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In der SP Aargau kommt es am Parteitag zum Showdown zwischen Cédric Wermuth und Yvonne Feri. Viele SP-Mitglieder stehen in einem Loyalitätskonflikt, vor allem wegen der Frauenfrage. Ein Einblick in die interne Ausmarchung um die Ständeratsnomination.
Er gehe locker in den Parteitag, sagt Cédric Wermuth. Und meint: «Auch einen Entscheid für Yvonne Feri würde ich zu hundert Prozent mittragen.» Wermuth hat guten Grund für seine momentane Lockerheit. Mit wem man auch spricht in der SP Aargau: Dem 32-jährigen Nationalrat aus Zofingen wird zurzeit eher zugetraut, eine Mehrheit der SP-Delegierten für sich zu gewinnen als seiner internen Konkurrentin Yvonne Feri, der 52-jährigen Nationalrätin aus Wettingen.
Insgesamt sei es schwierig einzuschätzen, sagt Wermuth, aber: «Die Rückmeldungen bisher sind gut.» Rund 200 Personen sind nach eigenen Angaben Wermuths Aufruf «Unterstütze meine Ständeratskandidatur» bisher gefolgt. Eine Ständeratskandidatur, die eigentlich noch gar keine ist. Denn nominieren wird die SP Aargau erst am 26. September an ihrem ausserordentlichen Parteitag.
Anfang August hatte Wermuth seine Ständeratsambitionen angemeldet. Seither ist er noch präsenter als ohnehin schon und drauf und dran, Feri die Show zu stehlen. Dabei hatte die Nationalrätin die Ständeratsbühne in den letzten Monaten für sich. Schon kurz nach Pascale Bruderers Rücktrittsankündigung Anfang Jahr hatte Feri öffentlich ihr Interesse am Ständeratssitz angemeldet. Doch Feris früher Schritt hat ihr offenbar keinen Vorteil gebracht, im Gegenteil: Ihr «Vorpreschen», wie es interne Kritiker nennen, haben einige Genossen nicht goutiert. Yvonne Feri sagt heute dazu: «Aufgrund der teils negativen Rückmeldungen halte ich mich jetzt noch etwas mehr zurück.»
Sinnbildlich dafür ist der Auftritt auf ihrer Website. Während bei Wermuth den Lesern ein prominentes Werbefenster für seine Ständeratskandidatur entgegenspringt, erscheint bei Feri der Slogan «Yvonne Feri, Ihre Nationalrätin, Ihre Stimme». Feri erklärt, sie mache erst Wahlkampf, wenn sie nominiert sei und in Absprache mit der Parteileitung. «Vorher gehört sich das meines Erachtens nicht.» Im Hinblick auf den Parteitag meint Feri: «In der SP kennt man Cédric und mich ja gut. Die Partei kann sich glücklich schätzen, dass sie zwischen zwei, so wie ich meine, guten Kandidaturen auswählen kann.»
Die Auswahl stellt die einen oder anderen SP-Mitglieder allerdings vor einen Loyalitätskonflikt. «Es ist eine schwierige Ausgangslage», sagt Viviane Hösli, Co-Präsidentin der SP Frauen Aargau: «Es ist eine gewisse Zerrissenheit spürbar. Man will niemanden vor den Kopf stossen, vor allem auch Frauen tun sich schwer, sich zu entscheiden, und scheuen den parteiinternen Konflikt noch.»
SP-Grossrätin Kathrin Scholl, die das Komitee für Feris Ständeratsnomination leitet, bestätigt das. Auch «ich spüre da eine gewisse Zerrissenheit». Es seien zwei gleichwertige, aber doch sehr unterschiedliche Kandidaten, meint Scholl. «Es ist für einige Leute in der Partei deshalb nicht einfach, sich zu entscheiden.»
Ausgerechnet bei der Geschlechterfrage tut sich die Partei schwer. Redet die SP generell der Frauenquote und Frauenförderung das Wort, ist das bei der Ständeratsnomination etwas komplizierter. Wermuth legitimiert seine Kandidatur mit dem Argument, er vertrete eine junge Generation von Männern, die mehr Verantwortung für die Gleichstellung übernehmen müsse. Und er findet, die SP Aargau müsse sich «in Sachen Frauenförderung nichts vorwerfen lassen». Die SP habe in den letzten 15 Jahren mehr Frauen nach Bern geschickt als Männer, im Ständerat habe acht Jahre eine Frau für die SP gesessen. Da würde es jetzt auch wieder einmal einen Mann als Kandidaten vertragen.
Yvonne Feris Polit-Karriere in Bildern:
Kathrin Scholl dagegen plädiert dafür, sich bei zwei gleichwertigen Kandidaturen für die Frau zu entscheiden. «Man kann nicht immer nur von Frauenförderung reden, es müssen auch Taten folgen. Jetzt haben wir die Chance dazu.» Feri selber meint, das Frauenargument sei zwar nicht das einzige, aber doch ein wichtiges, gerade im «Frauenjahr», das die SP Schweiz ausgerufen habe, und mit Blick auf die tiefe Frauenvertretung im Ständerat. Gerade mal bei 15 Prozent liege dort der Frauenanteil, kritisiert Scholl.
Kein Thema ist die Frauenfrage bei den Juso Aargau, die für Wermuth werben. Dass die Juso Partei für ihren ehemaligen Chef nehmen, ist naheliegend. Wermuth steht der Jungpartei mit ihren Anliegen auch heute noch näher als Yvonne Feri. Diese stelle sich, so Co-Präsident Sandro Covo, zum Beispiel offen gegen ihre 99-Prozent-Initiative (stärkere Besteuerung von Kapitaleinkommen). Wermuth dagegen unterstützt das Anliegen.
