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Christoph Blocher sprach gestern Abend beim «Forum für Weltoffenheit und Souveränität». Er zeigte sich sicher: Die EU wird die bilateralen Verträge auch nicht kündigen, wenn das Schweizer Stimmvolk die Masseneinwanderungs-Initiative der SVP annimmt.
Vor fast genau 20 Jahren, ein Jahr nach der EWR-Abstimmung, wurde im Aargau Perspective CH gegründet. Der von Unternehmer Otto. H Suhner präsidierte Verein versteht sich als ein «Forum für Weltoffenheit und Souveränität». Das soll heissen: Man setzt sich ein für eine Politik, die alternative Wege zur Politik von Bundesrat und Parlament aufzeigt, die früher oder später auf einen EU-Beitritt ausgerichtet sei.
Die Ausgangslage für die grosse Jahrestagung am Mittwochabend in Suhr: Mit den «Bilateralen III», den Verhandlungen über eine institutionelle Annäherung zwischen der Schweiz und der EU, strebe der Bundesrat faktisch den EWR-Beitritt an (Otto Suhner schreibt und spricht tatsächlich von EWR, nicht EU). Es steht also eine Neuauflage des Abstimmungskampfes von 1992 bevor.
Suhner projizierte ein Bild des damaligen Aargauer Gegner-Komitees in den Bärenmattesaal. Man bekam tatsächlich das Gefühl: Geändert hat sich eigentlich nur, dass Ulrich Giezendanner damals noch ein Toupet trug und Luzi Stamm noch eine Glatze hatte.
Mit Energie und Kampfgeist
Auch der grosse Kämpfer von damals zieht noch einmal ins Feld. Als Gastreferent für den Abend wurde Christoph Blocher gewonnen. Man versuchte schon oft, ihn abzuschreiben, aber er hat nicht an Anziehungskraft und wie es scheint trotz seinen doch schon 73 Jahren auch kaum an Energie und Kampfgeist verloren.
Der Bärenmattesaal – er fasst bei Bankettbestuhlung bis 600 Gäste – war bis fast auf den letzten Platz besetzt und Blocher kam immer mehr in Fahrt, je länger er redete. Kritisieren kann man vielleicht, dass er etwas gar schnell ins Kalauerhafte abgleitet. Das klingt dann etwa so: In Bern sprechen sie jetzt nicht mehr von Sanktionen, sondern von Ausgleichsmassnahmen, falls die Schweiz EU-Recht nicht übernehmen will. Wenn man eine Busse nicht bezahlt und stattdessen ins Gefängnis geht, das ist eine Ausgleichsmassnahme.
Das ist vielleicht etwas gar salopp, aber es ist die Sprache, die jeder versteht und hebt erst noch die Stimmung. Ebenso die anschauliche Erklärung, warum man dem Druck aus Brüssel widerstehen muss: Es ist wie bei pubertierenden Kindern, die machen auch Druck. Gibt man nach, kommen sie nicht um Mitternacht, sondern erst am Morgen nach Hause.
Die Unabhängigkeit in Gefahr
Das gibt Lacher und Applaus. Und die trockenere politische Kernbotschaft ist schliesslich auch nicht abendfüllend: Bei der institutionellen Annäherung steht die tragende Säule der Eidgenossenschaft auf dem Spiel: ihre Unabhängigkeit. Die Wahrung dieser Unabhängigkeit ist oberstes Verfassungsgebot.
Verpflichtet sich das Land, EU-Recht zu übernehmen, gibt es diese Unabhängigkeit aber auf. Wie vor 21 Jahren in der EWR-Abstimmung wird es letztlich um die Frage gehen, ob die Schweiz auf den EU-Beitritt zusteuert. Darum kommt nur ein Nein infrage, denn sonst würde die wichtigste Säule eingerissen, auf der das Land steht.
Die Frage nach der Zukunft der bestehenden bilateralen Verträge war schnell geklärt: Die Schweiz würde auch nicht untergehen, falls die EU die Verträge tatsächlich kündigen sollte. Aber sie wird sie nicht kündigen, also auch Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative der SVP am 9. Februar. Aus den Reihen des «Forums für Weltoffenheit und Souveränität» war kein Widerspruch zu vernehmen.
Für Präsident Otto Suhner ist klar: «Christoph, dich braucht es noch lange in Bern.» Als Geschenk auf den Weg gabs einen Winkelschleifer. Abwegig? Nicht unbedingt. Christoph Blocher hätte jedenfalls durchaus eine Idee, wem im Bundeshaus er damit was schleifen könnte.