Pandemie
Corona-Shutdown: Ein letztes Mal in die Beiz oder in den Lieblingsladen in Baden und Aarau

Das Restaurant schliesst, die Schule ist bereits zu und viele Menschen können heute nicht mehr arbeiten. Unterwegs am Montag in Aarau und Baden.

Noemi Lea Landolt, Stefania Telesca
Drucken
Situation nach dem Corona-Shutdown: Wie sieht es in der Stadt Baden aus?
10 Bilder
Der Schlossbergplatz ist trotzd "Social-Distancing"-Regel rege besucht.
Einige Gäste geniessen noch einen Drink vor dem Mr. Pickwick's (Piwi) einen Tag bevor Geschäfte, Restaurants undBars schliessen.
In der Bahnhofsunterführung merkt man nicht viel von Social Distancing.
Die Apotheke am Schlossberg hat keine Masken mehr.
Baden nach dem Shutdown am 16. März 2020
Die Weite Gasse einen Tag bevor die Geschäfte und Restaurants schliessen.
Humor muss sein: Aushang im Whisky-Laden Cadenheads.

Situation nach dem Corona-Shutdown: Wie sieht es in der Stadt Baden aus?

Sandra Ardizzone

Eine halbe Stunde, bevor der Bundesrat am Montag die Notlage ausrufen wird, sitzen drei Männer in Baden um einen Tisch und essen einen Kebab. Auch vor der Bäckerei Moser geniessen rund ein Dutzend Menschen die Sonne. Den Abstand von zwei Metern hält kaum jemand ein. Anstatt dem Plakat des Bundesamtes für Gesundheit mit den Verhaltensregeln gilt die Aufmerksamkeit der Passantinnen und Passanten an der Badstrasse viel mehr den Turnschuhen und Jacken vor den Geschäften. Noch sind sie offen.

Ein Mann hat WC-Papier eingekauft. Er trägt gleich zwei grosse Packungen unter dem Arm. Selbst für eine Grossfamilie reicht der Vorrat länger als eine Woche. Der Mann ist nicht der Einzige, der vorgesorgt hat. Im Coop am Bahnhof Baden ist das Regal mit dem Toilettenpapier leer geräumt. Dabei gibt es keinen Grund für solche Hamsterkäufe. Der Bundesrat hat am Montag noch einmal betont, dass die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten weiterhin sichergestellt ist – trotz Notlage. Das scheinen die Menschen nicht ganz zu glauben.

Der Reis aus Norditalien ist ein Ladenhüter

Auch in den Lebensmittelregalen klaffen Lücken. Frischbackbrot und Toast, Cracker und Müesli, Honig und Konfi scheinen besonders beliebt zu sein. Die chinesischen Nüdeli hingegen bleiben im Regal. Der Camolino-Reis aus Norditalien und die Barilla-Teigwaren ebenso. Das Regal mit den Havelaar-Fruchtsäften «Every Day Boost» und «Every Day Protect» hingegen ist leer. Über eine Lautsprecherdurchsage wird die Kundschaft daran erinnert, Abstand zu halten und die Stopplinie an den Kassen zu beachten.

Auch in der Aarauer Altstadt sieht es um 16 Uhr noch so aus, als hätten die Passanten von der anstehenden und verspäteten Pressekonferenz des Bundesrates nichts mitbekommen. In der Igelweid geniessen Mütter, Väter, Kinder und Rentner die letzten, wärmenden Sonnenstrahlen des Tages. Auf dem Spielplatz drehen noch immer Kinder auf dem Kreisel ihre Runden. Einzig ein Blick auf die Gemüseregale von Coop erinnert daran, dass sich die Menschen in Zeiten der Unsicherheit weiterhin mit Lebensmitteln einzudecken scheinen. Die grünen Plastikkisten sind wie leergefegt.

Doch als die Bundesräte um 17 Uhr in Bern den Medienraum betreten, bleiben in der Altstadt plötzlich viele Menschen stehen und schauen auf ihr Handy. Mit Kopfhörern oder über Lautsprecher hören die Aarauerinnen und Aarauer den ernsten Worten von Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga zu. Das, worüber die letzten 24 Stunden gemunkelt wurde, tritt ein. Ab Mitternacht werden die sozialen Kontakte in öffentlichen Räumen sowie Freizeitaktivitäten durch den Notstand auf ein Minimum beschränkt. Offen bleiben nur die Läden, die Lebensmittel oder Medikamente verkaufen.

«Filiale bis auf weiteres geschlossen»

Viel Zeit, um dies zu verarbeiten, bleibt niemandem. Nur kurze Zeit nach der Information des Bundesrates kleben die ersten Geschäfte in der Aarauer Altstadt bereits ein Schild an die Türe: «Filiale aufgrund der gesetzlichen Verordnung bis auf weiteres geschlossen.» Im Smokee-Laden an der Laurenzentorgasse tummeln sich kurz vor Ladenschliessung plötzlich zahlreiche junge Frauen und Männer. Sie wollen sich noch mit Liquids eindecken, so lange dies möglich ist.

Die meisten Passanten haben zwar mitbekommen, dass der Bundesrat schweizweit den Notstand ausgerufen hat. So richtig vorstellen, was dies nun für den Alltag und für die sozialen Kontakte bedeutet, kann sich aber niemand.

Er sei auf dem Weg in die Beiz, erzählt ein Mann in der Cordula-Passage in Baden. Es ist das letzte Mal für längere Zeit. Doch das ist ihm nicht bewusst. Er blickt ungläubig. Die neusten Nachrichten sind noch nicht bis zu ihm vorgedrungen. Er wird es spätestens heute merken, wenn er am Abend vor verschlossenen Türen steht.

In einem ganz anderen Film ist der junge Vater mit seinem Sohn an der Hand. Er hat den Kleinen gerade in der Kita abgeholt. Zuvor war er im Spital bei seiner Partnerin. Er ist vor kurzem zum zweiten Mal Vater geworden. Im Moment dürfe er das Neugeborene und die Mutter noch besuchen.

Das Zalando-Päckli kommt noch an

Eine Gruppe Coiffeur-Lehrlinge sitzt vor dem McDonald’s in Baden. Sie können heute nicht mehr arbeiten. Ob die Post weiterhin offen bleibe, wollen sie wissen. Das Ja beruhigt sie. Es heisst: Die Zalando-Päckli werden noch ankommen. Ansonsten wird ihr Leben ziemlich anders sein, als sie es kennen. Eine junge Frau sagt, sie hoffe, es folge nicht noch die Ausgangssperre. So könne sie wenigstens noch nach draussen. Sie lacht: «Sonst kommt meine Mutter noch auf die Idee, dass ich die Fenster putzen könnte.»