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Thomas Reid ist ein George-Clooney-Verschnitt: Auf sozialen Medien schickt er Freundschaftsanfragen an Frauen, flirtet mit ihnen – und will letztlich Geld, um sie treffen zu können. Auch eine Aargauerin wurde Opfer des Liebesbetrügers – sie hat aber richtig reagiert.
Thomas Reid. Ein Engländer Mitte 40, graues Haar, sympathisches Lächeln, erfolgreich im Beruf und auf der Suche nach seiner besseren Hälfte. Auf sozialen Medien schickt Reid Freundschaftsanfragen an Frauen, kommt mit ihnen ins Gespräch, flirtet, will seine «Darlings» besuchen kommen.
Aber dafür brauche er Geld. Geld, das die St. Gallerin Susanna K. überwies. Sie zahlte 50'000 Franken, wie der «Blick» am Freitag publik machte. Doch Thomas kam nie in die Schweiz – Susanna K. wurde Opfer eines Liebesbetrügers.
Nach der Story im «Blick» meldete sich eine Aargauerin bei dieser Zeitung. Der George-Clooney-Verschnitt Reid wollte auch sie ausnehmen. «Er schickte mir eine Anfrage auf Friendscout», sagt sie. Reid war aber auch auf anderen Plattformen angemeldet. Die beiden tauschten Handynummern und chatteten via Whatsapp. Sie haben geflirtet, Reid schickte mehrere Bilder von sich und erzählte von seinem Job. «Er sagte, dass er Talentscout beim FC Basel und bei der Fifa sei», so die Aargauerin.
Reid wohne momentan in Zürich, in einem Appartement der Fifa – dort wolle er bald Vollzeit arbeiten. Noch stünde er aber beim FC Cardiff in England unter Vertrag. «Er reiste also zurück, um dort seinen Vertrag aufzulösen. Dann kam die erste Anfrage nach Geld.»
«Reid wollte, dass ich ihm eine Kreditkarte mit Online-Zugang am Kiosk besorge. Er habe kein Bargeld und wolle sich am Flughafen Fussball-Magazine kaufen», so die Aargauerin. Da habe sie ein komisches Bauchgefühl bekommen. «Erstens ist das eine doofe Begründung und zweitens ziemlich frech und anstandslos», sagt sie. «Fremde Personen fordert man doch nicht einfach zu so etwas auf.»
Die Aargauerin tat so, als wisse sie nicht, wie man am Kiosk Kreditkarten beziehe. Obwohl sie ein mulmiges Gefühl hatte, hielt sie den Kontakt mit Reid. Sie telefonierten mehrmals: «Er hatte eine angenehme Stimme, sagte intelligente Dinge.»
Dann tischte ihr Reid fast dieselbe Lüge auf, die er auch der St. Gallerin Susanna K. erzählte: «Thomas sagte, dass er nicht in die Schweiz zurückkommen dürfe, weil der FC Cardiff ihm 3000 Pfund in Rechnung stellte.» Warum, ist unklar. «Mit dem Vertrag sei etwas schiefgelaufen», sagt die Aargauerin. «Und er hatte ausstehende Schulden.» Reid schickte ihr als Beweis ein unterschriebenes Dokument vom Justizministerium.
Wie «Blick» herausfand, war es gefälscht. Er wollte, dass ihm die Aargauerin insgesamt 20 000 Pfund überweist. Er würde alles zurückzahlen. Als sie ihm klarmachte, dass sie kein Geld überweisen wird, reduzierte er erst die geforderte Summe. Dann wurde er beleidigend – die Aargauerin brach den Kontakt ab.
«Und das ist richtig so», sagt Bernhard Graser, Mediensprecher der Aargauer Kantonspolizei. Online-Liebesbetrug, auch Romance-Scamming genannt, sei ein aktuelles Thema bei der Polizei. «Im vergangenen Jahr gab es im Aargau 13 gemeldete Fälle, in denen auch Zahlungen getätigt wurden.
Die Schadenssumme betrug 1,2 Millionen Franken», so Graser. Er erklärt, wie man sich schützen kann: «Es ist heute normal, sich online kennen zu lernen. Aber die Alarmglocken müssen läuten, wenn man Anfragen von wildfremden Personen bekommt.» Die Betrüger verstecken sich laut Graser hinter gut aussehenden Geschäftsmännern aus England oder Generälen aus Amerika.
«Alles gefälscht. Meist steckt das organisierte Verbrechen dahinter.» Betrüger, denen es an Charme nicht fehlt. Die Fake-Lover überhäufen die Betroffenen mit Komplimenten, träumen von einer gemeinsamen Zukunft. «Wenn es zu schön ist, um wahr zu sein, dann ist es nicht wahr», sagt Graser. «Viele sind blind vor Liebe. Aber man soll nie Daten weitergeben oder Geld schicken.»
Überwiesenes Geld zurückzubekommen oder gar den Betrüger zu schnappen, ist laut Graser fast unmöglich. Sehr selten passiere es, dass man die IP-Adresse des Betrügers herausfinden würde. «Die Computer stehen aber meist im Ausland.» Auf internationaler Ebene organisiere die Polizei jedoch Razzien, um Betrügerorganisationen zu zerschlagen. «Die Verbrecher passen sich dauernd an, entwickeln neue Maschen, wechseln die Identitäten.»
Dass sich die Opfer der Betrüger an die Polizei wenden, sei trotzdem wichtig. «So bekommen wir einen Blick fürs Ausmass des Betrugs. Wir nehmen an, dass die Dunkelziffer sehr hoch ist.» Auch, wenn man sich nicht sicher ist, ob man wirklich mit einem Betrüger kommuniziert, kann man die Polizei um Rat fragen – anonym natürlich: «Bei uns gehen täglich entsprechende Anfragen ein», so Graser. Am besten sei aber immer noch, die Anfragen der vermeintlichen George Clooneys gar nicht erst anzunehmen.