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Kanton Aargau
Die Aargauer CVP-Nationalrätin Ruth Humbel macht gegen die Atomausstiegspläne ihrer Bundesrätin Doris Leuthard Stimmung beim Start zur Parlamentsdebatte in Bern zur Energiestrategie 2050.
Am Donnerstag beginnt im Nationalrat die Debatte über die Energiestrategie 2050 des Bundesrats. Diese sieht unter anderem den Atomausstieg vor – für den Kanton Aargau, wo mit Beznau 1 und 2 sowie Leibstadt drei der fünf Schweizer Kernkraftwerke stehen, ein wichtiges und umstrittenes Thema.
Das weiss auch Ruth Humbel (CVP), die bei ihrer Ständerats-Nomination sagte: «Der Aargau muss seine Position als Energiekanton in der Energiestrategie des Bundes festigen. Ich setze mich für die Sicherung der Standortqualität und der Arbeitsplätze im Energiebereich ein, insbesondere bei der Stromproduktion.» Konkret heisst dies, dass Humbel gegen die Pläne von CVP-Bundesrätin Doris Leuthard zum Atomausstieg ist.
«Ich finde, das heutige System, in dem das eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat Ensi die KKW kontrolliert, funktioniert gut. Es gibt für mich keinen Anlass, daran
etwas zu ändern», sagt sie. AKW sollen laut Humbel so lange laufen, wie die Sicherheit gewährleistet ist. «Mit fixen Laufzeiten würde der Energiebereich unnötig verpolitisiert», findet sie. Sollte sich zeigen, dass technische Nachrüstungen bei einem AKW zu teuer seien, werde der Betreiber dieses selber vom Netz nehmen – oder auf Anweisung des Ensi. Ein Verbot von Gesuchen für neue Kernkraftwerke sei überflüssig, «weil ohnehin keine Bewilligung erteilt würde».
Ähnlich sieht dies Corina Eichenberger (FDP), die stark mit der Atomenergie verbunden ist. Sie war fünf Jahre lang Präsidentin des Nuklearforums Schweiz, seit ihrem Rücktritt im Juni dieses Jahres ist sie Verwaltungsratspräsidentin der Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra).
Eichenberger sagt: «Dass in der Schweiz kein neues Kernkraftwerk der aktuellen Generation mehr gebaut wird, ist für mich klar.» Sie wehrt sich aber gegen ein Technologieverbot, schliesslich sei es möglich, dass künftig noch effizientere und sicherere Reaktoren entwickelt würden. Eichenberger betont: «Aus meiner Sicht ist der Atomausstieg ein kurzfristig gefällter Bauchentscheid.»
Weiter auf Kernkraft setzen will auch Hans Killer. Der SVP-Nationalrat sitzt im Verwaltungsrat des Kernkraftwerks Leibstadt und im Vorstand der atomfreundlichen Aktion für vernünftige Energiepolitik Schweiz. «Ich bin gegen den Atomausstieg, wir sollten uns die Möglichkeit nicht verbauen, mit Kernkraftwerken einer neuen Generation künftig Strom zu produzieren.»
Ein Verbot für neue Technologien, wie es im Gesetz vorgesehen ist, hält Killer für falsch. «Mit der Energiestrategie 2050 gefährden wir ein gut funktionierendes System», sagt er. Für den SVP-Mann enthält der Vorschlag zu viele Unsicherheiten. «Auch mit Solarzellen und Windrädern kann man Strom erzeugen, allerdings nur, wenn die Sonne scheint und der Wind weht», gibt er zu bedenken. Dabei bestehe ein erhebliches Speicherungsproblem.
Bernhard Guhl (BDP) ist grundsätzlich für den Ausstieg aus der Kernenergie. «Wir sollten unsere KKWs aber so lange in Betrieb lassen, wie die Sicherheit gewährleistet ist», fordert er. Denn der Zubau von erneuerbaren Energien werde nicht so rasch vor sich gehen, «wie sich das gewisse Ideologen vorstellen». Aus Sicht der Versorgungssicherheit sei es wichtig, den Strom im Inland zu produzieren. «Das ist allemal besser, als dreckigen Kohlestrom zu importieren», sagt Guhl. Dass es irgendwann eine Technologie geben wird, die viel sicherer ist als heute und in der Schweiz ein neues KKW gebaut wird, hält er für unwahrscheinlich.
Beat Flach (GLP) möchte den Atomausstieg möglichst schnell, aber schrittweise umsetzen. «Eigentlich müsste man die Laufzeit der Kraftwerke auf 50 Jahre begrenzen, dafür wurden sie ursprünglich auch gebaut», sagt er. Ein neues AKW in der Schweiz steht für Flach nicht zur Debatte: «Die Atomenergie birgt auch mit neuster Technik Sicherheitsrisiken, die Frage der Endlagerung ist ungelöst, zudem wäre die Schweiz weiterhin von ausländischem Uran abhängig.» Der GLP-Nationalrat ist überzeugt, dass es sinnvoller ist, Geld in einheimische erneuerbare Energien zu investieren, «als 12 Milliarden Franken für ein AKW auszugeben, mit dem wir in 40 Jahren vor den gleichen Problemen stehen wie jetzt und das letztlich keinen Strom zu Marktpreisen herstellen könnte».
Auch Max Chopard (SP), Co-Präsident des Vereins Kein Atommüll im Bözberg, steht der Kernenergie sehr kritisch gegenüber. «Ich unterstütze den Atomausstieg – es gibt heute viel bessere Alternativen.» Die Atomkraft berge Risiken, und das Abfallproblem sei immer noch ungelöst. Die Angst vor einer Stromlücke ist laut Chopard unbegründet. «Bisher ging der Ausbau bei den erneuerbaren Energien deutlich schneller als prognostiziert.» Unverständlich ist für ihn, dass die gleichen Leute, die vor einer Stromlücke warnen, «bei der finanziellen Förderung der erneuerbaren Energie bremsen, die uns vom Ausland unabhängiger macht». Chopard weist darauf hin, dass die Energiestrategie nicht nur aus dem Atomausstieg und erneuerbaren Energien bestehe. «Auch die Reduktion des CO2-Ausstosses und die Massnahmen für mehr Energieeffizienz im Gebäudebereich sind wichtige Elemente.»
Geri Müller (Grüne) hat als Jugendlicher gegen das AKW Kaiseraugst demonstriert. Heute sagt Müller: «Für mich ist der Atomausstieg zwingend, auch aus wirtschaftlichen Gründen.» Er begründet: «Unsere AKW sind veraltet, die Sanierung verursacht hohe Kosten, während auf dem Markt viel günstiger Strom aus erneuerbaren Quellen verfügbar ist.»
Geri Müller räumt ein, dass die Energiewende etwas koste. Er ist aber der Ansicht, heute fliesse das Geld in die falschen Länder. «Noch immer sind fast 70 Prozent fossile Energie, die Rohstoffe kommen aus politisch instabilen Gegenden mit teilweise autoritären Regimes.» Die Schweiz sollte seiner Meinung nach lieber in einheimische Firmen investieren, die Strom aus erneuerbaren Quellen produzieren oder Technologie dafür liefern. Müller kündigt an, die Grünen würden mit grosser Wahrscheinlichkeit die Ausstiegs-Initiative aufrechterhalten – «ausser, das Parlament beschliesst eine feste Laufzeit der AKW von nicht mehr als 45 Jahren».