Atomkraftwerke
AKW-Diskussion: Wer zahlt, wenn die Reaktoren abgestellt werden?

Der Bundesrat will die Beiträge der Kraftwerkbetreiber erhöhen, damit Stilllegungs- und Entsorgungskosten nicht von den Steuerzahlern bezahlt werden. Der Aargauer Regierungsrat glaubt im Gegensatz zum Bundesrat nicht an eine Finanzierungslücke.

Fabian Hägler
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Diskussion über Atomkraftwerke
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Hans Killer (vorne)
Nationalrat Max Chopard-Acklin

Diskussion über Atomkraftwerke

Keystone

2019 soll Mühleberg als erstes Atomkraftwerk der Schweiz vom Netz gehen. Wann die übrigen AKW abgeschaltet werden, ist offen. Dennoch plant der Bund längst für die Stilllegung der Kraftwerke und die Entsorgung der radioaktiven Abfälle.

Für die Kosten – knapp 3 Milliarden Franken für die Stilllegung, 16 Milliarden Franken für die Entsorgung – müssen die AKW-Betreiber aufkommen. Seit 1984 zahlen diese Beiträge in zwei Fonds. Ende November 2013 waren 1,639 Milliarden im Stilllegungs- und 3,459 Milliarden Franken im Entsorgungsfonds.

Nun will der Bundesrat die Beiträge der Kraftwerkbetreiber erhöhen. Vorgesehen ist ein Sicherheitszuschlag von 30 Prozent – damit soll das Risiko gesenkt werden, dass sich die öffentliche Hand, also der Steuerzahler, an den Kosten für Stilllegung und Entsorgung beteiligen muss.

Aargau gegen Sicherheitszuschlag

Der Aargauer Regierungsrat unterstützt die Absicht des Bundesrats grundsätzlich. Allerdings teilt er die Befürchtungen des Bundes nicht, bei den Stilllegungs- und Entsorgungsfonds könnte eine Finanzierungslücke auftreten. «Aktuell werden die Sollwerte erreicht, beide Fonds sind gut auf Kurs.»

Der vorgesehene Sicherheitszuschlag von pauschal 30 Prozent ist aus Sicht des Regierungsrats unverhältnismässig. Der Aargau verlangt zwei separate Zuschläge für Stilllegung und Entsorgung, die «begründet, verhältnismässig und wirtschaftlich tragbar» sind.

Zudem müsse die schwierige Lage der Energieunternehmen berücksichtigt werden, die mit «historischen Tiefpreisen» beim Strom zu kämpfen hätten.

SP und SVP auf Konfrontationskurs

SP-Nationalrat Max Chopard begrüsst die Absichten des Bundes, die AKW-Betreiber stärker zur Kasse zu bitten. «Sonst muss letztlich der Steuerzahler für die fehlenden Milliarden aufkommen», begründet Chopard.

Die bisherigen Kostenberechnungen sind laut dem SP-Nationalrat eher zu optimistisch, es fehlten grosse Reserven für Unvorhergesehenes. «Allein bei der Atommüllentsorgung sind die Kostenschätzungen der Behörden zwischen 2001 und 2011 von 12 auf 16 Milliarden Franken angestiegen», gibt Chopard zu bedenken.

Ganz anders sieht dies SVP-Nationalrat Hans Killer, der im Verwaltungsrat der Kernkraftwerk Leibstadt AG sitzt. Aus seiner Sicht kommt der Risikozuschlag von 30 Prozent deshalb «sehr willkürlich daher und hält einer sachlichen Beurteilung nicht stand».

Die Berechnungsgrundlagen und die zu erwartenden Bau- und Betriebskosten seien periodisch neu gerechnet worden. Auch bei der letzten Überprüfung 2011 sind laut Killer «keine Differenzen zu den ursprünglichen Annahmen erkennbar».

Wie gut sind die Fonds dotiert?

Max Chopard findet, beide Fonds seien heute unterdotiert. Gerade der Aargau habe schlechte Erfahrungen mit massiv unterschätzten Kosten bei der Sondermülldeponie Kölliken gemacht. «Solche Fehleinschätzungen dürfen sich beim AKW-Rückbau und bei der milliardenteuren Atommüllentsorgung nicht wiederholen.»

Killer entgegnet, auch die neueren Beurteilungen zeigten keine Mängel in der Dotation der Fonds. Er sagt aber: «Sofern sich aufgrund der weiteren Kostenentwicklung in der Stilllegung und in der Entsorgung und Tiefenlagerung ein konkreter Handlungsbedarf zeigen würde, müsste über einen verwendungsspezifischen Zuschlag befunden werden.»

Fondsbeiträge aus dem Strompreis

Auf die schwierige Ertragslage der AKW-Betreiber Rücksicht zu nehmen, ist für Chopard keine gute Idee. «Wenn wir heute die AKW-Folgekosten nicht ausfinanzieren, hinterlassen wir kommenden Generationen nebst den Entsorgungsrisiken auch noch eine unverantwortlich grosse finanzpolitische Altlast», findet er.

Killer hält fest, es brauche einen Ausgleich zwischen dem Strompreis beim Konsumenten und der Ertragskraft der Werke. Bisher würden die Fondsbeiträge aus dem Strompreis generiert. «Dies wird auch künftig gelten müssen.» Derzeit fliesst rund 1 Rappen pro Kilowattstunde Atomstrom in die beiden Fonds.