In Sulz und Gansingen ziehen an Pfingsten jeweils die «Sprützlige» von Brunnen zu Brunnen. Die in Laub gehüllten Gestalten lassen sich dort tränken. Das soll für gute Ernten in den Dörfern sorgen. Nach zwei Jahren ohne oder nur mit kleinem «Sprützlig» wurde das Brauchtum in diesem Jahr wieder in vollen Zügen zelebriert.
Pfingsten ohne «Pfingstsprützlig»? Undenkbar. Trotzdem passierte die letzten zwei Jahre genau dies. Wegen Corona fiel der traditionelle, in Sulz und Gansingen gepflegte Anlass aus. Zumindest teilweise, denn Sulz führte ihn 2021 in abgespeckter Form ohne viel Publikum durch, während Gansingen zwei Jahre nacheinander vollständig darauf verzichtete.
Am Pfingstsonntag war aber wieder alles «normal». Auch mit Blick auf das Publikum, das in grosser Zahl dem einzigartigen Spektakel beiwohnte. Auf dem Turnhallenplatz in Sulz standen Bänke und Tische, daneben ein Zelt. Die Festwirtschaft brummte lange vor Eintreffen der Hauptakteure, es war quasi angerichtet für die drei in Buchenlaub dick eingepackten Jugendlichen mitsamt ihren Begleitern.
Sie waren schon länger auf den Beinen. Ab elf Uhr machten sie sich im Wald an das Zuschneiden der Äste. Damit kleideten sie die «Pfingstsprützlige» Janis Stäuble (Bütz), Julian Weiss (Obersulz) und Jan Thomann (Mittelsulz) ein.
Viel sehen konnten die Jugendlichen nicht, denn die Äste verliefen über die Gesichter nach oben, wo Blumensträusse und Fähnchen angebracht waren. Deshalb wurden sie von zwei Begleitern, die sich später als Schüttler betätigten, von den jeweiligen Ortsteilen von Sulz in Richtung Turnhallenplatz geführt. Gegen 16 Uhr trafen die Umzüge ein. Mussten kurz warten, bis Joel Stäuble, OK-Präsident «Pfingstsprützlig» vom Jugendverein Sulz, rief: «Chönned cho».
Und wie sie kamen: Die Pfingstsprützlig schwerfällig, weil sie mindestens 20 Kilo zu schultern hatten, während das Gefolge die Kuhglocken schwang, als ob die dunkelgrauen Wolken über dem Cheisacher nur so zu vertreiben wären. Oder zumindest am Abregnen gehindert werden konnten, was tatsächlich funktionierte.
Ein «Pfingstsprützlig» nach dem anderen wurde zum mobilen Brunnen geführt. Dort wühlte der «Pfingstsprützlig» das Wasser mit einem Stock und mit Unterstützung der Begleiter auf – eine feuchtfröhliche Angelegenheit, die wiederum wie zum Ansporn mit Glockengeläut untermalt und zum Abschluss von den vielen Zuschauern mit Applaus bedacht wurde. Ein «Pfingstsprützlig» verneigte sich sogar vor dem Publikum. «Jetzt wär de Spuk wieder verbi für e Johr», bemerkte eine Frau.
Ganz vorbei war der «Spuk» jedoch nicht, denn nach den Gängen zum Brunnen und nach dem Gruppenfoto wurden die Laubgestalten entkleidet. Dafür mussten sie sich auf den Boden legen, während die Helfer die Schnüre lösten. Erst da wurde deutlich, was es bedeutet, ein «Pfingstsprützlig» zu sein: schwere, schweisstreibende Arbeit.
Das Publikum schaute zu, aber nicht lange, denn plötzlich setzte heftiger Regen ein. Alles flüchtete ins Zelt, nur die «Sprützlige» setzten sich mitsamt Schuhen in den Brunnen. Heisse Füsse? «Nein, das macht man so», erklärten sie. Das «Pfingstsprützlig» gilt als Fruchtbarkeits- und Wachstumsritual. Es soll einen trockenen Sommer verhindern und eine gute Ernte bringen.