Amtszeitbeschränkung und Doppelmandate stehen bei den Aargauer Grünen schon länger zur Debatte. Doch nach der Affäre Geri Müller sind diese zwei Themen noch delikater geworden. In den Parteireihen gibt man sich entsprechend zurückhaltend.
Dreimal in Folge eroberte er einen Sitz im Nationalrat: Geri Müller ist der Erfolgsgarant der Aargauer Grünen. Nach 2003, 2007 und 2011 könnte 2015 der vierte Wahlerfolg folgen. Doch ob der 53-Jährige nochmals antreten wird, ist offen. Diese Woche signalisierte Geri Müller auf Tele M1 erstmals, er mache sich Gedanken über einen Rücktritt: «Bei mir ist dieser Prozess im Gang.» Vor rund einem halben Jahr fiel die Antwort noch deutlich klarer aus: «Ich trete wieder an», stellte Müller damals gegenüber der «Aargauer Zeitung» klar.
Entscheidet er sich für einen Rücktritt als Nationalrat, dürfte sich damit die aktuelle brisante Konstellation für die Partei entschärfen. Denn zwei Themen sind unter den Aargauer Grünen schon länger umstritten: Amtszeitbeschränkung und Doppelmandate. Beide Fragen lassen sich derzeit allerdings nicht mehr losgelöst von der Person Geri Müller diskutieren. Entscheiden sich die Grünen für eine Einschränkung der Amtszeit oder ein Verbot von Doppelmandaten, hat das unmittelbare Konsequenzen für ihr erfolgreichstes Mitglied.
Entsprechend vorsichtig äussern sich die Parteivertreter auf Anfrage – wenn sie sich überhaupt äussern. Niemand will sich dem Verdacht aussetzen, den eigenen Nationalrat anzugreifen, der sich wegen der «Selfie-Affäre» in einer schwierigen Lage befindet. «Heikel» sei es zurzeit, über diese Fragen zu sprechen, heisst es. Die Aargauer Parteizentrale äussert sich derzeit weder zu den anstehenden Nationalratswahlen noch zur Frage der Amtszeitbeschränkung. Die Diskussionen würden nicht öffentlich geführt, sagt Parteisekretär Gregor Zimmermann.
Eine Beschränkung der Amtszeit ist innerhalb der Partei immer wieder ein Thema. Der Vorstand beschloss Anfang Jahr, diese Frage parteiintern klären und der Basis einen Vorschlag vorlegen zu wollen. «Wir stehen mitten im Prozess», sagt Präsident Jonas Fricker. Oft sei es noch nicht zu konkreten Fällen gekommen, bisher habe man jeweils das Gespräch und «die beste Lösung für alle» gesucht.
Eine begrenzte Amtszeit kennen die Genfer Grünen: Sie hat Folgen für ihren Nationalrat Ueli Leuenberger, nächstes Jahr ist Schluss – nach 12 Jahren. Wie Geri Müller wurde auch Leuenberger 2003 in die grosse Kammer gewählt. Die Schweizer Grünen kennen allerdings genauso wenig eine Amtszeitbeschränkung wie die Aargauer Grünen. Bisher schränkt von den grossen Kantonalparteien nur die SP die Amtsdauer ein.
Keinen Handlungsbedarf sieht Grossrätin Irène Kälin: Wenn ein Parlamentarier sein Amt gut ausübe, könne er auch mal eine Legislatur mehr machen. «Probleme mit Sesselklebern kennen wir nicht. Eine Amtszeitbeschränkung wäre deshalb eine Überregulierung.»
Allerdings gibt es bei den Aargauer Grünen durchaus Stimmen, die eine obere Limite fordern. Grossrätin Monika Küng spricht sich offen für eine entsprechende Regelung aus: «Eine Beschränkung der Amtszeit auf 12 Jahre finde ich gut. Das wäre auch eine Variante für die Grünen im Aargau.»
Küng bedauert, dass Patricia Schreiber, ihre Favoritin auf die Nachfolge Müllers im Nationalrat, nicht nachrücken konnte und sich nun ganz aus der Politik verabschiedet hat. «Ein herber Verlust.» In Bern habe es eher zu wenige Frauen. «Eine Frau mehr für die Grünen und den gesamten Nationalrat wäre gut gewesen.» Schreiber, die bei den Wahlen 2011 auf dem zweiten Platz gelandet war, ist kürzlich aus dem Grossen Rat zurückgetreten.
Eine ähnliche Situation wie nun erlebten die Aargauer Grünen bereits 1999: Damals trat ihr Nationalrat Hanspeter Thür nach fast 12 Jahren Amtszeit ab. Seiner Nachfolgerin Katrin Kuhn blieb rund ein halbes Jahr bis zu den Wahlen im Oktober – zu kurz um vom Bisherigen-Bonus zu profitieren. Die Grünen verloren ihren einzigen Sitz. Katrin Kuhn wäre aufgebaut gewesen, sagt Monika Küng. «Die Grünen Bezirk Bremgarten hätten sich damals gewünscht, dass sie früher nachgerutscht wäre.»
Hanspeter Thür sagt, die Verantwortung für die Wahlniederlage 1999 trage die damalige Partei. Sein Angebot, nochmals anzutreten, um den Sitz zu retten, habe diese abgelehnt. «Ich hätte meine Bekanntheit in die Waagschale werfen können und wäre dann spätestens in der Mitte der Amtszeit zurückgetreten.» Ob er den Sitz hätte behalten könne, sei allerdings ungewiss, da bereits 1995 den Grünen nur das letzte Restmandat zufiel. Plus/minus zwölf Jahre hält Hanspeter Thür für die richtige Länge einer Amtszeit. «Ich habe bei den Grünen keine Angst, dass jemand deutlich länger bleiben will», sagt Thür. «Sture Regeln sind im konkreten Fall oftmals falsch.»
Die Vorbereitungen auf das Wahljahr 2015 laufen bereits. Das Wahlgewinnteam hat die Arbeit aufgenommen. Die Kandidierenden werden aber erst im nächsten Jahr aufgestellt. Wer allenfalls den einzigen Sitz Grünen erben könnte, ist offen. Susanne Hochuli, Regierungsrätin und prominenteste Grüne, jedenfalls sagte kürzlich im Interview mit der «Schweiz am Sonntag»: «Ich bin extrem gern Regierungsrätin und alles andere als amtsmüde.»