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Kanton Aargau
Sind 25 Franken pro Kopf der Bevölkerung oder umgerechnet 16 Millionen Franken pro Jahr vom Kanton richtig und dringend für den Aargauer Wald? Oder bringt die Waldinitiative eine neue Giesskannensubvention, obwohl der Wald sowieso Sache der Gemeinden ist?
Der Wald geniesst in der Bevölkerung höchste SSympathiewerte. Vergleichbar ist dies mit der Feuerwehr unter den verschiedenen Berufen. Dafür gibt es gute Gründe. Der Wald hält den Boden zusammen, speichert CO2, spendet Schatten, verhindert oder stoppt Lawinen, klärt und speichert Wasser, liefert Holz zum Bauen, Heizen oder für Möbel, er ist erneuerbar, ist vielfältigster Lebens- sowie Erholungsraum und vieles mehr. So betonten bei der Beratung der Volksinitiative «Ja! Für euse Wald» Grossrätinnen und Grossräte aller politischen Couleurs, der Wald und sein Wohl liege ihnen am Herzen. Doch dann hörte es mit den Gemeinsamkeiten auf.
Grund für den Streit im Grossen Rat sind die Forderungen der Waldinitiative. Was verlangt diese? Hauptsächlich, dass Leistungen der Waldeigentümer zugunsten der Allgemeinheit – sogenannte gemeinwirtschaftliche Leistungen – abgegolten werden sollen. Die Initianten argumentieren: «Der Wald erbringt vielfältige Leistungen zum Wohle der Allgemeinheit.» Diese Kosten liessen sich nicht mehr durch die Erlöse aus dem Holzverkauf abdecken. Um Schutz, Holzproduktion, Biodiversität und Erholung im Wald nachhaltig sicherzustellen, brauche dieser finanzielle Unterstützung. Konkret soll der Kanton pro Einwohnerin und Einwohner und Jahr mindestens 25 Franken dafür aufbringen. Insgesamt kämen 16 Millionen Franken zusammen. Das wäre laut regierungsrätlicher Botschaft 12 Millionen Franken mehr als heute, nach Berechnung der Initianten 11 Millionen Franken mehr.
Vor der Debatte über die Waldinitiative hatte der Grosse Rat das neue Waldgesetz zu bereinigen, was praktisch diskussionslos über die Bühne ging. Es geht darum, sogenannt statische Waldgrenzen einzuführen. Basis für die Abgrenzung von Wald bildet die Bundesgesetzgebung über den Wald. Die geltenden kantonalen Ausführungsbestimmungen legen fest, dass jede Bestockung, welche grösser als 600 m2, breiter als 12 m und älter als 15 Jahre ist, rechtlich als Wald gilt.
Entstehung, Nutzungsart und Bezeichnung im Grundbuch sind nicht massgebend. Somit «bricht» Wald sämtliche andere Nutzungsarten einer Fläche. Diese «dynamische» Waldabgrenzung wird jetzt durch eine statische Waldgrenze ersetzt. Seit 2013 können die Kantone auch ausserhalb des Baugebiets eine «statische» Waldfeststellung erlassen, wenn sie die Zunahme von Wald verhindern und die Dynamik aufheben wollen. Der Rat hiess das solcherart geänderte Gesetz gestern mit 100 zu 4 Stimmen gut.
In der Debatte warf sich Vreni Friker (SVP) als Initiantin und Präsidentin von WaldAargau für das Begehren mit mehr als 10 000 Unterschriften in die Bresche. Es gehe um rund 0,3 Prozent des Kantonsbudgets, relativierte sie die Mehrkosten: «Diese finanziellen Mittel werden für einen Drittel der Kantonsfläche, das heisst für rund 49 000 Hektaren Wald zielgerecht eingesetzt.» Der Wald sei vom Holzproduktionsort zum Ort für vielfältige Anforderungen zum Wohle der Allgemeinheit geworden: «Er ist ein 24-Stunden-Fitness-Center.» Die Initiative verfolge kein Giesskannenprinzip, hielt sie Gegnern entgegen. Entschädigungen soll es nur dank Leistungsvereinbarungen mit dem Kanton geben. Friker: «Ohne Fleiss kein Preis!» Unterstützung fand sie bei den Grünen, der hälftigen SP und bei einzelnen Grossräten, bei Initiantin Milly Stöckli (SVP), Bauernpräsident Alois Huber (SVP) und Bauernsekretär Ralf Bucher (CVP).
Daneben hörten die extra angereisten rund 50 Förster auf der Tribüne im Grossratssaal aber wenig für sie Erbauliches. Die Sprecherinnen und Sprecher der FDP, der grossmehrheitlichen SVP, CVP, EVP-BDP, GLP und EDU machten deutlich, dass sie das Problem im Wald sehen, aber nicht hinter der Lösung stehen können, welche die Initiative vorschlägt.
Stellvertretend für die Gegner sei hier Jeanine Glarner (FDP) zitiert. Auch sie fragte einleitend rhetorisch: «Wer ist nicht für den Wald?» Aber nicht alles, was verlockend aussehe, sei auch wirklich gut. Die Initiative sei sogar ziemlich schlecht, meinte sie als Sprecherin ihrer Fraktion. Warum der Kanton Beiträge an etwas zahlen soll, das im ureigenen Interesse der Waldeigentümer (mehrheitlich die Gemeinden) ist, sei ihr schleierhaft. 16 Millionen Franken entsprächen einem ganzen Steuerprozent: «In Zeiten eines strukturellen Defizits von 200 bis 250 Millionen Franken können wir uns das schlicht nicht leisten.» Die Mehrheit entschied so, wie es auch «Walddirektor» Stephan Attiger empfohlen hatte, und lehnte die Initiative mit 86: 32 Stimmen ab.
Als eine Art indirekten Gegenvorschlag beschloss der Rat hingegen auf Antrag von Jeanine Glarner, die Aufsichts-, Vollzugs- und Kontrollaufgaben der Forstreviere künftig aufwandgerecht abzugelten. Statt wie bisher 0,5 Millionen Franken solle es künftig 2,5 Millionen Franken geben.
Jetzt hat das Aargauer Volk zur Waldinitiative das letzte Wort. Der Urnengang dürfte am 25. November stattfinden.