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Kanton Aargau
Derzeit gibt es im Kanton Aargau doppelt so viele Stellensuchende wie sonst. Dabei sind vor allem jüngere Menschen betroffen.
5019. So viele Menschen haben sich seit dem Ausbruch der Coronakrise Mitte März im Kanton als stellensuchend gemeldet (Stand 29. April). Das sind doppelt so viele wie in «normalen» Zeiten. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum im vergangenen Jahr meldeten sich 2538 Menschen als stellensuchend.
Es sind vermehrt jüngere Menschen, die in der Krise ihren Job verlieren. Knapp einen Drittel aller Personen, die seit Mitte März als stellensuchend gemeldet sind, sind zwischen 20 und 30 Jahre jung. Im selben Zeitraum im vergangenen Jahr betrug der Anteil dieser Altersgruppe noch 22 Prozent. Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Denn zum einen sind noch nicht alle Erstgespräche geführt – erst dort werden die Daten der Stellensuchenden komplettiert. Zum anderen werden die Gründe für die Kündigungen gar nicht erfasst.
Giovanni Pelloni, stellvertretender Leiter des Amts für Wirtschaft und Arbeit, hat allerdings einige Vermutungen: «Jüngere Menschen arbeiten vermehrt Teilzeit oder in einem Praktikum. Solche Stellen werden in Krisenzeiten wohl als Erstes gekündet.» Weiter würden gerade im Verkauf und im Service vermehrt jüngere Menschen arbeiten. Zudem, vermutet Pelloni weiter, hätten sich wohl einige Lehrlinge, die im Sommer ihre Lehre abschliessen und keine Anschlusslösung in Aussicht haben, bereits vorsorglich als stellensuchend angemeldet. Und eine weitere mögliche Erklärung sei, dass Arbeitgeber eher einer jüngeren Person künden würden als einer langjährigen Arbeitskraft.
Schlüsselt man die Zahlen nach Branchen auf, so sind Bürokräfte und Hilfsarbeiter in der Warenproduktion am stärksten betroffen. Beides sind Sammelbegriffe für zahlreiche Berufe, schon allein deshalb dürfte die Zahl in dieser Sparte so hoch sein. Dann folgen mehrere Berufe aus dem Dienstleistungssektor: Verkäufer, Reinigungspersonal, Köche, Servicepersonal.
Pelloni sieht aber auch einen ersten Silberstreifen am Horizont: Während in den ersten Wochen nach Ausbruch der Krise die Zahl der Stellensuchenden noch sehr hoch war, ist die Welle in den vergangenen Tagen leicht abgeflacht. Ob dies aber auf einen Trend hinweise, oder aber nur eine Momentaufnahme sei, um dies zu beurteilen, sei es noch zu früh. «Wir sind gespannt, welchen Einfluss die ersten Lockerungen nun auf die Arbeitslosenzahlen haben werden», so Pelloni.
Derweil haben die sieben Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) im Aargau alle Hände voll zu tun. «Wir haben mit einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen gerechnet, aber das Ausmass liess uns dann doch leer schlucken», sagt Isabelle Wyss, Leiterin Arbeitsmarktliche Integration beim Kanton Aargau. Trotz hohen Fallzahlen laufen die Neuaufnahmen ruhig und geordnet ab: «Unsere Mitarbeitenden stellen fest, dass die Klienten vermehrt ihre Dankbarkeit ausdrücken», berichtet Wyss. «Man merkt jetzt, wie gut es ist, ein Auffangnetz zu haben. Ganz grundsätzlich scheinen die Menschen ihre Arbeitslosigkeit im Moment besser als sonst zu akzeptieren. Wo zu normalen Zeiten in den Gesprächen oftmals noch Wut gegenüber den ehemaligen Arbeitgebern spürbar ist, herrscht jetzt eher Verständnis – man kann dem Virus die Schuld geben.»
Normalerweise gibt es enge Vorgaben, die zu beachten sind, wenn jemand Arbeitslosengelder bezieht. Es wird beispielsweise eine gewisse Anzahl Bewerbungen pro Monat verlangt. «Hier gehen wir mit Augenmass vor», sagt Isabelle Wyss. «Der Arbeitsmarkt in der Gastrobranche ist mit dem Lockdown eingebrochen. Es wäre absurd zu verlangen, dass sich Klienten in der Gastronomie intensiv bewerben.»
Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) beschäftige sich derzeit mit möglichen Vollzugserleichterungen, an denen sich die Arbeitsvermittlungszentren orientieren können. «Es ist eine Gratwanderung», sagt Wyss. «Wir müssen auf der einen Seite möglichst die gesetzlichen Vorgaben einhalten. Auf der anderen Seite möchten wir aber auch den Bedürfnissen der Stellensuchenden gerecht werden. Im Moment ist sowohl das eine wie das andere auf Grund der sehr grossen Menge an Neuanmeldungen selbst mit sehr vielen Überstunden gar nicht bewältigbar.»
Isabelle Wyss rechnet nicht damit, dass sich der Arbeitsmarkt dieses Jahr noch erholt. Deshalb ist eine Personalaufstockung bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren unabdingbar. Derzeit werden zusätzliche RAV-Personalberaterinnen und -berater rekrutiert. Eine eigentliche Ausbildung spezifisch dafür gibt es nicht. Laut Isabelle Wyss kommen Personalberatende aus den unterschiedlichsten Branchen. Das Gesetz verlangt zwar den HR-Fachausweis, aber: «Diesen kann man bei uns auch nachholen. Wichtiger ist, dass die Person zu uns passt und weiss, worauf sie sich einlässt.»
Die RAV haben den gesetzlichen Auftrag, die Menschen wieder in ihren angestammten Beruf zu integrieren. Wer die Krise für eine Umschulung nützen will, muss sich also selber bemühen. Wyss: «Ich würde diesen Klienten raten, sich wieder eine Teilzeitstelle im angestammten Beruf zu suchen und sich nebenbei nach und nach neu zu orientieren.»