Debatte
Arbeit für Flüchtlinge: Die Meinungen im Aargau gehen weit auseinander

Der Kanton wünscht sich mehr Angebote für Flüchtlinge, damit diese arbeiten können. Gemeinden melden dagegen Vorbehalte an - und SVP-Präsident Thomas Burgherr will vorläufig Aufgenommenen und Flüchtlingen die Sozialhilfe kürzen.

Fabian Hägler
Drucken
Asylsuchende bekämpfen Neophyten im Lenzbuger Wald. (Archivbild vom Juli 2013)

Asylsuchende bekämpfen Neophyten im Lenzbuger Wald. (Archivbild vom Juli 2013)

Annika Buetschi

In einem Interview in der az vom Dienstag sagte Migrationsexperte Thomas Kessler, es gebe in der Schweiz mehr als genug Arbeit, um Flüchtlinge und Asylbewerber zu beschäftigen. Doch stimmt das wirklich, und wie sieht die Situation im Aargau aus?

Balz Bruder, Sprecher des kantonalen Sozialdepartements, sagt: «Es ist unbestritten, dass es genug Arbeit in der Schweiz gibt, um Asylsuchende oder Flüchtlinge zu beschäftigen.» Dabei sei zu unterscheiden zwischen Beschäftigung und Arbeit im Sinn von Erwerbsarbeit. Die grundsätzliche Frage ist für Bruder aber: «Wie kommt die Arbeit zu den Menschen, respektive wie kommen die Menschen zur Arbeit.»

Kanton möchte mehr Angebote

Der Kanton ist selber aktiv: Beschäftigungsmöglichkeiten für Asylsuchende anzubieten, ist insbesondere bei der Eröffnung von grösseren Unterkünften stets ein Thema. Der kantonale Sozialdienst teile den betreffenden Gemeinden immer mit, dass Möglichkeiten der gemeinnützigen Betätigung äusserst willkommen seien. Balz Bruder hält fest: «Es wäre auf jeden Fall wünschbar, es gäbe noch mehr Angebote.»

Migrationsexperte Kessler ist der Meinung, Asylbewerber könnten zum Beispiel bei kommunalen Bauämtern oder Forstbetrieben eingesetzt werden. Renate Gautschy, FDP-Grossrätin und Präsidentin der Gemeindeammänner- Vereinigung im Kanton, warnt aber vor zu hohen Erwartungen. «Heutzutage müssen Bauämter, Unterhaltsdienste und Forstbetriebe sehr effizient und kostenbewusst arbeiten. Zudem sind bei weitem nicht alle Arbeiten in diesen Bereichen ohne Ausbildung zu bewältigen, und es gibt strenge Sicherheitsauflagen», gibt sie zu bedenken. Bruder entgegnet, es gebe durchaus gute Beispiele für Arbeitseinsätze, «wie etwa die Bekämpfung von Neophyten durch Asylsuchende, die der Kanton und die Stadt Bremgarten zusammen mit Pro Natura durchgeführt haben».

Arbeitseinsätze sind freiwillig

Allerdings können Asylsuchende, die in kantonalen Unterkünften leben, laut Bruder nicht zu Arbeitsleistungen verpflichtet werden. «Es handelt sich um freiwillige Einsätze, die mit einer Motivationsentschädigung abgegolten werden.» Das Echo auf die Beschäftigungsprogramme sei in der Regel gut.

Renate Gautschy, selber Gemeindeammann in Gontenschwil, hält fest: «Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass Menschen, die frisch in die Schweiz kommen, zuerst die Regeln, Rechte und Pflichten in unserem Land kennen und respektieren.» Erst danach könne eine gezielte Integration in den Arbeitsprozess erfolgen, sagt die FDP-Frau.

SVP kritisiert Sozialhilfequote

Grundsätzlich anders beurteilt Thomas Burgherr, Präsident der SVP Aargau, die Situation. «Das Problem liegt nicht darin, dass Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge nicht arbeiten dürfen, sondern darin, dass die Sozialleistungen in der Schweiz prinzipiell zu hoch sind.» Es gebe unzählige staatlich finanzierte Beschäftigungs- und Integrationsprogramme, auch die Unterstützung durch die Flüchtlingshilfe sei gross. «Dennoch haben wir bei vorläufig Aufgenommenen eine Sozialhilfequote von über 77 Prozent, obwohl sie arbeiten dürften und von Integrationsprogrammen profitieren.» Oft lohne sich dies für sie nicht, weil die Sozialhilfeleistungen zu hoch seien. Burgherr: «Die Leistungen müssen zwingend gesenkt werden, um einen Anreiz zur Arbeit zu schaffen.»