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Kanton Aargau
Vor 23 Jahren erschoss ein Tamile einen Landsmann und Geldverleiher nachts auf dem Pannenstreifen der Autobahn in Safenwil. Die Hoffnung, nach der Hälfte der abgesessenen Haftstrafe freizukommen, erfüllt sich für ihn nicht. Anders als bei einer Straftäterin vor vier Jahren, deren Begnadigung allerdings umstritten war.
Nachts um 3.25 Uhr am Freitag, 27. Mai 1994, machen Polizisten auf der Autobahn A1 in Safenwil eine grausige Entdeckung: Auf dem Rücksitz eines Autos, das auf dem Pannenstreifen steht, liegt ein Leichnam. Es handelt sich um einen wohlhabenden Tamilen (41) aus der Region Hünenberg BE. Er wurde mit sechs Schüssen in Kopf, Hals und Schulter regelrecht hingerichtet.
Einige Tage später nahm die Polizei vier Verdächtige fest, die auch vor Gericht gestellt wurden. Dem Haupttäter gelang es dagegen, sich ins Ausland abzusetzen. 2010, also 16 Jahre nach der Bluttat, wurde er in London verhaftet. Es handelt sich um einen heute 49-jährigen Tamilen. Hintergrund des Mordes waren offenbar Spiel- und Kreditgeschäfte nach dem Schneeballprinzip. Die Täter wollten das Opfer ausrauben und lockten es unter dem Vorwand zu Treffen, eine Kreditrate zurückzahlen zu wollen.
Im Januar 2013 verurteilte das Bezirksgericht Zofingen den Haupttäter wegen Mordes zu 13 Jahren Gefängnis. Der Täter war mit einem Komplizen am Montag per Zug von Paris in die Schweiz gereist, von Mittätern beherbergt und am Samstag zurück in Richtung französische Hauptstadt gefahren worden. Von einem Auftragsmord sah das Gericht aber ab, weil eine Bezahlung für die Tötung nicht bewiesen werden konnte. Nach der Berufung von Staatsanwaltschaft und Täter erhöhte das Aargauer Obergericht die Strafe auf 15 Jahre. Das Bundesgericht bestätigte das Urteil.
Im Juni stellte der Verurteilte ein Begnadigungsgesuch beim Grossen Rat, der Begnadigungsbehörde, und bat "um Freilassung bei Halbstrafe". Bei einer Zustimmung des Grossen Rats, der das Gesuch am vergangenen Dienstag behandelte, wäre er ein freier Mann gewesen. Doch die Aargauer Parlamentarier lehnten das Gesuch einstimmig ab.
In seinem Gesuch bestand der Mann darauf, dass er mit der Tat nichts zu tun hatte und auch nicht am Tatort war. Im Vollzug habe er sich vorbildlich verhalten. Er führte auch persönliche und familiäre Gründe an. Welche, wurde im Grossen Rat nicht öffentlich. Das Justizdepartement schweigt dazu. "Dazu können wir keine Angaben", sagt Sprecher Samuel Helbling der AZ. Ebenso, mit welcher Begründung das Justizdepartement die Ablehnung empfahl.
Ein Begnadigungsgesuch kann jeder verurteilte Straftäter einreichen, wenn eine rechtskräftige, vollstreckbare Sanktion vorliegt. Der Täter kann beantragen, dass ihm die Strafe ganz oder teilweise erlassen oder in eine mildere Strafe umgewandelt wird. Der Grosse Rat als Begnadigungsbehörde wiederum hätte, etwa im vorliegenden Fall, die Strafe teilweise erlassen können.
In der Legislaturperiode 2013-2016 hat der Grosse Rat zehn Begnadigungsgesuche behandelt. "Acht Gesuche wurden abgelehnt, ein Geschäft wurde infolge Todesfalls des Gesuchstellers abgeschrieben", sagt Helbling. "In einem Fall gab es einen Nichteintretensbeschluss, da keine vollstreckbare Sanktion zur Diskussion vorlag."
Zuletzt hiess der Grosse Rat 2013 ein Begnadigungsgesuch (zur Probe) mit 79 Ja zu 43 Nein gut. Die Täterin war wegen versuchten Mordes zu 71⁄2 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sie hatte versucht, ihren Ehemann umzubringen: Sie lockerte die Schrauben an zwei Rädern seines Autos – was allerdings entdeckt wurde. Zudem überlebte ihr Ehemann später eine Messerattacke. Die beiden haben zwei gemeinsame Töchter. Diese lehnten damals ebenso wie die SVP-Fraktion das Gnadengesuch ab.
Die Frau hatte nach dem Urteilsspruch einen Sohn in den Strafvollzug mitgenommen. Im Gefängnis gebar sie ein weiteres Kind. Weil es dem Säugling gesundheitlich schlecht ging, durfte sie die Haft ab 2009 unterbrechen. Als sie 2012 zurück ins Gefängnis musste, hatte sie mit ihrem neuen Lebenspartner vier Kinder.