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Der Chefarzt der Stiftung Blutspende SRK Aargau-Solothurn ermahnt, während der Pandemie die anderen Kranken nicht zu vergessen. Es gebe nach wie vor Patienten, die auf Bluttransfusionen angewiesen sind.
Das Blut schiesst aus der Vene in den Schlauch und läuft herunter in den hin- und her wippenden Beutel. 450 Milliliter braucht es, um diesen zu füllen. 450 Milliliter einer Flüssigkeit, die im Notfall den Unterschied machen kann. Im Entnahmeraum des Blutspendezentrums Aarau, im Haus 40 des Kantonsspitals, sind an diesem Nachmittag einige Personen, die ihr Blut spenden wollen. Ein Mann, der auf einer Liege Platz nimmt, sagt, er sei heute zum 108. Mal hier: «Ich spende viermal im Jahr, seit ich 18 Jahre alt war.» Auch die Corona-Pandemie hält ihn davon nicht ab.
Doch im Gegensatz zu ihm zögern diese Tage Menschen mit der Blutspende. Aktuell verzeichnet Blutspende SRK Schweiz 30 Prozent weniger Blutspender. Dass Menschen auch während der Pandemie spenden, sei unerlässlich, sagt Jörg-Peter Sigle, Hämatologe und Chefarzt der Stiftung Blutspende SRK Aargau-Solothurn.
Vier von fünf Menschen benötigen laut Blutspende SRK Schweiz mindestens einmal in ihrem Leben Blut. Diese Zahlen bleiben auch während der Pandemie bestehen, denn die Spitäler sind trotz heruntergefahrenem Betrieb weiterhin mit ihren alltäglichen Aufgaben beschäftigt: «Unsere schwerkranken Patienten brauchen die Solidarität der Bevölkerung. Schon vor der Corona-Virus-Pandemie gab es schwerkranke Patienten, Krebspatienten, Unfälle und Notfälle und die gibt es jetzt weiterhin», sagt Sigle. Diese Patienten seien nach wie vor darauf angewiesen, dass sie Bluttransfusionen bekommen, wenn es nötig ist.
Dass der Rückgang der Blutspenden mit der Corona-Pandemie korreliert, ist für Sigle nachvollziehbar: «Die Pandemie ist jetzt spürbar für die Bevölkerung. Jeder Einzelne von uns hat Sorgen. Seien es Sorgen um die Gesundheit unserer Liebsten, Sorgen um die Kinderbetreuung, oder existenzielle Fragen, etwa, ob man den Job behalten kann.» In dieser Situation sei es verständlich, dass den Menschen nicht als erstes der Gedanke komme, Blut zu spenden.
Sigle zeigt uns in Aarau die Schränke, in denen um die 500 Blutkonserven gelagert sind. Das Blut ist nach der Spende aufgetrennt worden in verschiedene Produkte: Rote Blutkörperchen, Blutplättchen und Blutplasma. Diese sind unterschiedlich lange haltbar: Die roten Blutkörperchen sind sieben Wochen haltbar, die Blutplättchen-Konzentrate sieben Tage.
Von hier aus werden alle Spitäler, Gesundheitszentren und teilweise auch Praxen in den Kantonen Aargau und Solothurn beliefert. Jedes Jahr verzeichnet die Stiftung Blutspende SRK Aargau-Solothurn 22'000 Blutspenden. «Unsere Blutversorgung ist momentan noch sichergestellt, der Lagerbestand reicht für sieben bis zehn Tage. Wir sind knapp unter dem Normalzustand.» Nun sei es aber wichtig, dass sie Schere nicht weiter aufgehe. «Dieser Trend macht uns Sorgen. Es muss uns jetzt gelingen, dass die Leute wieder aktiv zum Blutspenden kommen.»
Er könne sich vorstellen, dass sich Menschen darüber Gedanken machen, ob es sicher ist, jetzt Blut zu spenden. «Wir setzen sämtliche Schutzmassnahmen, die vom Bundesamt für Gesundheit empfohlen sind, strikt um.» Zusätzlich zu den sowieso geltenden hygienischen Massnahmen für den medizinischen Betrieb, tragen alle Mitarbeitenden – vom Empfang, über die Laborantin, bis zur Pflegefachfrau, die das Blut entnimmt – Schutzmasken. «Die Sicherheit für die Blutspender ist gewährleistet», sagt Sigle.
Nach der Spende wird sämtliches Blut im Labor in Aarau getestet, etwa auf HIV und Hepatitis. Einen separaten Test für Corona-Viren gibt es nicht. Was aber, wenn jemand das Virus trägt, aber keine Symptome zeigt? Sigle erklärt: «Stand des Wissens heute gibt es keine Hinweise darauf, dass Personen, die das Virus im Rachen tragen aber keine Symptome zeigen, das Virus auch im Blut haben.» Gleichzeitig ist auch bei den Spendern Eigenverantwortung gefragt: «Als zusätzliche Massnahme sind die Spender aufgefordert, uns zu informieren, wenn sie innerhalb der nächsten 14 Tage erkranken. Dann können wir die Produkte aussortieren.»
Zurück im Entnahmeraum. Eine Pflegefachfrau sticht mit der Nadel in den Arm einer Blutspenderin. Bis zum Abend haben 60 Personen ihr Blut gespendet. Eine gute Zahl, sagt Mirjam Meier, Bereichsleiterin der Entnahme in Aarau. «Ich denke, eine gewisse Angst ist schon da», sagt sie. Momentan rufen viele Menschen an, um zu fragen, ob die Blutspendezentren offen haben. «Ausserdem rufen viele ältere Menschen an, die über 65 Jahre alt sind. Sie fragen, ob sie spenden kommen dürfen. Wir sagen ihnen, dass es uns lieber wäre, wenn sie den Empfehlungen folgen und nicht aus dem Haus gehen.»
Jörg-Peter Sigle appelliert an die Bevölkerung: «Spenden Sie Blut, erst recht, wenn Sie jung und gesund sind.» Die Blutspendezentren sind offen. Auf Grund der aktuellen Situation werden die Entnahmestellen in Brugg und Grenchen diese und nächste Woche geschlossen. Diejenige in Aarau hat dafür ab sofort zusätzlich Dienstag und Mittwoch von 8 bis 16 Uhr geöffnet. Auch die Blutspendeaktionen finden weiterhin statt.
Guter Gesundheitszustand
Alter der Erstspender 18 bis 60 Jahre
Mindestens 50 kg schwer
Keine grösseren Operationen und keine Geburt in den letzten 12 Monaten
Kein Risikoverhalten (Drogen, neue und wechselnde Sexualpartner)
Keine zahnärztliche Behandlung in den letzten 72 Stunden
Keine Tätowierung und Piercings in den letzten 4 Monaten
Keine Bluttransfusion erhalten seit 1980
Alle Spenderkriterien und weitere Informationen unter:
www.blutspende-ag-so.ch