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Kanton Aargau
2011 brannte es im Restaurant Burestobe, weil Putzlappen in Brand geraten waren. Schuld gab man einer Mitarbeiterin – das Bundesgericht sieht es nun anders. Tragisch allerdings: Die Beschuldigte ist in der Zwischenzeit verstorben.
Manchmal ist eine Geschichte traurig, obwohl sie gut ausgeht. Diese hier zum Beispiel. Sie beginnt an einem Sonntagabend im April 2011. Kurz nach 19.30 Uhr sieht der Seoner Max Döbeli Rauchschwaden aus dem Dach der benachbarten «Burestobe» aufsteigen. Döbeli hat das Restaurant bis Ende 2004 selber geführt und dann verkauft. Nun ist er es, der die Feuerwehr alarmiert. Diese kommt mit einem Grossaufgebot und tut, was sie kann. Da das Restaurant zum Zeitpunkt des Brandes geschlossen war, wurden keine Personen verletzt. Aber die Flammen zerstören das Obergeschoss komplett, unten in der Gaststube richtet das Löschwasser Schäden an. Sie gingen in die Millionenhöhe, die «Burestobe» war acht Monate zu.
Als ob das nicht schlimm genug gewesen wäre, mussten sich Wirt Jörg Dössegger und seine frühere Partnerin vor Gericht verantworten. Denn die Brandermittler hatten herausgefunden, was das Feuer ausgelöst hatte: Putzmittel mit Leinöl. Damit hatte die Frau im Obergeschoss des Restaurants Wasserflecken von Möbeln entfernt. Wirt Dössegger hatte es ihr gegeben, weil es besonders gut sei. Dössegger selber besass das Mittel schon lange, ein lesbares Etikett war längst nicht mehr darauf.
Die Frau bemerkte zwar den aussergewöhnlich starken Geruch des Mittels und wohl auch dessen Wirksamkeit. Ihr war jedoch nicht klar, dass es Leinöl enthielt – und dass sich dieses selbst entzünden kann. Den putzmittelgetränkten Lappen sowie benutztes Haushaltspapier warf sie in einen Plastikkübel, der auf einem Holzboden im Gang stand. Die Flasche mit dem Putzmittel stellte sie unmittelbar daneben. Und prompt entzündeten sich die Lappen, schliesslich die Flasche, am Ende das halbe Restaurant.
Wegen «fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst» mussten sich Dössegger und die Frau im März 2015 vor Gericht verantworten. Die Bezirksgerichtspräsidentin sprach die beiden schuldig; sinngemäss, weil Unwissen vor Strafe nicht schütze. Die Frau hätte die mögliche Gefahr voraussehen müssen, befand die Richterin.
Beide Angeklagten wurden je zu einer bedingten Geldstrafe, einer Busse und der Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt. Happiger waren die Zivilforderungen der Aargauischen Gebäudeversicherung, die sich an die Frau richteten: 220 000 Franken. Im Gegensatz zu Dössegger zog die Beschuldigte das Verfahren weiter ans Obergericht. Dieses bestätigte im Juli 2016 den Schuldspruch und die Strafe, reduzierte aber die Schadenersatzforderung. Auch dieses Urteil akzeptierte die aus Siebenbürgen stammende Frau nicht, sie gelangte ans Bundesgericht.
Dessen Verdikt erlebt sie jedoch nicht mehr. Die Mittfünfzigerin verstarb Ende 2016, bevor die Richter in Lausanne einen Entscheid fällen konnten. Tragisch: Sie hätte wahrscheinlich Recht bekommen. Das Bundesgericht schrieb das Verfahren zwar als gegenstandslos ab, nahm aber eine sogenannt summarische Prüfung des Falles vor. Denn wenn diese ergibt, dass die Beschwerde beim Bundesgericht begründet gewesen wäre, zahlt die Staatskasse die Anwaltskosten der Frau.
Letzte Woche publizierte das Bundesgericht nun sein Urteil. Es kommt zum Schluss, dass die Frau mit normalen Putzmitteln vertraut gewesen war, nicht aber mit diesem einen. Es entspreche zwar dem Alltagswissen, «dass Putz- und Poliermittel leicht brennbare Substanzen wie Öle, Fette oder Lösungsmittel enthalten», so das Bundesgericht. Aber: Die als Serviceangestellte tätige Frau habe nicht wissen müssen, dass von dem ihr ausgehändigten, immerhin freiverkäuflichen Mittel eine besondere Gefahr ausgehe. Dazu hätte es ein «besonderes Wissen um chemische Zusammenhänge» gebraucht. Die Frau habe nicht «mit einer Selbstentzündung, der mit der Politur getränkten Lappen in einem Eimer rechnen müssen». Vor allem nicht ohne Einwirkung von Hitze oder Licht. Die Frau habe also ihre Sorgfaltspflicht nicht verletzt und wäre laut Bundesgericht «mit überwiegender Wahrscheinlichkeit» freigesprochen worden. Wenn sie noch leben würde.
Für Jörg Dössegger, der die «Burestobe» noch immer führt, ist die Geschichte längst abgeschlossen. «Das Urteil des Bezirksgerichts habe ich akzeptiert und die 200 Franken Busse gezahlt.» Nicht, weil er es richtig gefunden hätte – «Ich wollte da einfach nicht noch viel Geld und Zeit in den Rechtsstreit stecken.» Den Schaden habe die Gebäudeversicherung vollständig bezahlt.
Dössegger, der den ganzen Fall als «lachhaft» bezeichnet, war von der Unschuld seiner Exfreundin immer überzeugt: «Für mich war klar, dass sie nichts dafür konnte. Gut, dass das Bundesgericht dies jetzt noch bestätigt hat.» Die «Burestobe» ist wieder aufgebaut und läuft. «Aber es ist schon nicht mehr so wie früher», sagt der Wirt. Der Brand und der Rechtsstreit hätten ihm viel von seinem Elan genommen.