Millionärsinitiative
«Die bürgerliche Geschlossenheit reichte fürs Nein» – Politologe Milic erklärt das Resultat

SP und Grüne überzeugten ihre Anhänger zu wenig. Politologe Thomas Milic erklärt die Gründe für die Nachbefragung und was er sich davon erhoffte.

Mathias Küng
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Thomas Milic.

Thomas Milic.

zVg

Herr Milic, was versprachen Sie sich von der Nachbefragung?

Thomas Milic: Es ist das erste Mal, dass eine vertiefte Nachbefragung zu einer Sachabstimmung im Aargau stattfindet. Insofern wagten wir uns auf unbekanntes Terrain.

Mit welchem Ziel?

Wir wollten herausfinden, wie die Meinungsbildung abläuft, wie sich die Leute informieren, was die Stimmbeteiligung beeinflusst und anderes mehr.

Die Stimmbeteiligung war bei der Millionärsinitiative tiefer als bei den nationalen Vorlagen. Warum?

Die ist kantonal meist tiefer. Das hat damit zu tun, dass Kampagnen auf nationaler Ebene mit mehr Mitteln und intensiver geführt werden, man mehr Plakaten begegnet, Arena-Sendungen verfolgen kann usw. Ich bin überzeugt, die Beteiligung wäre höher gewesen, wenn man über dasselbe Anliegen national abgestimmt hätte. Ein Beispiel ist die intensive Debatte zur 1:12-Initiative der Juso an.

Da stimmten mehr ab, weil die Kampagne intensiver und mehr Geld im Einsatz war?

Ja, das bedeutet aber nicht, dass man eine Abstimmung kaufen kann. Doch die Aufmerksamkeit steigt, die Leute machen sich eher mit dem Thema vertraut. Die Meinungsbildung läuft kantonal sehr ähnlich wie national.

Nämlich?

Fast neun von zehn Befragten nutzten die Abstimmungsbroschüre des Kantons – wie intensiv auch immer. Mit einigem Abstand folgen Abonnementzeitung, Bekanntenkreis, Radio und TV. Facebook und Twitter spielen noch eine untergeordnete Rolle. Auffallend ist: Der Abstand zwischen der Abstimmungsbroschüre und allen andern Informationsquellen ist kantonal grösser als national. Bei der Millionärsinitiative war aber für viele eh klar, wie sie stimmen werden. Sie brauchten gar nicht so viele zusätzliche Informationen.

Warum das?

Diese Initiative gehört ins klassische Rechts-Links-Schema.

Dann hätten Wähler von SP und Grünen stärker Ja stimmen müssen.

Dass nur rund 60 Prozent der SP-Anhänger Ja gestimmt haben, zeigt ein Phänomen, das wir auf nationaler Ebene schon lange kennen. Die SP bekundet bei sozialpolitischen Vorlagen wie der 1:12-Initiative oder beim Mindestlohn manchmal Mühe, die eigenen Leute auf Linie zu bringen.

Warum?

Ihre Wählerschaft reicht heute von ganz links bis in die Mitte hinein. Bei aussen- und migrationspolitischen Vorstössen der SVP hingegen stimmt die SP-Basis diszipliniert, wie es die Partei empfiehlt.

Umgekehrt folgte die FDP-Basis ihrer Partei fast komplett. Wieso?

Bei einer solchen Vorlage ist es für die FDP, die ihr Nein sehr dezidiert vortrug, nicht schwierig, ihre Basis zu überzeugen. Das geschlossene Nein der bürgerlichen Parteianhängerschaften reichte schon, um die Initiative chancenlos zu machen. Sogar wenn Grüne und SP geschlossen Ja gestimmt hätten, wäre sie gescheitert.

Was wäre zu tun, um das Interesse an Abstimmungen zu erhöhen?

Aus demokratietheoretischer Sicht ist es wichtiger, dass jene, die abstimmen, wissen, worum es geht – auch wenn sie nicht alle Details kennen – und sich echt interessieren. Wenn jemand sich für eine bestimmte Sachfrage nicht interessiert, finde ich es okay, wenn er nicht abstimmt.

Aber eine höhere Beteiligung würde ein Ergebnis breiter abstützen.

Natürlich. Die Frage ist, wie man politisches Interesse wecken kann. Das muss sehr früh erfolgen, in der Familie, im Staatskundeunterricht oder im Bekanntenkreis. Je früher das Interesse geweckt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sich später aktiv beteiligt.