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Wieso sich die Stiftung gegen Cybermobbing engagiert, was für die Kinder daran gefährlich ist und ob jedes Kind eine Smartphone-Prüfung ablegen sollte, bevor es ein Handy bekommt, sagt Projektleiter Patrik Luther im Interview.
Wieso kämpfen Sie gegen Cybermobbing?
Mobbing gibt es seit Jahr und Tag. Cybermobbing unterscheidet sich davon thematisch nicht. Aber Cybermobbing hört nicht auf. Früher wurde einem auf dem Schulplatz ein Bein gestellt. Dann kam noch der Heimweg. Zu Hause hattest du Pause bis zum nächsten Tag. Die hat ein Kind heute nicht mehr. Heute geht Mobbing ständig weiter. Und es ist weniger vergänglich. Denn sobald etwas im Netz ist, ist es gespeichert.
Was hat das für Folgen für die Kinder?
Im schlimmsten Fall passiert das, was im Fall Céline geschah. Was wir häufiger sehen: Kinder, die in Depressionen fallen, die sich zurückziehen, nicht mehr kommunizieren. Oder aber aggressiv werden. Wir haben schon alles erlebt: Klassen, die so schlimm waren, dass die Schule und die Polizei intervenieren mussten. Bis hin zu Klassen, die noch keine Berührung zum Thema Mobbing hatten. Es kommt stark darauf an, wie die Klassen zusammengesetzt sind. Und auf den Einfluss der Eltern. Ob sie ein offenes Ohr haben und ob sie mir ihren Kindern solche Probleme bearbeiten.
Verschlimmert sich das Problem?
Kinder, die noch keine elektronischen Geräte hatten, haben im Lockdown plötzlich iPads bekommen, auf denen Microsoft Teams drauf war. Mit allen Funktionen, bis hin zum Videochat. Plötzlich können nicht nur viel mehr, sondern auch jüngere Kinder mit Mobbing konfrontiert sein. Erschwerend kommt hinzu: Die Jugendsprache hat sich verändert. Sie tönt manchmal brutal hart. Kürzlich war ich im Zug neben einem Pärchen, die waren wohl so 16 oder 17 Jahre alt. Sie haben auf dem Handy etwas angeschaut. Dann sagte sie: Mann, du bist so ein verdammter Vollidiot. Zuerst habe ich aufgehorcht. Dann kam aber keine wütende Reaktion. Sie haben normal weitergeredet. Das ist ein kleines Beispiel, aber es zeigt: Die Sprache wird härter. Dadurch wird es auch schwieriger einzuschätzen: Was ist hartes aber freundschaftliches Reden, und wann startet Mobbing? Diese Schmerzgrenze liegt auch bei jedem Menschen woanders.
Was kann man gegen Cybermobbing tun?
Beim Velo ist es klar: Bevor man fahren darf, muss man eine Prüfung machen. Doch die elektronischen Geräte bekommen die Kinder einfach in die Hand gedrückt. Klar, die Eltern sind in der Verantwortung. Aber häufig merken wir: Viele Eltern sind selbst überfordert. Weil sie mit den Geräten und Apps überfordert sind. Denn die wenigsten sind auf Tiktok oder Snapchat.
Ich auch nicht.
Ich machs auch nur, damit ich am Ball bleibe. Aber viele Eltern sind nciht auf diesen Apps und wissen deshalb nicht, was dort geschieht. Das birgt viele Gefahren.
Also fordern Sie eine Smartphone-Prüfung?
Das wäre unser Wunsch. Wir sind immer wieder im Gespräch mit dem Bund. Denn eine solche Prüfung müsste in die Lehrpläne. Bis jetzt haben wir es aber nicht geschafft.
Was können Sie also stattdessen tun?
Wir arbeiten auf zwei Ebenen. Wir sensibilisieren die Schüler, was ok ist und was nicht mehr. Auch weil dies oft eine Gefühlsfrage ist. Und dann ist da noch die Ebene der Strafrelevanz. Vielen Jugendlichen ist nicht bewusst, was alles schon eine Straftat sein kann. Wenn etwa eine Gruppe Mädchen chattet und jemand schreibt «Bring dich um», dann ist das eine strafrelevante Nachricht. Klar: Wo kein Kläger, da kein Richter. Aber wenn der Vater oder die Mutter des Mädchens das liest und Anzeige erstattet, steht am nächsten Tag die Polizei vor der Tür.