkt an der Grenze wohnen. Dazu kommt der Trend, dass neben den klassischen Grenzgängern immer mehr Wochenaufenthalter aus der ganzen Bundesrepublik in der Schweiz arbeiten.
Ja, das gibt es tatsächlich immer häufiger: Arbeitnehmer aus dem ganzen Bundesgebiet, die am Montagmorgen einfliegen und am Freitagabend wieder nach Hause reisen. Seit einigen Jahren muss ein Grenzgänger nur noch einmal pro Woche ausreisen, seither ist diese Gruppe stark gewachsen. Dazu beigetragen haben sicher auch die günstigen Flüge, die Easyjet aus deutschen Städten nach Basel anbietet.