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Kanton Aargau
Marianne Binder und Ralf Bucher kämpfen um den zweiten CVP-Sitz. Dabei treffen zwei Politiker aufeinander, die, im Rahmen ihrer Partei, nicht unterschiedlicher sein könnten. Nun bleibt die Frage, wer einen Vorteil aus den Gegebenheiten zieht.
Vor vier Jahren war die CVP im Aargau die grosse Verliererin: Gleich zwei von drei Sitzen im Nationalrat gingen verloren. Seither ist Ruth Humbel die einzige «orange» Vertreterin in Bundesbern.
Nun dürfte sie aber wieder Gesellschaft aus der eigenen Partei bekommen. Die meisten Wahlprognosen weisen darauf hin, dass die CVP am 18. Oktober einen zweiten Nationalratssitz holt. Humbel ist als Bisherige für die grosse Kammer gesetzt. Dass sie in den Ständerat gewählt wird, und so zwei Plätze frei werden, ist indes unwahrscheinlich.
So dürfte es um den zweiten Platz zum B-Duell bei der CVP kommen: Marianne Binder (Baden, Kommunikationsberaterin und Publizistin) gegen Ralf Bucher (Mühlau, Geschäftsführer des Bauernverbands Aargau).
Es ist ein Duell der Gegensätze: Auf der einen Seite die 57-jährige Frau aus der Stadt, die Bundesbern von ihren acht Jahren als Kommunikationschefin der CVP Schweiz schon gut kennt, im Präsidium der nationalen Partei sitzt und damit beste Kontakte in der Classe politique hat.
Auf der anderen Seite steht der 37-jährige Mann vom Land, der sein Wahlplakat auf Siloballen am Strassenrand platziert, die Ringerstaffel Freiamt präsidierte und auf seiner Website einen Wettbewerb mit Natura Beef aus Eigenproduktion veranstaltet, um Wähler anzulocken.
Marianne Binder gehört zu einer Politdynastie. Die «NZZ am Sonntag» vermerkte einst in einer Randspalte: «Die Binders sind im aargauischen Baden, was die Kennedys im amerikanischen Washington.» Die «Schweiz am Sonntag» bezeichnete sie als «pointierte Verkäuferin der Partei» und «begnadete Netzwerkerin».
Binder legt ihren politischen Schwerpunkt auf einen starken Wirtschaftsstandort und einen gesunden Arbeitsmarkt. Dazu gehören für sie der Steuerwettbewerb, der bilaterale Weg, Forschung und Innovation, eine intelligente Energiepolitik, die Verbindung von Ökologie und Ökonomie und die Erhöhung der Kaufkraft für die Familien.
Bucher engagiert sich unter dem Slogan «bodenständig und weltoffen» für eine nachhaltig produzierende Landwirtschaft, das regionale Gewerbe, den Abbau von übermässiger Bürokratie, die Förderung der erneuerbaren Energie und den Sport.
Parteipräsident Markus Zemp, selber ein Freiämter, bezeichnet Bucher als «Machertyp». In seinem Wahlvideo zeigt sich der Kandidat als Bauer mit Kalb im Arm, als Geschäftsführer in Hemd und Anzug, als glücklicher Familienvater, jubelnder Ringer-Präsident und Grossrat am Rednerpult.
Beide sind überzeugte Mittepolitiker, so hält Bucher fest, er sei gegen Extrempositionen, und Binder ist überzeugt, eine Partei wie die CVP habe die Schweiz zum Erfolgsmodell gemacht.
Betrachtet man die Wahlvideos von 2011 – Bucher warf damals Siloballen durch den Aargau, Binder warb mit ihrem CVP-orange gefärbten Hund – haben sich die Positionen kaum verändert.
Dennoch gibt es politische Unterschiede, wie ein Blick auf die Wahlplattform Vimentis zeigt. Gerade bei aktuellen Themen wie Migrations- und Energiepolitik sind sich die beiden nicht einig.
So spricht sich Binder dafür aus, mehr Kriegsflüchtlinge aufzunehmen, Bucher lehnt dies ab. Der Freiämter, der auf dem Stalldach eine Solaranlage installiert hat, möchte die kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) für erneuerbare Energie beibehalten, die Badenerin will sie 2025 abschaffen.
Sie hält die vollständige Liberalisierung des Strommarktes für richtig, Bucher steht dieser Idee kritisch gegenüber. Dafür unterstützt er schärfere CO2- Grenzwerte für Fahrzeuge ab 2020, was Binder wiederum ablehnt.
2011 kandidierten beide schon einmal für den Nationalrat. Bucher landete mit 20 336 Stimmen auf Rang 4, Binder mit 16 821 auf Rang 6. Deshalb hat er auf der Wahlliste der CVP mit Platz 3 die leicht bessere Ausgangslage. Wer das Rennen macht, ist dennoch schwierig vorherzusagen.
Binder hat im bevölkerungsreichen Baden die grössere Wählerbasis, deren Stimmen dürften sich aber auf mehrere aussichtsreiche Kandidaten verteilen. Bucher hat im Freiamt weniger Wählerpotenzial, dürfte aber von der ganzen Region getragen werden.