Drei nationale, aber wenige regionale Vorlagen kommen am Sonntag an die Urne. Was heisst das im Hinblick auf die Stimmbeteiligung? Die AZ hat in den Städten und grossen Gemeinden nachgefragt.
Das Schweizer Stimmvolk muss am 15. Mai entscheiden, ob Streamingdienste, wie zum Beispiel Netflix, analog zu Schweizer Fernsehsendern einen Beitrag zahlen müssen, um Schweizer Filmschaffende zu unterstützen.
Zudem soll entschieden werden, ob die Widerspruchslösung bei Organtransplantationen zur Anwendung kommt und ob die Schweiz die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) finanziell stärker unterstützen soll. Im Aargau kommen mit der Amtsenthebungsinitiative und der Steuergesetzrevision zwei kantonale Abstimmungsvorlagen dazu. Auf kommunaler Ebene stehen diesen Sonntag keine grossen Kampfwahlen an.
Im Februar verzeichneten die Gemeinden teilweise rekordhohe Stimmbeteiligungen. Die AZ hat deshalb bei den Städten und grossen Gemeinden im Kanton angefragt, wie es aktuell um die Stimmbeteiligung steht.
Die Stadt Aarau schreibt, dass zusätzlich zu den nationalen Abstimmungen die Vorlage zum Baukredit Neubau Pflegeheim Herosé vor das Stimmvolk kommt. «Aktuell verzeichnen wir für den Urnengang vom 15. Mai 4479 briefliche Stimmabgaben, welche 31,3 Prozent der 14’297 Stimmberechtigten entsprechen.
An der Abstimmung vom 13. Februar registrierten wir – als Vergleich – zum selben Zeitpunkt briefliche Stimmabgaben von 36,1 Prozent der Stimmberechtigten. Damals betrug die Stimmbeteiligung schliesslich 50,8 Prozent.»
Die Stadt Baden hält sich kurz und schreibt: «Wir machen keine Erhebung der Stimmbeteiligung.»
In Wettingen, nach Aarau die zweitgrösste Gemeinde punkto Bevölkerung, heisst es auf Anfrage: «Aktuell haben wir eine Stimmbeteiligung von 29,2 Prozent. Bei der Abstimmung im Februar lag sie zur gleichen Zeit bei 34,5 Prozent.»
Verschiedene Gemeinden berichten von einer aktuell tiefen Stimmbeteiligung. So schreibt Suhr von einem auffällig geringen Eingang an Stimmzetteln, wobei es sich aber um eine Schätzung handle. Ähnlich klingt es aus Zofingen (26,5 Prozent), Wohlen (22 Prozent), Frick (20 Prozent). Rheinfelden und Laufenburg berichten von 26 respektive 25 Prozent Stimmbeteiligung zum aktuellen Zeitpunkt.
Keine prozentuale Angabe liefert Windisch. Die Gemeindekanzlei schreibt aber, dass die Stimmbeteiligung «eher etwas kleiner» sei als bei vorherigen Abstimmungen. Und auch bei der Gemeinde Muri spürt man, dass es wohl eine tiefere Stimmbeteiligung geben wird – vielleicht sogar bis zu einem Drittel. Aber auch hier handle es sich um eine Schätzung.
Die Stadt Brugg hingegen schreibt von 28 Prozent Stimmbeteiligung am Mittwoch kurz nach dem Mittag. Und dazu: «Die Menge der bis heute eingegangen Stimmcouverts liegt im ‹Normalbereich›.»
Wie Baden kann auch die Gemeinde Zurzach keine Angaben machen, aber aus einem anderen Grund: In den verschiedenen zugehörigen Ortschaften der Fusionsgemeinde werden die Couverts erst am Freitag wieder abgeholt. Eine zuverlässige Schätzung sei daher nicht möglich.
„Die anhaltend geringe Beteiligung bei Wahlen und Abstimmungen provoziert Reformvorschläge zur Mobilisierung der Stimmberechtigten. Eine dieser kontrovers diskutierten Wahlrechtsreformen sieht die Einführung eines Stimmzwangs vor. Eine Analyse historischer Daten zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigt, wie sich ein Stimmzwang auf die Abstimmungsergebnisse der damaligen Zeit auswirkte. Die Resultate zeigen, dass eine Strafe für Nichtwähler die Stimmbeteiligung um etwa 30 Prozentpunkte erhöhte. Dieser Zuwachs bewirkte eine deutliche Stärkung linker Abstimmungspositionen, die auf stärkere Umverteilung abzielten. Allerdings ist ungewiss, ob sich dieses Muster auf heute übertragen lässt. Vermutlich wurde mit dem Stimmzwang insbesondere die Beteiligung von Geringverdienern erhöht. Geringverdiener äussern sich heute jedoch an der Urne deutlich konservativer als zu Beginn des 20. Jahrhunderts.“ (Bechtel/Hangartner/Schmid: Welche politischen Vorlagen profitieren vom Stimmzwang, in Die Volkswirtschaft, 22.09.2016)