Kommentar
Der Aargau: Wird aus dem SVP-Kanton eine SP-Hochburg?

Bei den Einwohnerratswahlen vom Sonntag haben die Sozialdemokraten Wähleranteile erobert, die sogar die Genossen in den linken Grossstädten Zürich und Bern in den Schatten stellen. Woran liegts?

Patrik Müller
Drucken
Bei den Einwohnerratswahlen fand ein Linksrutsch statt. Verändert sich die politische Landschaft im Kanton?

Bei den Einwohnerratswahlen fand ein Linksrutsch statt. Verändert sich die politische Landschaft im Kanton?

Keystone

In Bundesbern bezeichnet man den Aargau gern als „SVP-Kanton“. Fast die Hälfte der Aargauer Nationalratsdelegation gehört der SVP an, und bei eidgenössischen Abstimmungen votiert unser Kanton meist konservativer als der Rest der Schweiz.

Darum werden viele staunen über die Gemeindewahlen: Die SP hat am Sonntag einen Triumph eingefahren und die SVP in den Aargauer Einwohnerräten als stärkste Partei abgelöst. Die Sozialdemokraten gewannen insgesamt 13 Sitze dazu, während die SVP 16 verlor. Das ging etwas unter im bürgerlichen Jubel über die Rückeroberung der prestigeträchtigen Stadtpräsidien von Baden (durch Markus Schneider/CVP) und Aarau (Hanspeter Hilfiker/FDP), für die es lokale Erklärungen gibt. Bei den Wähleranteilen räumte die SP von Aarau bis Wohlen ab. In Windisch erreichte sie den fabelhaften Wert von 45 Prozent, mit dem sie sogar die Genossen in ihren nationalen Hochburgen Bern und Zürich in den Schatten stellt.

Ist der Aargau vom SVP- zum SP-Kanton geworden? Ja: In den Gebieten, die städtisch geprägt sind und über einen Einwohnerrat verfügen. Nein: In den ländlichen Gegenden. Hier dominiert nach wie vor die SVP. Beispiel Lengnau im Zurzibiet: Hier stellt die SVP erstmals den Ammann und den Vizeammann.

Die Polarisierung zwischen linker Stadt und rechtem Land ist ein europäisches, ein schweizerisches und nun auch ein aargauisches Phänomen. Und: Stadt meint nicht mehr nur Aarau und Baden, sondern auch Buchs und Obersiggenthal. Allerdings ist die SP auch gesamtkantonal im Aufwind, wie die Grossratswahlen vor einem Jahr zeigten. Die Linken profitieren vom wachsenden Unmut über die Spar-Politik. Wenn der Grosse Rat am Dienstag das Budget berät - beantragt sind Kürzungen in der Kultur - wird die Linke mit neuem Selbstbewusstsein dagegen antreten können.