Ständeratswahlen
Bekannt wegen 18-Prozent-Initiative: FDP-Müller hält nichts mehr von Prozenten

Auf dem Weg in den Ständerat gibt sich der FDP-Präsident Philipp Müller gelassen. Der Reinacher sagt: «18 Prozent Wähleranteil wäre ein sportliches Ziel – wir definieren Wahlziele aber nicht mit Prozentzahlen.»

Fabian Hägler
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Philipp Müller bringt sich in Position

Philipp Müller bringt sich in Position

Chris Iseli

FDP-Präsident Philipp Müller könnte am 18. Oktober der grosse Wahlsieger sein. Umfragen sagen den Freisinnigen einen beträchtlichen Zuwachs an Wählerstimmen voraus.

National bekannt wurde Müller auch mit der Zahl 18: Die 18-Prozent-Initiative, die eine Begrenzung des Ausländeranteils verlangte, wurde im Jahr 2000 klar abgelehnt.

Heute werde er kaum noch auf die Initiative angesprochen. «Im aktuellen Wahlkampf ist das kein Thema», sagt Müller. Ganz lässt sie ihn aber nicht los: Es ist noch kein Jahr her, seit Ecopop-Befürworter Müller für seinen Einsatz gegen ihre Initiative kritisierten.

Derzeit weist die FDP auf nationaler Ebene einen Wähleranteil von 15,1 Prozent auf. 18 Prozent wären ein sportliches Ziel für die Wahlen im Herbst – das findet auch Müller.

«Aber wir definieren unsere Wahlziele nicht über Prozentzahlen. Nach dem Vorbild aus dem Aargau wollen wir auch national die SP überholen», sagt der FDP-Präsident. Tatsächlich hatten die Freisinnigen bei den letzten Grossratswahlen die Sozialdemokraten hinter sich gelassen.

Serie Ständeratswahlen 2015

In einer vierteiligen Serie stellt die az diese Woche die aussichtsreichsten Ständeratskandidatinnen und -kandidaten vor. Heute: Philipp Müller. Bisher erschienen: Ruth Humbel.

Präsident auf Tour de Suisse

«Fakt ist auch, dass wir bei den kantonalen Wahlen in Zürich, Basel-Land, Luzern und Tessin zugelegt haben, das gibt uns Auftrieb», sagt Müller. Umfragen betrachtet der Freisinnige aber vorsichtig, «weil bei 2000 Befragten ganz wenige Leute eine markante Prozentverschiebung bewirken können».

Sollte die FDP die Wahlen im Herbst wirklich gewinnen – wie gross wäre Müllers Anteil? «Ein solcher Erfolg, wenn er denn eintritt, hätte sicher viele Väter und Mütter.» Wichtig sei, wie bei allen Parteien, die Mobilisierung der Wähler. «Das kann ich nicht allein erreichen, auch wenn ich derzeit auf einer Tour de Suisse an vielen Anlässen sehr präsent bin», relativiert Müller.

Philipp Müllers politisches Profil.

Philipp Müllers politisches Profil.

AZ

Philipp Müller

Der gelernte Gipser (62) ist heute Generalbauunternehmer und präsidiert seit 2012 die FDP Schweiz. Philipp Müller war von 1996 bis 2004 Präsident der FDP Reinach, sass von 1997 bis 2003 im Grossen Rat und wurde 2003 in den Nationalrat gewählt. Müller wohnt in Reinach, ist geschieden und hat drei Kinder.

Und wie würde der einst ehrgeizige Autorennfahrer mit einer Niederlage bei den Wahlen umgehen? «Dann komme ich ein viertes Mal in die Sendung und Sie können mich fertigmachen», sagte Müller, als er im Februar zum dritten Mal bei Roger Schawinski im SRF-Studio sass. Bei seinen Auftritten gab sich Müller im Gespräch mit dem schlagfertigen Schawinski erstaunlich gelassen.

«Emotionaler werden»

Ein paar Wochen später witzelte er bei «Giacobbo/Müller» über den früheren Kommunikationsstil der FDP, als er das fiktive Interview eines Freisinnigen mit einem Journalisten beschrieb: «Das muss man differenziert anschauen. Man muss bedenken, überlegen, abwägen. Dann sagt der Journalist: ‹Danke vielmal, die Zeit ist vorbei.›»

Der neue Stil der FDP sei direkter: «Es gibt keinen Konjunktiv mehr. Nur noch den Indikativ und den Imperativ.» Dazu passt die Aussage, die Müller im Interview mit der az machte: «Wir müssen emotionaler werden und deutliche Botschaften rüberbringen.»