Sukkurs bekommt Unia-Mitglied Wermuth auch vom Gewerkschaftsflügel in der SP, wo die Geschlechterfrage ebenfalls untergeordnet wird. Für Florian Vock, Präsident des Aargauischen Gewerkschaftsbundes, ist wichtig, dass die Gewerkschaften und die SP eng zusammenarbeiten. Wermuth sei ein Garant dafür. Vock traut Wermuth zudem eher zu, «die Partei vorwärtszubringen und Leute zu begeistern».
Auch im Feri-Lager wird Wermuth eine grosse Strahlkraft in der eigenen Partei attestiert, aber dafür weniger zugetraut, bei einer Ständeratswahl zu reüssieren. Die SP Frauen schrieben das zwischen den Zeilen in ihrem Communiqué. Yvonne Feri habe «reelle Wahlchancen», hiess es da. Und: «Dass die SP-Nationalrätin weit über die linke Wählerschaft Stimmen abholen kann, hat sie nicht zuletzt im Regierungsratswahlkampf bewiesen.» Co-Präsidentin Hösli sagt auf Nachfrage: «Ich bin überzeugt, dass Yvonne Feri die grösseren Chancen hätte, zur Ständerätin gewählt zu werden.» Scholl streicht zudem Feris «breiteren politischen Horizont» heraus, den sie unter anderem mit ihrer Exekutiverfahrung als Gemeinderätin von Wettingen mitbringe.
Feri wie Wermuth werden als etwa gleich links eingestuft, Wermuth gilt aber ausserhalb der SP eher als rotes Tuch. «Ja, mich haben nicht alle gern», weiss Wermuth, «aber ich kann dafür eine grosse Mobilisierungskraft entwickeln und klare Standpunkte mit einer klaren Sprache vermitteln.» Die Wermuth-Unterstützer schöpfen vor allem Hoffnung, mit der Mobilisierung des linken Lagers und Neuwählern durchzukommen, nachdem jetzt auch der zweite Ständeratssitz mit Philipp Müllers Rücktritt frei wird.
Cédric Wermuths Karriere in Bildern:
Barbara Kunz-Egloff, Präsidentin der SP Bezirk Zofingen, von der Wermuth offiziell ins Rennen geschickt wird, ist überzeugt, dass er gegenüber Feri keinen Nachteil hätte bei einer Volkswahl. «Beide sind profiliert und stimmen bei Sachabstimmungen praktisch identisch ab.» Cédric Wermuth vertrete klare Positionen und weiche nicht von seiner Linie ab. Es gelinge ihm aber auch, Mehrheiten zu schmieden, sagt Kunz-Egloff und kündigt an: Mit den rund 30 Stimmen der Zofinger Delegierten könne Wermuth am Parteitag rechnen.
So klar, wie es in Zofingen scheint, ist die Sache insgesamt aber noch nicht, trotz gefühltem Vorsprung von Wermuth. Zu unberechenbar ist das Wahlprozedere. Gemäss Statuten kann jede der 70 Aargauer SP-Sektionen zwei oder je nach Grösse mehr Delegierte schicken. Wer das ist, weiss man kaum im Voraus. «Man kann die Delegierten nicht systematisch ansprechen», sagt Feri-Komiteeleiterin Scholl. «Aufgrund des Datenschutzes kennen wir die konkreten Namen nicht.» Es führe kein Weg daran vorbei, mit den Leuten in den Sektionen persönlich zu reden, zu telefonieren und sie zu überzeugen, ihre Delegierten für die Nomination von Yvonne Feri zu motivieren. Hösli sieht da «einen gewissen Startvorteil» für Wermuth, weil er als ehemaliger Parteipräsident besonders gut vernetzt sei.
«Tatsächlich kenne ich die meisten der aktiven Mitglieder persönlich», sagt Wermuth. «Genau dieses breite Netz ist meine Stärke.» Gleichzeitig beteuert er, keinen Zugang zu Delegiertendaten zu haben. «Ich habe in den Jahren als Co-Präsident bewusst keine persönliche Adresskartei geführt.» Was er aufgrund seiner Funktion noch an Daten gehabt habe, sei gelöscht.
Trotz der «Zerrissenheit», welche das Duell Feri versus Wermuth parteiintern ausgelöst hat, gibt sich SP-Frauen-Vertreterin Viviane Hösli zuversichtlich, dass sich «keine grundsätzlichen Gräben über die Nomination hinaus bilden werden». Auch Feri ist wichtig, dass «die Partei keinen Schaden nimmt».
Und was können die beiden Kandidaten im Hinblick auf den Parteitag am übernächsten Mittwoch jetzt noch tun? Die SP-Frauen wollen sich gemäss Hösli für Yvonne Feri «nochmals ins Zeug legen». Wie, werden sie bei einem Treffen am Samstag diskutieren. Wermuth kündigt keine weitere spezielle Ständeratsaktion an, hat aber dafür gesorgt, dass er in den nächsten Tagen in den Schlagzeilen bleibt. Am Dienstag kommt es auf Einladung seiner SP Zofingen zu einem Männer-Gipfel: Wermuth duelliert sich dort auf einem Podium zum Thema Schweiz - Europa mit SVP-Nationalrat und «Weltwoche»-Chef Roger Köppel.