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Kanton Aargau
Mit seiner Motion für Massnahmen bei jugendlichen Straftätern, die über ihr maximales Strafmass hinaus als gefährlich eingestuft werden, trifft Ständerat Andrea Caroni den Nerv der Zeit. Dies zeigt eine Umfrage.
Der Ausbruch von Kris V., aus der Psychiatrischen Klinik Königsfelden wühlt die Menschen auf. Der 22-jährige verurteilte Mörder, der zur Zeit der Tat minderjährig war, ist immer noch flüchtig. Er war in Königsfelden, weil man nach bisherigem Jugendstrafrecht einen Täter nur bis zum 22. Altersjahr inhaftieren kann. So war Kris V., den die Behörden so einschätzen, dass sie ihn nicht einfach rauslassen wollten, in Königsfelden «fürsorgerisch untergebracht». Nun erlaubt das inzwischen revidierte Jugendstrafrecht ab dem 1. Juli eine Inhaftierung jugendlicher Straftäter bis maximal zum 25. Altersjahr.
Was aber, wenn Gutachter danach zum Schluss kommen, der Täter sei weiterhin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit? Da hat der Staat keine Handhabe mehr. Doch wer würde es verstehen, wenn man jemanden rauslassen müsste, obwohl er von Gutachtern zum Beispiel als «wandelnde Zeitbombe» eingeschätzt wird? Hier besteht nach Überzeugung von FDP-Ständerat Andrea Caroni eine gefährliche Lücke. Die will er mit einer schon im März eingereichten Motion schliessen. Am Donnerstag wird sie in der Kleinen Kammer behandelt.
Aufgrund der spektakulären Flucht von Kris V. vor wenigen Tagen bekommt die Motion jetzt eine unerwartete Aktualität. Caroni fordert darin nämlich, dass gegenüber Jugendlichen, deren jugendstrafrechtliche Schutzmassnahmen spätestens mit 22 (ab Juli mit 25) beendet werden müssen, «Massnahmen angeordnet bzw. weitergeführt werden können, wenn dies wegen schwerwiegender Nachteile für die Sicherheit Dritter notwendig ist».
Der Aargauer Justizdirektor Urs Hofmann hofft sehr auf diese Motion, wie er in der az klar gemacht hat. Aufgrund dieser könnte man künftig für sehr schwerwiegende Fälle zum Beispiel eine – natürlich periodisch zu überprüfende – Verwahrung anordnen.
Auf die beiden Aargauer Ständeräte kann Hofmann zählen. Pascale Bruderer (SP) hat mit ihm darüber bereits gesprochen und teilt die Einschätzung des kantonalen Justizdirektors: «Wenn eine Gefährdung besteht, muss die Öffentlichkeit weiterhin geschützt werden», sagt sie. «Wenn die Tat in den Jugendjahren lag und der Täter zwischenzeitlich zu alt ist für jugendstrafrechtliche Massnahmen, klafft jedoch heute eine Lücke. Diese müssen wir umgehend schliessen – auch wenn sie nur für einige wenige Fälle wirksam wird.» Bruderer wird Ja stimmen und erwartet auch, dass die Motion eine Mehrheit findet.
«Natürlich Ja» stimmen wird heute bei der Behandlung der Motion im «Stöckli» auch Ständerat Philipp Müller (FDP). Er ist einer der 29 Ständeräte, die Caronis Motion schon bei der Einreichung im März mit ihrer Unterschrift unterstützt haben. Diese Gesetzesanpassung brauche es, sagt Müller: «Selbst wenn sie nur für wenige, hochgradig gefährliche Täter gemacht wird, hat sie sich schon gelohnt, wenn damit auch nur ein einziges Verbrechen verhindert werden kann.»
Wenn der Vorstoss im Ständerat gutgeheissen wird – wovon man ausgehen kann – kommt er als nächstes in den Nationalrat. Wie tönt es dort bei Aargauer Vertretern? Jonas Fricker (Grüne) findet die Motion grundsätzlich gut. Es sei aber entscheidend, dass die bestehende Lücke mit Augenmass geschlossen werde, damit der Charakter des Jugendstrafrechts erhalten bleibe.
«Das Jugendstrafrecht stellt erzieherische und therapeutische Massnahmen in den Vordergrund, so können Minderjährige weit wirksamer resozialisiert werden als mit Freiheitsstrafen», sagt Fricker. Eine lebenslange Verwahrung für jugendliche Täter, die auch schon gefordert worden ist, lehnt er ab.
Anders als Fricker formuliert es sein SVP-Nationalratskollege und Kantonalparteipräsident Thomas Burgherr. Selbstverständlich werde er die Motion unterstützen, sagt Burgherr. Es gebe schwere psychische Erkrankungen jugendlicher Straftäter, «die nicht einfach mit Erreichen des 25. Altersjahrs geheilt sind». Deshalb dürfe man solche Täter «zum Schutz der Öffentlichkeit und zu ihrem Selbstschutz nicht einfach mit 25 freilassen». Burgherr ist sicher, dass die SVP-Fraktion diese Sichtweise teilt.