Mehr als deutlich äusserte sich Müller selber im April 2013, als er einen Topmanager, der pro Jahr 8,9 Millionen verdient, als «Arschloch» bezeichnete. Als die Geschichte publik wurde, sagte der FDP-Präsident: «Ich stehe inhaltlich zu meinen Aussagen, aber die Wortwahl war falsch.»

Der Kraftausdruck brachte ihm Kritik aus der eigenen Partei ein: Ständerätin Christine Egerszegi, die Müller im «Stöckli» gerne ablösen würde, sagte: «Solche Aussagen kommen vielleicht auf dem Bau gut an, aber in der Öffentlichkeit spricht man nicht so.» Es brauche ein Mindestmass an Anstand, egal, was man von jemandem halte. Fulvio Pelli, der Vorgänger von Philipp Müller als Parteipräsident, kommentierte erstaunt: «Ich persönlich benutze solche Ausdrücke nicht.»

Müller selber sagte bei Pellis Rücktritt aus dem Nationalrat, ein Jahr nach der Affäre um den Kraftausdruck: «In der Ruhe liegt die Kraft – diesen Ausspruch von Fulvio Pelli werde ich mitnehmen.» Hat er den Vorsatz seither halten können, ohne auf prägnante Aussagen zu verzichten? «Als neuer Parteipräsident habe ich einen Lernprozess hinter mir», sagt Müller. Er sei gelassener geworden, heute brauche es viel – zum Beispiel einen wirklich unfairen Artikel –, bis er sich aufrege. «Ich habe mich daran gewöhnt, dass ich als Parteipräsident eine Zielscheibe bin, die oft angeschossen wird.»

Keine Badges für Lobbyisten

Von der «NZZ» wurde Müller einst als Outlaw, als gesetzloser Aussenseiter seiner Partei bezeichnet. Tatsache ist: Der gelernte Gipsermeister ist unabhängig. Die Liste der Interessenbindungen ist mit Ausnahme eines Vorstandsmandats beim Automobil-Club der Schweiz völlig leer. Und auch Zutritts-Badges an Lobbyisten vergibt Müller keine.

Doch auch ein Unabhängiger wird gemessen – und zwar in Ratings und an Aussagen. Im Umweltrating ist der Freisinnige mit weniger als einem Viertel «grüner» Abstimmungsentscheide weit hinten zu finden. Und auch die FDP hat Rückschritte gemacht, in der aktuellen Legislatur hat sie zwei Punkte im Umweltrating verloren.

Wie passt das zur Aussage von Müller, wer die FDP wähle, sei für Umweltschutz? «Gerade beim Umweltrating verzerrt die Energiestrategie 2050 die Ergebnisse», sagt Müller. Die Schweizer Wirtschaft habe einen hohen Umweltstandard, «ausserdem habe ich schon 2004 durchgesetzt, dass energetische Gebäudesanierungen steuerlich gefördert werden», hält Müller fest.

Asylchaos – oder doch nicht?

Widersprüche gibt es auch in seinem Verhältnis zur Kantonalpartei. Diese zieht mit dem Slogan «Asylchaos stoppen» in den Wahlkampf, Müller sagte der «Schweiz am Sonntag» kürzlich, es gebe kein Asylchaos, das sei «Blödsinn».

Müller sagt, das passe durchaus zusammen. «Als Präsident schaue ich die Lage an und sage: Wenn man die griechischen Inseln, Mazedonien oder Ungarn mit der Schweiz vergleicht, haben wir kein Chaos.» Dass seine Kantonalpartei vom Asylchaos spreche, ist für Müller ein normaler Vorgang. «Im Wahlkampf müssen Probleme zugespitzt werden, um Aufmerksamkeit zu erhalten.»

Parteiintern gab es auch Misstöne um Müllers Kandidatur für den Ständerat. So wurde ein Mail des aufstrebenden Grossrats Thierry Burkart publik, der an Müllers Wahlchancen zweifelte und sich ärgerte, dass er selber auf eine Kandidatur verzichtet hatte.

Und die abtretende FDP-Ständerätin Christine Egerszegi unterstützt nicht etwa Parteikollege Müller, sondern SP-Vertreterin Pascale Bruderer.

Dennoch gibt sich Müller gleichmütig: «Ich habe mich längst mit Thierry Burkart ausgesprochen, diese Sache ist erledigt und abgehakt.» Und wenn Egerszegi sich für Bruderer einsetze, sei das ihre Sache – «das kommentiere ich nicht».