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Walter K., der im Birrfeld ums Leben kam, hatte wohl keine Chance, den Absturz zu verhindern. Bei einem Start nach Osten und Motorausfall, was am Dienstag passiert sein könnte, besteht das Risiko, auf die Autobahn abzustürzen – weil Notlandeplätze fehlen.
Mit der günstigen Lage am Autobahnkreuz A1/A3, ca. 5 km südlich von Brugg, ist der Flugplatz aus allen Richtungen gut und rasch zu erreichen.» So wirbt der Flugplatz für seine Lage. Was für Hobbypiloten, Flugschüler oder andere Birrfeld-Besucher normalerweise positiv ist, wirft nach dem Flugzeugunglück vom Dienstag einige Fragen auf. Die Alfa HB 207 von Walter K., der beim Absturz ums Leben kam, stürzte nur wenige Meter neben dem Autobahnkreuz auf einen Feldweg und ging dort in Flammen auf.
«Der Unfall hätte viel schlimmer ausgehen können, wenn das Flugzeug auf die Autobahn abgestürzt wäre», sagte Polizeisprecher Bernhard Graser schon am Dienstagabend am Absturzort. Dort fahren täglich mehrere zehntausend Autos vorbei, zur Zeit des Unglücks um 17.15 Uhr herrschte dichter Abendverkehr. Laut den bisherigen Erkenntnissen stürzte das Flugzeug nahezu senkrecht ab, der Pilot hatte offenbar kurz nach dem Start die Kontrolle verloren.
Aufgrund der Lage der Absturzstelle ist davon auszugehen, dass der Pilot in Richtung Osten startete. Laut den vorgeschriebenen Abflugrouten, die auf der Website des Flugplatzes Birrfeld ersichtlich sind, würde der übliche Kurs leicht südlich am Autobahnkreuz Birrfeld vorbeiführen. Bei einem normalen Flugverlauf wäre die Maschine praktisch in direkter Verlängerung der Piste am A1/A3-Kreuz vorbeigeflogen. Warum das Flugzeug stattdessen neben der Autobahn abstürzte, ist unklar. Werner Maag, Präsident des Vereins, dem Walter K. angehörte, geht von einem Strömungsabriss aus. Wenn diese Vermutung zutrifft, hätte der Pilot keine Möglichkeit gehabt, seine Maschine wieder unter Kontrolle zu bringen.
Fest steht: Auch bei einem weniger gravierenden Problem wäre die Situation für Walter K. schwierig gewesen. Dies geht aus der Gefahren- und Risikoanalyse für das Birrfeld hervor, die für die Zertifizierung des Flugplatzes nach Vorgaben der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICOA) im Jahr 2013 erstellt wurde. Als sogenannter «Top Hazard», also massiver Risikofaktor, ist aufgeführt: «Keine geeigneten Notlandefelder bei Motorausfall kurz nach dem Start auf der Piste 08.» In dieser Situation, nach dem Abheben in östlicher Richtung, drohe die «Beschädigung des Luftfahrzeugs» und eine «Kollision mit dem Gelände». Das Risiko müsse «auf tiefem Niveau akzeptiert werden», das Problem an sich könne nicht behoben werden. Es würden jedoch entsprechende Schulungen bei Checkflügen und Platzeinweisungen mit Fluglehrern durchgeführt.
Genau dieses Szenario – ein Start nach Osten, ein Motorausfall und fehlende Notlandeplätze – scheint sich am Dienstagabend beim Absturz von Walter K. auf dem Birrfeld ereignet zu haben. Christian Schubert, Mediensprecher des Bundesamts für Zivilluftfahrt, sagt auf Anfrage: «Der genaue Unfallhergang wird gegenwärtig von der Sicherheitsuntersuchungsstelle Sust analysiert. Insofern ist dazu zum heutigen Zeitpunkt keine Aussage möglich.»
Das Bundesamt hat dem Flugplatz-Betreiber vor fünf Jahren das Sicherheitszertifikat erteilt. Dafür mussten die sicherheitsrelevanten Prozesse in einem Flugplatzhandbuch festgehalten sein, das zugleich die Grundlage bildet für ein Sicherheits-Management-System. Auf die Frage, ob die Gefahr eines Absturzes auf die nahegelegene Autobahn berücksichtigt wurde, antwortet Sprecher Schubert: «Der Betreiber des Flugplatzes Birrfeld ist für die operationelle Sicherheit verantwortlich.» Diese Verantwortung umfasse unter anderem auch Identifizieren, Bewerten und Behandeln von Gefahren und Risiken des Betriebes. Diese Elemente seien ein Bestandteil des Sicherheits-Management-Systems, dessen Entwicklung und Anwendung den Flugplatzbetreibern von der Internationalen Zivilluftfahrorganisation vorgeschrieben werde. «In diesem Zusammenhang werden die An- und Abflugrouten ebenfalls analysiert», erläutert Schubert.
Flugplatzchef war damals Roger Trüb, der inzwischen als selbstständiger Berater tätig ist. Auf seiner Website schreibt Trüb dazu heute: «Ich durfte die komplette Zertifizierung des Flugplatzes Birrfeld in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Zivilluftfahrt durchführen.» Explizit verweist der ehemalige Flugplatzchef dort auf die sogenannte «Hazid», die Gefahrenanalyse Flugplatz Birrfeld mit Wertung der Gefahren auf Schadenspotenzial und Häufigkeit, die damals erstellt werden musste. Auf den Unfall von Walter K., den Absturzort direkt bei der Autobahn und das offenbar bekannte Risiko angesprochen, sagt Trüb: «Ich bin im Birrfeld nicht mehr in Charge und enthalte mich einer Stellungnahme zu diesem Fall.»
Seit Anfang Jahr ist Martin Andenmatten neuer Flugplatzleiter auf dem Birrfeld. Als die AZ ihn kontaktiert, sagt Andenmatten, sein Stellvertreter und Vorgänger Heinz Wyss sei verantwortlich für Sicherheitsfragen, derzeit aber in den Ferien und nicht erreichbar. «Ich war am Dienstag selber nicht auf Platz, als der Unfall passierte», hält Andenmatten fest. Er könne deshalb nichts zur Unfallursache oder allfälligen Risiken nach dem Start sagen.
Betrachtet man die Lage des Flugplatzes und der Autobahn, wäre es naheliegend, wenn Flugzeuge nur nach Westen (in der Grafik oben) starten und nur aus Westen im Birrfeld landen würden. Dann müssten sie die A1 oder A3 nicht überfliegen, die Gefahr eines Absturzes auf die Autobahn mit verheerenden Folgen wäre gebannt.
So einfach ist dies aber nicht, wie Christian Schubert vom Bundesamt für Zivilluftfahrt erklärt. «Es sind immer die Windverhältnisse ausschlaggebend, in welche Richtung gestartet und gelandet wird.» In der Regel sei das gegen den Wind, weil so bessere Start- und Landeleistungen erzielt werden könnten. Birrfeld-Leiter Andenmatten bestätigt dies und sagt, dass der Flugplatz, der seit 1937 besteht, vor der A1 und A3 gebaut worden sei. «Ein Flugplatz braucht eine Verkehrserschliessung, wenn man die Gefahr eines Absturzes auf die Strasse eliminieren möchte, müsste man zum Beispiel rund um Kloten alle Autobahnen schliessen.»