Das Gesetz verpflichtet den Aargau, bei der Aufstockung mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten. Derzeit gibt es knapp 900 Polizisten im Kanton. Bis 2040 müssten es 300 mehr sein. Ist das nötig?
Seit der Annahme einer Volksinitiative im Jahr 2006 ist der Kanton verpflichtet, für eine bestimmte «Polizeidichte» zu sorgen: Ein Polizist pro 700 Einwohner lautet die Vorgabe. Dieses Ziel zu erreichen, ist eine Herausforderung. In den ersten Jahren, nachdem die gesetzliche Verpflichtung etabliert war, hat man sich sogar noch weiter davon entfernt statt ihm näher zu kommen: Das Verhältnis hat sich zwischen 2008 und 2010 von 1 : 739 auf 1 : 753 verschlechtert. Seit man sich 2010 zwischen Kanton und Gemeinden einig geworden ist, wie der Aufwuchs auf die Kantons- und die Regionalpolizeien zu verteilen ist, geht es aber vorwärts. 2013 kam ein Polizist auf 710 Einwohner.
Die exakten Zahlen für 2014 fehlen noch, aber das Soll dürfte nun mit gut 600 Kantonspolizisten und 300 Regionalpolizisten nur noch knapp unterschritten sein. Jedenfalls, so versichert das Departement Volkswirtschaft und Inneres, «dürfte gemäss der aktuellen Planung die gesetzlich festgelegte Polizeidichte 2017 erreicht werden». Dann läuft die in der Initiative von 2006 vorgegebene Frist ab.
Das Problem: Kantons- und Regionalpolizeien hinken mit der Verstärkung ihrer Korps immer der Bevölkerungsentwicklung hinterher. Die Vorgabe bezieht sich nicht auf eine bestimmte Einwohnerzahl, sondern gilt immer für den aktuellen Bevölkerungsstand. Als die Initiative «Mehr Sicherheit für alle» im Parlament diskutiert wurde, rechnete der Regierungsrat mit einem Bedarf von gut 100 zusätzlichen Polizeikräften. Heute patrouillieren im Kanton aber über 200 Polizisten mehr als damals und die Vorgabe ist immer noch nicht ganz erfüllt.
Kanton und Gemeinden mussten und müssen also ganz massiv investieren, damit die Stärke der Polizeikräfte mithalten kann. Und gleichzeitig nimmt der Spardruck zu. Der Grosse Rat hat der Regierung eine Reduktion der Personalausgaben um zwei Prozent verordnet. Im Wissen um die gesetzliche Verankerung der geforderten Polizeidichte, wollte man die Polizei zwar vom Personalstopp ausgenommen wissen, das ändert aber nichts am Sparbefehl, was die gesamten Ausgaben betrifft. Das heisst: Wenn es zehn Kantonspolizisten mehr braucht, müssen in der übrigen Verwaltung 100 statt 90 Stellen eingespart werden.
Hält der Spardruck an, wird das mehr als ungemütlich. Treffen die Bevölkerungsprognosen zu, bräuchte es dieses Jahr bereits 935 Polizisten (Kantons- und Regionalpolizeien zusammen), um das Soll zu erfüllen. Bis 2020 müssten die Korps noch einmal um 60 Mann aufgestockt werden. Und bis 2040 soll der Aargau laut den Prognosen um die 820'000 Einwohner zählen, dann wären zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit nach Polizeigesetz um die 1200 Polizisten gefragt, also fast 300 mehr als heute.
Abgesehen davon, woher so viele Polizisten rekrutiert und wie sie bezahlt werden sollen, stellt sich auch die Frage: Braucht es sie wirklich alle? Ein Blick in die Statistiken könnte zumindest Zweifel aufkommen lassen. Bei gleichzeitig starker Zunahme des Verkehrsaufkommens und obwohl bei der Polizei Ressourcen von den Verkehrskontrollen weg hin zur Kriminalitätsbekämpfung verlagert wurden, sind zum Beispiel die Strassen in den letzten Jahren sicherer geworden. Die Zahl der Unfälle ging stetig zurück.
Von den Straftaten lässt sich das zwar nicht sagen, die steigende Tendenz rührt allerdings vor allem von einer Zunahme der Einbruchdiebstähle. Die Zahl der schweren Delikte wie Gewalttaten, Raub oder gar Tötung ist in den letzten Jahren trotz stetiger Bevölkerungszunahme mehr oder weniger konstant geblieben. Und die Aufklärungsquote hat die Polizei trotz Unterdotierung nach Massstab der vom Stimmvolk gesetzten Vorgaben gesteigert.
Als 2012 evaluiert wurde, wie sich das duale System mit Kantonspolizei und Regionalpolizeien bewährt, ergab eine repräsentative Umfrage, dass auch das subjektive Sicherheitsempfinden in der Bevölkerung leicht gestiegen ist. Das ist vor allem auch deshalb bemerkenswert, weil die Befragung just in eine Zeit fiel, als die Diskussion um straffällige Asylbewerber besonders heiss lief.
Dass es vor diesem Hintergrund wirklich angezeigt ist, auf ewige Zeit an einem fixen Korpsbestand im Verhältnis zur Einwohnerzahl festzuhalten, scheint auch für die Regierung – sie hatte sich ohnehin dagegen gewehrt – nicht mehr in Stein gemeisselt zu sein. Auf einen so langen Zeitraum bis 2040 bestünden noch keine Planungsmassnahmen, grundsätzlich müsse die Vorgabe zur Polizeidichte aber auch nach 2017 eingehalten werden, heisst es zwar aus dem Departement Volkswirtschaft und Inneres. Auf die Frage, ob der für das Polizeiwesen verantwortliche Landammann Urs Hofmann eine Aufstockung auf 1200 Mann erstens für überhaupt realisierbar und zweitens auch nötig halte, lässt er aber immerhin ausrichten: «Das Departement Volkswirtschaft und Inneres wird für die Zeit nach 2017 rechtzeitig eine Beurteilung vornehmen, sich mit den politisch Verantwortlichen der Regional- und Stadtpolizeien austauschen und dem Regierungsrat Bericht und Antrag über das weitere Vorgehen unterbreiten.»