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Aargau
Kanton Aargau
Die meisten Aargauer Auslandkonti sind korrekt gemeldet. Doch es gibt jetzt über 300 Nachsteuer- und Steuerhinterziehungsverfahren.
Seit September 2018 gilt zwischen der Schweiz und 38 OECD-Ländern sowie seit September 2019 zwischen der Schweiz und weiteren drei Dutzend Ländern der sogenannte Automatische Informationsaustausch (AIA, vgl. Box unten). Das hat ganz konkrete Folgen. Denn aus diesen Ländern werden der Schweiz jetzt jährlich entsprechende Meldungen übermittelt, so wie auch Meldungen aus der Schweiz an die anderen AIA-Staaten übermittelt werden. Ende Januar wurden dem Kanton Aargau laut Steueramtsvorsteher Dave Siegrist für das Jahr 2018 insgesamt rund 147 000 Meldungen für natürliche Personen und 2600 Meldungen für juristische Personen (Firmen) von 75 Partnerstaaten (Vorjahr noch 38 Staaten) zugeteilt.
Was macht der Kanton damit? Um diese Datenmenge verarbeiten zu können, sortiere das Kantonale Steueramt erst diejenigen Meldungen aus, bei denen der potenzielle Steuerertrag «in einem klaren Missverhältnis zum Bearbeitungsaufwand steht», sagt Dave Siegrist. Hierbei handle es sich um Fälle, bei denen, falls sie nicht deklariert wurden, keine Nachsteuern oder Nachsteuern mit einem sehr geringen Frankenbetrag resultieren würden.
Wie viele Personen im Aargau von diesen Meldungen potenziell betroffen sind, vermag Siegrist nicht zu sagen. Eine Auswertung auf Stufe Person sei nicht erfolgt. Es seien aber für viele Personen mehrere Meldungen vorhanden.
Wie aufgrund der intensiven Beziehungen zwischen der Schweiz und Deutschland anzunehmen war, kommen laut Dave Siegrist von den bisher vorliegenden Meldungen rund 89'000 (also über 60 Prozent) aus unserem nördlichen Nachbarland Deutschland. Mit deutlichem Abstand folgen dann Italien und Portugal.
Aus den teilnehmenden südamerikanischen Ländern (Brasilien, Argentinien, Chile, Uruguay, Kolumbien) lägen hingegen praktisch keine Meldungen vor, so der kantonale Steueramtsvorsteher weiter. Am meisten Meldungen gingen nach Baden, Wettingen und Aarau – notabene den bevölkerungsreichsten Aargauer Gemeinden.
Die grosse Mehrzahl der gemeldeten Konti war ordnungsgemäss deklariert bzw. wurde frühzeitig zur straflosen Selbstanzeige gebracht. Aufgrund der bislang ausgewerteten AIA-Meldungen wurde im Aargau laut Siegrist nachträglich für das Kalenderjahr 2019 «bei rund 500 Personen ein Steuerhinterziehungsverdacht festgestellt». Gestützt darauf wurden im Kalenderjahr 2019 rund 300 Nachsteuer- und Steuerhinterziehungsverfahren eröffnet.
Davon wurden bislang nur wenige beziehungsweise maximal zehn Verfahren rechtskräftig abgeschlossen.
Im Kalenderjahr 2019 wurden im Aargau aufgrund von Selbstanzeigen Steuereinnahmen in der Höhe von rund 23,3 Millionen Franken generiert. Dazu kommen weitere Nachsteuereinnahmen in der Höhe von rund 5,4 Millionen Franken aufgrund von Verfahren, die nicht durch Selbstanzeigen eingeleitet wurden. Die erwähnten Steuereinnahmen entfallen wie üblich zu rund 40 Prozent auf den Kanton Aargau, zu rund 40 Prozent auf die zuständigen Gemeinden und zu rund 20 Prozent auf den Bund.
Der Aargau bekommt ab jetzt jährlich diese Meldungen aufgrund des AIA. Er leitet sie dann an die betroffenen Gemeinden weiter. Da laufend neue Partnerstaaten am AIA teilnehmen, handelt es sich laut Dave Siegrist hier um einen dauernden Prozess. Bemerkenswert findet er, dass es trotz der grossen Menge an gemeldeten Fällen schliesslich nur relativ wenige sind, bei denen es sich um Fälle von Steuerhinterziehung handelt.
Seit 2010 gilt in der Schweiz die kleine Steueramnestie. Demnach können alle Steuerpflichtigen einmal im Leben eine Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung tätigen. Man zahlt dann zwar Nachsteuern und Verzugszinsen, jedoch keine Bussen. Dies gilt weiterhin. Wer 2020 ein inländisches Vermögen oder Einkommen legalisieren will, und noch nie von der kleinen Steueramnestie profitiert hat, kann das tun.
Das gilt seit 1. Oktober 2018 nicht mehr für ausländische Bankguthaben und Wertschriftendepots. Seither sind bei solchen Vermögenswerten in den 38 Staaten, welche im Rahmen des Automatischen Informationsaustauschs (AIA) ihre Finanzdaten mit der Schweiz per Ende September 2018 ausgetauscht haben, keine straffreien Selbstanzeigen mehr möglich. Für Vermögenswerte in weiteren 38 Staaten, die ihre Finanzdaten erst seit Herbst 2019 mit der Schweiz austauschen, waren straffreie Selbstanzeigen noch bis Ende September 2019 möglich, doch auch das ist jetzt vorbei. Wenn aus einem dieser Länder Werte in die Schweiz gemeldet werden, die dem Fiskus nicht gemeldet wurden, kommt es zu einem Verfahren. (mku)