Bundesgericht
IV-Rentner muss 220'000 Franken zurückzahlen – er hatte jahrelang simuliert und die Aargauer Behörden getäuscht

Ein heute 63-jähriger Mann hat den Behörden gesundheitliche Beschwerden nach einem Autounfall nur vorgespielt. Nach einem Gutachten und einer Observation stellte sich heraus, dass der langjährige IV-Rentner ein Simulant ist. Das Bundesgericht verpflichtet ihn zu einer Rückzahlung von gut 220'000 Franken.

Fabian Hägler
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Nach einer Observation zeigte sich, dass ein Aargauer IV-Bezüger simulierte und Beschwerden nur vorspielte, um eine Rente zu erhalten.

Nach einer Observation zeigte sich, dass ein Aargauer IV-Bezüger simulierte und Beschwerden nur vorspielte, um eine Rente zu erhalten.

Symbolbild: Ennio Leanza / Keystone

Nach einem Autounfall im Sommer 2004 erhielt ein damals 46-jähriger Aargauer eine ganze IV-Rente zugesprochen. Sowohl die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva) als auch der Regionale Ärztliche Dienst (RAD) und die Aargauer IV-Stelle kamen damals zum Schluss, dass der Mann nach dem Unfall zu 100 Prozent arbeitsunfähig war. An dieser Einschätzung änderte sich auch bei einer Überprüfung im Jahr 2009 nichts, wie aus einem aktuellen Bundesgerichtsurteil hervorgeht.

Weitere vier Jahre später leitete die Aargauer IV-Stelle ein Revisionsverfahren ein und liess den Mann umfassend begutachten. Er wurde durch die Basler Firma ABI (Ärztliches Begutachtungsinstitut GmbH) allgemeinmedizinisch, psychiatrisch, orthopädisch und neurologisch untersucht. Im Rahmen der Abklärungen ergab sich der Verdacht, dass der Mann seine IV-Rente zu Unrecht bezog.

Observation führte zur rückwirkenden Einstellung der IV-Rente

Später liess die IV-Stelle den Mann zwischen dem 20. April und dem 11. August 2016 an insgesamt elf Tagen observieren. Schliesslich erliess die IV-Stelle im Februar 2017 eine Verfügung gegen den Mann und stellte dessen Invalidenrente rückwirkend per 1. Juli 2005 ein. Gegen diesen Entscheid wehrte sich der Betroffene vergeblich: Sowohl das Aargauer Versicherungsgericht als auch das Bundesgericht wiesen seine Beschwerde gegen die Streichung der IV-Rente im Jahr 2019 ab.

Nach jenem Urteil forderte die IV-Stelle die Rentenzahlungen, die der Mann zwischen Juli 2005 und Oktober 2016 erhalten hatte, von ihm zurück. Diese belaufen sich auf einen Betrag von 220'404 Franken – doch der Betroffene akzeptierte die Rückforderung nicht und wehrte sich dagegen mit Beschwerden bis nach Lausanne.

Rückzahlung über den ganzen Zeitraum – keine verjährten Forderungen

Erfolg hat er damit aber nicht: Das Bundesgericht bestätigt den Entscheid des Aargauer Versicherungsgericht, wonach der Mann die gut 220'000 Franken zurückzahlen muss. Unbestritten ist gemäss dem Urteil, dass er zumindest die Leistungen für die Zeit vom 1. November 2011 bis zum 31. Oktober 2016 zurückzahlen muss. Zu prüfen hatte das Bundesgericht hingegen die Frage, ob er auch die Zahlungen für den Zeitraum vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Oktober 2011 zurückerstatten muss, oder ob dieser Anspruch bereits verjährt ist.

Der Mann hatte vor Bundesgericht verlangt, das Urteil des Aargauer Versicherungsgerichts aufzuheben und die IV-Stelle anzuweisen, die Rückforderung auf den Zeitraum ab November 2009 zu beschränken. Zudem verlangte er, vor dem Entscheid über eine Rückforderung müsse das Ergebnis des Strafverfahrens abgewartet werden, das gegen ihn in diesem Fall laufe – der Mann muss sich nächste Woche wegen Betrugs vor dem Bezirksgericht Brugg verantworten.

Bundesgericht: IV-Rentner hat Leitungen durch Simulation erschlichen

Der langjährige IV-Bezüger machte geltend, ein Freispruch im Strafverfahren, wo die unrechtmässige Bereicherungsabsicht bestritten werde, sei mit Blick auf den Beweisgrundsatz in dubio pro reo – im Zweifel für den Angeklagten – nicht unrealistisch. Dies ist gemäss dem Urteil des Bundesgerichts aber nicht relevant, schliesslich sei erwiesen,

«dass der Beschwerdeführer Versicherungsleistungen durch Simulation bzw. durch bewusstes Vortäuschen eines beeinträchtigten Gesundheitszustands erschlich.»

Die scheinbaren gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Leistungseinschränkungen beruhen laut Bundesgericht auf einer Simulation des Mannes, die nach allen Regeln der Medizin diagnostiziert und nachgewiesen worden sei. Deshalb spiele es auch keine Rolle, dass der IV-Rentner selber stets von seiner Arbeitsunfähigkeit überzeugt gewesen sei.